Plädoyer für das private Grundeigentum

Die Haltung, dass der Boden möglichst vollständig dem Staat gehören und Privaten nur noch im Baurecht zur Verfügung gestellt werden sollte, ist inzwischen bis weit in die bürgerliche Mitte hinein verbreitet. Deshalb ist es an der Zeit für ein Plädoyer für das private Grundeigentum, findet FDP-Politiker Luca Urgese in seiner Kolumne.

Basel von oben
Wem soll der Basler Boden gehören? (Bild: Geoportal Basel-Stadt)

Vor einigen Monaten diskutierte der Grosse Rat einen Vorstoss des Mitte-Co-Präsidenten Franz-Xaver Leonhardt zur Zukunft des Areals «Horburg». Dieser begann mit einem Zitat von Hans Bernoulli, der sich für die Stadt als Eigentümerin ihres Bodens aussprach.

Für Irritationen unter den bürgerlichen Ratsmitgliedern sorgte weniger der Inhalt als vielmehr der Absender aus den eigenen Reihen. Er steht stellvertretend für eine inzwischen bis weit in die bürgerliche Mitte verbreitete Ansicht, dass der Boden dem Kanton gehören sollte. Private sollen diesen nur noch im Baurecht zugesprochen erhalten.

Dahinter verbirgt sich eine Fundamentalkritik am privaten Grundeigentum und die Haltung, der Staat könne besser mit dem Boden umgehen. Dies darf nicht ohne Widerspruch bleiben.

Zur Person

Luca Urgese, Jg. 1986, politisiert seit 2014 für die FDP im Grossen Rat. Von 2016 bis 2021 war er Parteipräsident. Im März kandidierte Urgese für den Regierungsrat, unterlag jedoch Mustafa Atici. In seiner Kolumne «Caffè Urgese» schaut er mit der bürgerlichen Brille auf Basel. Er äussert sich als Politiker und nicht als Mitarbeiter der HKBB.

Boden ist eine endliche Ressource und lässt sich nicht vermehren, lautet ein beliebtes Argument. Deshalb sei man privaten Grundeigentümern ausgeliefert, es komme zu Spekulation und künstlicher Angebotsverknappung.

Das knappe Wohnungsangebot ist selbstgemacht

Das sich Boden nicht vermehren lässt, ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Natürlich ist die Fläche der Erde begrenzt und damit auch der nutzbare Boden (lassen wir die Holländer einmal beiseite, die dem Meer einiges an Fläche abgetrotzt haben).

Doch lässt sich die für Wohnzwecke nutzbare Fläche durchaus vermehren, nämlich indem man in die Höhe baut. Basel ist in dieser Hinsicht überaus zurückhaltend. Die Stadt weist eine Bevölkerungsdichte von 7256 Menschen pro km2 auf. Zum Vergleich: Im New Yorker Stadtteil Manhattan sind es über 27'000 Menschen pro km2. In unserer Stadt hätte es, so wir es denn wollten, also noch einiges an Platz.

Doch es sind staatliche Regeln, die den Bau generell und den Bau in die Höhe insbesondere erschweren bis verunmöglichen. Das knappe Angebot an Wohnungen, welches nicht mit dem Wachstum der Bevölkerung und der Wohnflächenbedürfnisse mithalten kann, ist also selbstgemacht.

Staatliches Grundeigentum wirft viele Fragen auf

Stellen wir uns dennoch vor, der gesamte Boden auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt würde tatsächlich dem Staat gehören. Es würde also künftig der Staat entscheiden, wer wo was bauen darf. Daraus ergäben sich verschiedenste grundlegende Fragen:

Hätten wir dann mehr Wohnungen und könnten so die hohe Nachfrage befriedigen? Wenn man darauf blickt, wie schwer sich der Kanton damit tut, die Entwicklung des Wohnungsbaus auf den Arealen voranzutreiben, die ihm heute schon gehören, sind erhebliche Zweifel angebracht.

