Zwischen die Zeilen tauchen
Lust auf Lektüre zum Wohlfühlen? Oder auf spannende, dramatische und satirische Bücher? Die Bajour-Buchclübli-Community gibt Tipps, welche Romane du für die Sommerzeit mit im Gepäck haben musst.
Für zielstrebige Träumer*innen
Morgen kommt ein neuer Himmel
Lori Nelson Spielman
Bajour-Leserin Sabrine hatte dieses Buch schon seit ein paar Jahren zu Hause. Erst jetzt hat sie es zur Hand genommen, denn: «Ich hatte Angst, dass es zu traurig ist.» Weil die Verfilmung aber jetzt auf Netflix läuft und sie sich erst den Roman zu Gemüte führen möchte, liest sie es nun doch. «Ich bin erst beim ersten Drittel und die Nastuch-Packung ist schon leer. Aber es ist sehr lebendig geschrieben. Bis jetzt gefällt es mir sehr gut.» Es geht um Brett, die mit 14 Jahren all ihre Lebensziele auf eine Liste geschrieben hat. Als sie 34 Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Doch bevor Brett ihr Erbe antreten kann, muss sie die Liste ihrer Jugendträume erfüllen. Ein berührendes Buch, in dem eine Mutter ihrer Tochter den Weg aufzeigt, ihre wahren Wünsche zu verwirklichen.
Nichts für Feiglinge
Roman eines Schicksallosen
Imre Kertesz
Annette schickt regelmässig ihre Buchtipps an Bajour. Zu diesem Roman schreibt sie: Er ist schon ziemlich alt (1975 erschienen), aber er war für mich eine literarische Entdeckung, die mich sehr beeindruckt hat. Ich finde das Buch nach wie vor sehr relevant.» Das Buch spielt im Zweiten Weltkrieg in Ungarn, geschildert werden die Deportation und das Leben im Konzentrationslager aus der Perspektive eines jüdischen Jungen. Annette schreibt: «Er scheint ganz naiv die Tragweite der Geschehnisse gar nicht zu begreifen.» Der Autor wurde selbst als 14-Jähriger nach Auschwitz und Buchenwald deportiert. Mit diesem Buch ist es dem Nobelpreisträger Imre Kertesz gelungen, Auschwitz zu entmystifizieren. Der Roman zählt zu den bedeutendsten Werken über den Holocaust und ist unbedingt empfehlenswert.
Für Freund*innen in der Midlife-Crisis
Das Fest
Lucy Fricke
Briefing-Leserin Ursula hat dieses Buch mit ins Spital genommen und dort zum zweiten Mal gelesen, weil es «so guttut». Sie schreibt von einer «genussvollen Lektüre, die lebensbejahend, melancholisch und lebendig zugleich und zum Weinen wie auch zum Lachen» ist. «Ein Roman, der das Leben umarmt.» Darin geht es um Jakob, der in der Midlife-Crisis ist und sich von der Zukunft nicht mehr allzu viel verspricht. Seinen 50. Geburtstag würde er am Liebsten ignorieren, aber seine Frau hat andere Pläne. Als er an seiner Party dann unerwartet alte Freund*innen wieder sieht, nimmt sein Leben eine neue, positive Wendung.
Im kommenden Buchclübli am Donnerstag, 21. August um 19 Uhr, sprechen wir gemeinsam über das Buch «Das Fest» von Lucy Fricke und geben uns gegenseitig weitere Buchtipps. Möchtest du auch dabei sein?
Für einsame Musikneards
Walzer für Niemand
Sophie Hunger
Lukas besucht regelmässig das Buchclübli mit Vali und empfiehlt das Debüt der Sängerin Sophie Hunger, die sich unter die Autorinnen wagt. Im Buch ist «Niemand» der beste Freund der Protagonistin. Beide sind Kinder von Militärattachés, die viel innerhalb Europas umziehen und kaum Anschluss finden. Beide ziehen sich in ihre Freundschaft und die Musik zurück. Als die Freundschaft der beiden auf eine Katastrophe zusteuert, helfen ihnen wiederum die Songs, ihre Verbindung aufrechtzuerhalten. Viele der im Buch beschriebenen Lieder stammen von Sophie Hunger selbst. Der Roman ist also auch eine Wieder- oder Neuentdeckung ihrer Musik.
Für wohl oder übel Alternde
Altern
Elke Heidenreich
Dieses Buch ist «frisch und authentisch», obgleich der Titel erst einmal andere Assoziationen hervorruft. Bajour-Leserin Saskia schreibt: «Es ist einfach empfehlenswert für alle, die älter werden oder Eltern haben, die altern.» Ihr habe das Buch geholfen, ihre älter werdenden Eltern etwas besser verstehen zu können. Eigentlich aber betrifft das Buch uns alle, denn wie heisst es so schön: Alle wollen alt werden, niemand will alt sein. Der Widerspruch ist absurd, das Leiden daran real. Wie aber lernen wir, so gut wie möglich damit zurechtzukommen? Und wie kann es gelingen, alt zu werden und ein erfülltes Leben zu führen? Elke Heidenreich schreibt persönlich und ehrlich, aber nie gnadenlos.
