Kopiert!

Wem gehört Basel?

Diesen Parteien gehört Basel: Das sagen die Politiker*innen

Im Durchschnitt besitzen Basler Grossrät*innen mehr Eigentumswohnungen als die Basler Bevölkerung – besonders in sozioökonomisch starken Quartieren. Was sagen die Politiker*innen zu dieser Diskrepanz? Und soll Grund- und Immobilienbesitz offen gelegt werden?

Romina Loliva

05/21/21, 04:00 AM

Aktualisiert 05/20/21, 04:28 PM

Kopiert!

In der neuesten Recherche der «Wem gehört Basel?»-Reihe haben wir uns die Besitzverhältnisse von Wohneigentum in der Basler Politlandschaft angeschaut.

Dabei kam raus: Die Grossrät*innen besitzen im Schnitt mehr Wohnraum als die Basler Bevölkerung. Während es bei den Politiker*innen rund 28 Prozent sind, die Wohneigentum besitzen, sind es bei den Basler*innen fünf Prozent. Was sagen die Fraktionspräsident*innen des Grossen Rats zu dieser Diskrepanz?

Zuerst zur Linken

Normalerweise spannen SP und das Grün-Alternative Bündnis (GAB) bei der Wohnpolitik zusammen und schlagen sich auf die Seite der Mieter*innen. Beim tatsächlichen Wohnbesitz gibt es aber Unterschiede: Während die SP nach der LDP die Fraktion mit den meisten Hausbesitzer*innen ist, hat das GAB deutlich weniger Wohnungen.

Und auch die Meinungen fallen unterschiedlich aus. Thomas Gander, SP-Fraktionspräsident und -Grossrat sieht kein Problem in der Differenz zwischen Politik und Bevölkerung. Anders ist das bei Tonja Zürcher, Fraktionspräsidentin des Grün-Alternativen Bündnisses. Sie fürchtet, dass sich der Hausbesitz auf die Politik auswirkt: «Die Analyse zeigt deutlich, warum der Grosse Rat die Interessen der Hausbesitzenden höher gewichtet, als den Schutz der Mieter*innen.» 

«Die Recherche suggeriert, dass Wohneigentum in einem demokratisch gewählten Parlament ein Problem darstellen könnte.»

Raoul Furlano, LDP-Fraktionspräsident

Die GLP hat am wenigsten Eigentümer*innen in der Fraktion. Fraktionspräsident David Wüest-Rudin findet die Differenz zwischen Politik und Bevölkerung nicht «optimal»: «Der Unterschied zwischen 5 Prozent 28 Prozent Wohneigentum ist schon sehr gross.» Ein Parlament, das die Bevölkerung umfassend abbildet, wäre ideal, sagt er. Aber dann müsse man auch Kategorien wie den Job oder das Geschlechterverhältnis überdenken. Trotzdem glaubt Wüest-Rudin nicht, dass Immobilienbesitz per se einer Partei eine politische Richtung vorgibt.

Für Pascal Messerli, Fraktionspräsident der SVP, ist der Unterschied der Besitzverhältnissen von Wohneigentum zwischen Bevölkerung und Grossrät*innen nicht der Rede wert. «Man wird wohl nie überall die Bevölkerung perfekt und idealerweise zu 100 Prozent repräsentieren können.»

Keine Freude an der Bajour-Recherche haben FDP, LDP und Mitte/EVP. Die Frage, welche Grossratsfraktionen wieviele Liegenschaften besitzen, sei heikel. Andrea Strahm, Fraktionspräsidentin der Mitte/EVP spricht von einem «Prangeraspekt». Und Raoul Furlano von der LDP sagt: «Sie suggeriert, dass Wohneigentum in einem demokratisch gewählten Parlament ein Problem darstellen könnte.» Er fragt sich, ob es dann nicht auch schwierig wäre, dass mehr Grossrät*innen Jurist*innen sind als Ärzt*innen. 

Tatsächlich ist auch der berufliche Hintergrund von Politiker*innen von öffentlichem Interesse, dementsprechend hat das Präsidialdepartement bei den Wahlen im Herbst erneut ausgewertet: Unternehmensdiensleistende wie Juristen, Anwälte und Treuhänder mit 18,4 Prozent die grösste Berufsgruppe der Kandidierenden aus. Verschiedene Medien berichteten darüber.

Aber zurück zum Wohneigentum: Furlano legt seinen Fokus lieber nicht auf die 28 Prozent, die Wohnraum besitzen, sondern auf die 72 Prozent, die dies nicht tun. «Ist das allenfalls nicht eine Verzerrung, indem die überwiegende Mehrheit vor allem die Mieter vertritt?» 

