«Eine Massenkündigung würde sich in Basel nicht lohnen»
Der Basler Wohnschutz ist zwar kein Kündigungsschutz. Aber trotzdem ist wegen der strengen Gesetzgebung unwahrscheinlich, dass sich eine Massenkündigung wie bei den Sugus-Häusern in Zürich derzeit in Basel zutragen könnte.
Wer schon mal mit dem Zug nach Zürich gefahren ist, kennt die Sugus-Häuser. Das sind die neun Wohnblocks auf der linken Seite kurz vor dem Hauptbahnhof, die wegen ihrer bunten Fassade und quadratischen Form im Volksmund nach der Kaubonbon-Marke benannt sind. Und sie sind derzeit Thema Nummer 1 in Zürich.
Die Annahme, dass es bei der Massenkündigung eigentlich um eine Erhöhung der Rendite in den Wohnblocks geht, ist weit verbreitet. Immobilienökonom Christian Brunner sagt in 20 Minuten: «Hier geht es um Rendite. Es ist eine Gewinnoptimierung für diese Liegenschaften. Investmentmässig verstehe ich das, aber aus sozialverträglicher Sicht sehe ich das kritisch.»
Die Massenkündigung von rund 270 Personen in drei der Wohnblocks (Neugasse 81, 83, 85) bewegt die Stadt. Begründet wird das Vorgehen von der Eigentümerin – der verstorbene Bauherr hatte drei Kindern je drei Wohnblocks vermacht – mit dem schlechten Zustand der Wohnungen in dem 29 Jahre alten Gebäude (Fotos der Mängel wurden auf der Website der Verwaltung veröffentlicht). Im Tsüri-Artikel widersprechen Bewohner*innen dieser Baufälligkeit. Auch die Besitzer der anderen sechs Wohnblocks sehen diese nicht als gegeben an.
Luxus-Sanierungen also? Dieser Vorwurf kommt uns in Basel doch bekannt vor. Es war das vom Basler Mieter*innenverband gesetzte Schlagwort im Wohnschutz-Abstimmungskampf. Die Annahme jener Vorlage brachte die vieldiskutierte Wohnschutzkommission auf den Weg, die in Basel darüber entscheidet, wie viel höher der Mietzins nach einer Sanierung sein darf.
Würde der Basler Wohnschutz (der strengste der Schweiz) also verhindern, dass sich der Fall der Sugus-Häuser so wie in Zürich auch in Basel zutragen könnte?
Fabian Halmer, Partner bei der Immobilienagentur Holinger Moll Immobilien AG und Vizepräsident beim Schweizerischen Verband der Immobilientreuhänder SVIT beider Basel, hat auf diese Frage zwei Antworten. Die erste: «Rein rechtlich könnte ein solcher Fall auch mit der Basler Gesetzgebung vorkommen. Der Wohnschutz ist per se kein Kündigungsschutz: Eigentümer*innen können ihre Mieter*innen jederzeit im Rahmen der gesetzlichen Fristen kündigen.» Eine Kündigung darf nicht missbräuchlich sein. Wenn sich Mieter*innen vor der Schlichtungsstelle dagegen begründet wehren, könnte diese der Kündigung immer noch widersprechen.
«Derzeit lohnt sich für viele schon die Planung einer so grossen, investitionsintensiven Renovation kaum.»Fabian Halmer, Immobilientreuhänder
Die zweite Antwort von Halmer geht über die rechtliche Ebene hinaus: «Im Moment befinden wir uns in einer speziellen Situation mit der Gesetzgebung in Basel. Es herrscht noch immer viel Unsicherheit bei Immobilienbesitzer*innen.» Bei einem Fall wie den Sugus-Häusern, in dem im unbewohnten Zustand totalsaniert werden sollte, wäre ein Gesuch für eine «umfassende Sanierung» bei der Wohnschutzkommission (WSK) nötig. Mit solchen Fällen hat die WSK noch wenig Erfahrung. Auf ihrer Website ist als Musterfall nur ein Beispiel aufgeführt. In jenem Fall dürfte die Miete um höchstens 201 Franken pro Monat steigen.
«Erkenntnisse, wie die WSK entscheidet, sind erst vereinzelt da. Aber in vielen Fällen ist nach wie vor unklar, wie ein Entscheid der WSK in einem bestimmten Gesuch ausfallen wird», so Halmer. Zudem sei nicht klar, ob die nachfolgenden Gerichtsinstanzen die Entscheide der WSK stützen würden. Halmer: «Es herrscht derzeit eine gewisse Rechtsunsicherheit.» Hinzu kommt: Es passiert gerade recht viel bei den Wohnschutzgesetzgebungen. Regierungspräsident Conradin Cramer (LDP) will den Überwälzungssatz anpassen, damit Eigentümer*innen nach der Sanierung die Mieten wieder stärker erhöhen könnten. Zudem haben die Bürgerlichen im Grossen Rat Lockerungen des Gesetzes durchgeboxt.
Es passiert also viel bei der WSK – aber es ist noch unklar, was genau. Bevor Investor*innen aber überhaupt zur WSK gelangen, müssen sie den Baubewilligungsprozess durchlaufen. Erst nach dem Prozess erfahren die Investor*innen also, wie stark sie die Mieten erhöhen dürfen. «Eine Unsicherheit, die mit enorm viel kostspieligen Vorleistungen verbunden ist», findet Halmer. «In der aktuellen Situation lohnt sich für viele schon die Planung einer so grossen, investitionsintensiven Renovation kaum.»
Der Fall Sugus-Häuser wäre also in Basel derzeit unwahrscheinlich – aber nicht, weil der Wohnschutz vor Kündigungen schützt, sondern weil Sanierungsvorhaben mit dieser Rechtslage unattraktiver sind.