Für geschichtsversessene Philosoph*innen
The Quartet - Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten
Clare Mac Cumhaill / Rachael Wiseman
Dieses Buch hat Bajour-Leserin Cathérine empfohlen, auch wenn es «kein leichter Sommerroman» sei. Sie findet, das «fesselnde Buch» sei dennoch gut für die Sommerzeit, weil «wir dann mehr Freiraum zum Lesen haben». Es spielt in Oxford im Zweiten Weltkrieg: Während die Männer zum Pflichtdienst einberufen werden, spüren vier junge Philosophinnen Freiheit: Elizabeth Amscombe, Philippa Foot, Mary Midgley und Iris Murdoch entwickeln bei Kaffee und Keksen, in Pubs und Speisesälen eine neue Philosophie, in deren Zentrum der Mensch als ein «metaphysisches Lebewesen» steht. Die Wiederentdeckung des «Philosophie-Quartetts» gibt spannende philosophische Einblicke.
Für wachsame Satiriker*innen
Fabian oder Der Gang vor die Hunde
Erich Kästner
Bajour-Leser Paul empfiehlt diesen Klassiker, der zurzeit wieder viel gelesen und an Theatern aufgeführt wird. Er schreibt: «Das Buch ist leider gerade wieder sehr aktuell.» Der satirische Roman ist bereits 1931 erschienen, er beschreibt das Ende der zwanziger Jahre während der grossen Wirtschaftskrise. Kästner zeigt in seinem Klassiker eindrücklich auf, wie die NSDAP immer mehr an Einfluss gewinnt und in der Bevölkerung immer mehr Anhänger*innen findet. In vielen Szenen beschreibt Kästner die gegenwärtigen sozialen Missstände und die daraus entstehende politische Spaltung der Gesellschaft. «Fabian» ist Erich Kästners Meisterwerk. Der Roman wurde vor seinem Erscheinen aber verändert und gekürzt. Er liegt heute unter dem Titel, den Kästner ursprünglich vorgesehen hatte: Der Gang vor die Hunde.
Für zeitreisende Schicksalsgläubige
Am Himmel die Flüsse
Elif Shafak
Im Buchclübli mit Vali hat Denise von diesem Buch geschwärmt, weil es in andere Welten entführt. «Man muss sich aber auch Zeit nehmen, um dieses grossartige Werk zu lesen», sagt sie und empfiehlt das Buch daher extra für die Sommerferien. Der Autorin gelingt es, auf berührende und spannende Weise die Geschichte dreier Menschen zu erzählen, deren Leben durch Raum und Zeit getrennt und doch miteinander verwoben ist. Der Bogen wird von 640 v.Chr. bis ins Jahr 2018 gespannt und die Leser*innen erfahren Schicksale vom Tigris bis an die Themse. Ein Roman über sich kreuzende Lebensgeschichten und die Macht jahrhundertealter Konflikte.
Für schicksalsgläubige Optimist*innen
Unser Tag ist heute
Virginie Grimaldi
«Ein Buch zum Entspannen» empfiehlt Leserin Mélanie: «Es ist ein Wohlfühlbuch, das man ja zwischendurch auch immer mal wieder braucht.» Die schwangere Iris ist aus einer toxischen Beziehung geflohen und ist nun auf der Suche nach einer Bleibe in Paris. Sie trifft auf den 18-jährigen Théo, einen Konditorlehrling ohne festen Wohnsitz, der im Heim aufgewachsen ist. Schliesslich landen beide in der grossen Wohnung von Jeanne und es bildet sich eine auf den ersten Blick ungewöhnliche WG. Die drei befreunden sich und es entwickelte sich eine Schicksalsgemeinschaft von Menschen, die zusammengewürfelt worden sind. Ein Buch, das zeigt, dass alles oft viel besser kommt, als man denkt.
Für Harmonische mit Hang zum Drama
Drei Wochen im August
Nina Bussmann
Diesen Roman packe ich in meinen eigenen Koffer. In der Beschreibung steht: «Ein paar Tage am Meer können reichen, um alles in Frage zu stellen.» Hier will Elena mit ihren Kindern drei unbeschwerte Wochen verbringen. Ihr Mann ist zu Hause in Deutschland geblieben. Elena hat die Babysitterin Eve und eine Freundin der 13-jährigen Tochter eingeladen und hofft auf eine entspannte Auszeit. Diese aber entwickelt sich immer dramatischer: Persönliche Konflikte kommen auf, ausgetrocknete Wälder stehen in Flammen, unangekündigte Gäste kommen zu Besuch und eines der Mädchen verschwindet plötzlich. Dieses Buch zeigt auf, dass die Abgründe oft im Idyll lauern, auch wenn alles harmonisch scheint.