«Es macht den Charme vieler Städte, vor allem ihrer Altstädte, aus, dass sie historisch gewachsen und sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelt haben.»
Luca Urgese

Nach welchen Kriterien würde der Kanton den Boden vergeben? An den Meistbietenden? An die Sympathischste? Nach Quoten? Oder an denjenigen mit den besten Beziehungen zur aktuellen Regierungsmehrheit? Natürlich gefällt es Kollektivisten, wenn sie den Boden nach ihren Idealvorstellungen verteilen können. Wer nicht gemäss ihren Vorstellungen denkt und handelt, erhält keinen Boden. Es wäre mindestens der Anfang vom Ende der freien Gesellschaft.

Würde unsere Stadt schöner, wenn die Abteilung Städtebau & Architektur als Vertreterin der Grundeigentümerin Basel-Stadt künftig bestimmt, wie Basel auszusehen hat? Nicht von ungefähr finden wir auf dem Reissbrett geplante und aus dem Boden gestampfte Retortenstädte nicht besonders ansprechend. Es macht den Charme vieler Städte, vor allem ihrer Altstädte, aus, dass sie historisch gewachsen und sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelt haben.

Stellen wir uns also die Frage: Würde Basel genau so schön aussehen wie heute, wenn der Staat seit jeher das Sagen über den Boden gehabt und seine Vorstellungen von Städtebau durchgesetzt hätte?

Die Eigentumsfrage ist eine Machtfrage

Letztendlich geht es bei der Eigentumsfrage um die Machtfrage. «Nur wenn die öffentliche Hand Grundstückseigentümerin bleibt, kann sie auf Dauer bestimmen, was mit und auf dem Land geschieht.» So schreiben es die Herausgeber der Schrift «Boden behalten – Stadt gestalten». Genau darum geht es den Befürwortern einer solchen Bodenpolitik. Sie wollen sagen, wo es langgeht. Private Grundeigentümer, die ihre eigenen Vorstellungen der Nutzung ihres Bodens verfolgen wollen, sind ihnen zuwider.

Unser demokratisches System ist jedoch auf allen Ebenen darauf ausgerichtet, Macht zu teilen. Selbst unser Staatsoberhaupt besteht formell aus sieben gleichberechtigten Personen – ein weltweites Unikum.

«Privates Eigentum ist das Fundament einer freien, liberalen Gesellschaft.»
Luca Urgese

Die Konzentration allen Bodens in der öffentlichen Hand ist das Gegenteil davon. Sie gibt die ganze Macht über den Boden in die Verfügungsgewalt der Politik. Wer gerade die politische Mehrheit hat, bestimmt darüber, was mit dem Boden geschieht. Die Machtfrage lautet also: Alle Macht dem Staat und damit der herrschenden politischen Mehrheit? Oder doch lieber dezentrale Machtverteilung auf viele verschiedene private Eigentümerinnen und Eigentümer?

Der Staat profitiert vom privaten Grundeigentum

Schliesslich ist es ja nicht so, dass der Staat vom privaten Grundeigentum nicht profitieren würde. Jede Grundeigentümerin muss den Boden- und den Liegenschaftswert jedes Jahr als Vermögen versteuern. Wird mit dem Boden ein Ertrag generiert, muss dieser als Einkommen versteuert werden. Wird der Boden aufgezont, ist eine Mehrwertabgabe fällig. Wird der Boden verkauft, ist eine Grundstückgewinnsteuer geschuldet. Der Staat verdient also durchaus nicht schlecht am privaten Grundeigentum.

Doch es geht um viel Grundsätzlicheres. Privates Eigentum ist das Fundament einer freien, liberalen Gesellschaft. Nicht umsonst ist die Freiheit des Eigentums seit der Französischen Revolution in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in jeder liberalen Staatsverfassung fest verankert. Wer alles Eigentum an Grund und Boden dem Staat überlassen will, stellt diese grosse Errungenschaft, auf der Generationen von Menschen ihren Wohlstand aufgebaut haben, fundamental in Frage.

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