Und auch Strahm sagt: «Wenn man die Entscheidungen des Grossen Rats in Bezug auf die Wohnraumförderung etc. anschaut, dann dürfte die Mehrheit, die kein Wohneigentum besitzen, genügend Unterstützung erfahren», sagt sie. Ausserdem zieht auch Strahm den Vergleich: «Die Basler Bevölkerung umfasst ja alle Einwohner, auch die Nichtschweizer, und im Grossen Rat hat es ausschliesslich Schweizer Bürger.»

Ist mehr Transparenz nötig?

Seit 1991 kennt Basel-Stadt eine der fortschrittlichsten Transparenzregelungen der Schweiz: Die Grossrät*innen müssen ihre Interessenbindungen weitgehend öffentlich machen. Häuser, Wohnungen und Landbesitz fallen nicht darunter. Zu Recht? 

Anruf bei Philippe Wenger von der Lobbywatch Schweiz. Die Transparenz-Plattform macht die Interessenbindungen der Bundesparlamentarier*innen öffentlich. Wenger sagt: «Grundsätzlich betrachten wir jeden Bezug eines Politikers oder einer Politikerin, der eine Anreiz darstellen könnte, in eine bestimmte Richtung zu lobbyieren, als mögliche Interessenbindung.» 

Darunter könnte auch Grund- und Immobilienbesitz fallen: «Zumindest sollte das diskutiert werden. Denn die Wählenden haben das Anrecht zu wissen, wen sie wählen», sagt Wenger. Zu erfahren wofür die Politiker*innen stehen, welche Werte und Interessen sie vertreten, sei ein wichtiger Faktor einer funktionierenden Demokratie. Dabei gehe es nicht um einen Pranger: «Lobbyismus ist nichts Verwerfliches. Bindungen gibt es immer, darüber Transparenz zu schaffen, ist sehr wichtig.»

Aber ist der Besitz eines Hauses oder einer Wohnung denn schon eine Interessenbindung? Wenger sagt, es komme auf das Ausmass des Besitzes an und ob der*die betroffene Politiker*in ihre Existenz darauf begründe: «Es könnte durchaus Sachgeschäfte geben, bei welchen es wichtig wäre zu wissen, ob es Politiker*innen gibt, die mit Immobilien und Boden Geld machen, bei Mietpreisbindungen oder Raumplanungsgesetzen zum Beispiel.»

Sollen Immobilien- und Grundbesitz also offen gelegt werden? Und ab welchem Schwellenwert? «Das ist eine typische, politische Frage. Es würde sich auf jeden Fall lohnen, offen darüber zu diskutieren», sagt Wenger. 

«Lobbyismus ist nichts Verwerfliches. Bindungen gibt es immer, darüber Transparenz zu schaffen, ist sehr wichtig.»

Philippe Wenger, Lobbywatch Schweiz

Die Basler Parteien schätzen die Lage unterschiedlich ein. Für die Offenlegung wäre Tonja Zürcher vom GAB: «Ich fände die Angabe von Immobilienbesitz als Interessenverbindung spannend.» Ausserdem solle neben dem direkten, persönlichen Immobilienbesitz noch der Besitz der Firmen der Grossratsmitglieder angegeben werden.

LPD-Fraktionschef Raoul Furlano ist dagegen und auch SVP-Fraktionspräsident Pascal Messerli sieht keinen Handlungsbedarf. 

Und was ist beispielsweise mit dem Lärmschutz? Die Bajour-Daten zeigen, dass die Grossrät*innen nur in sozioökonomisch starken Quartiere Häuser besitzen. Was bedeutet das zum Beispiel für Stadtrandquartiere wie beispielsweise das Klybeck – werden die genug repräsentiert?

Ja, findet Messerli: «So wie ich die Bajour-Analyse interpretiere, hat die Mehrheit im Grossen Rat kein Eigentum, sodass ich schon glaube, dass auch im wohnspezifischen Bereich ausgewogen politisiert werden kann.» Und auch Thomas Gander von der SP und GLP-Fraktionspräsident David Wüest-Rudin finden eine Offenlegung unnötig.

Und Andrea Strahm von der Mitte/EVP-Fraktion fragt:  «Was folgt dann wohl noch – Listen von Autofahrern, Listen mit Auszügen aus der Stromrechnung, von Rauchern und Nichtrauchern, von Haltern von Tieren? Ein Immobilienhai und das Eigentum einer Kleinwohnung sind nicht vergleichbar.»

Wie weit soll und darf Transparenz gehen? «Darauf gibt es keine einfache Antwort», meint Wenger, «Persönlichkeitsschutz ist wichtig, Transparenz aber auch». Eine Güterabwägung also, «die Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Wähler*innen haben kann».

Wird geladen