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Biozentrum und Co.

Nicht nur Pleiten, Pech und Pannen

Ambitionierte Bauprojekte müssen nicht unbedingt extrem teurer werden als erwartet. Es gibt auch positive Beispiele.

12/19/22, 03:00 AM

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Noch steckt uns der Schock in den Knochen. Das Biozentrum kostet statt rund 300 Millionen effektiv rund 430 Millionen Franken und wurde fünf Jahre zu spät bezogen.

Und kürzlich wurde bekannt, dass der Neubau für die Biomedizin der Uni Basel (900 Mitarbeitende, 200 Studierende) nun auf 365 Millionen Franken veranschlagt wird, 153 Millionen mehr als zuerst geplant. Und der Bau dauert sechseinhalb statt drei Jahre.

Das muss offenbar nicht sein.

Es gibt bessere Beispiele …

Nicht alle der in Basel realisierten Projekte haben Probleme mit Kosten- und Terminüberschreitungen. Der Neubau des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts in Allschwil war in jeder Beziehung im Plan: Sowohl Kosten wie auch die Termine konnten zu 100 Prozent eingehalten werden. Die Gesamtkosten betrugen 127 Millionen Franken. Diese beinhalten 114 Millionen für die Bauabrechnung sowie 13 Millionen für Investitionen (Laborgeräte, IT, etc). Die Schlüsselübergabe erfolgte planmässig im September 2021, von Oktober bis März 2022 zogen 700 Mitarbeitende und Studierende ins neue Gebäude, die offizielle Eröffnung war am 1. April. 2022.

Das Gebäude für das Departement Biosysteme (D-BSSE) der ETH Zürich an der Schanzenstrasse in unmittelbarer Nähe des Universitätskinderspitals, des Biozentrums und dem künftigen Departement Biomedizin der Uni Basel steht kurz vor der Vollendung. Der Einbau der Betriebseinrichtungen für Forschung und Lehre durch die ETH Zürich wird bis im Sommer 2023 beendet sein. Der Forschungs- und Lehrbetrieb mit seinen 600 Mitarbeitenden und 100 Studierenden könne damit nach aktuellem Stand ab dem Herbstsemester 2023 beginnen, so die ETH-Medienstelle gegenüber Bajour.

Die Vorfreude bei den Forschenden sei entsprechend gross. Das Projekt könne innerhalb des vom Bund genehmigten Kredites abgewickelt werden. Die Baukosten belaufen sich auf 200 Millionen Franken. Wermutstropfen: Das Haus wird mit einem Jahr Verspätung in Betrieb genommen. Grund dafür seien ein siebenmonatiger Baustopp wegen einer Anfechtung des damaligen Vergabeentscheids, teilt die Medienstelle mit. Dazu kamen Verzögerungen bei der Abnahme der Labors sowie Lieferengpässe in der Folge der Pandemie.

Die beiden Roche-Türme lagen sowohl zeitlich wie finanziell (je 550 Millionen) im Plan. Ausgelegt sind die Zwillinge für maximal 2400 und 3100 Arbeitsplätze.

Andernorts gibt es einige schlimmere Beispiele …

Wer nach Fehlplanungen und Kostenüberschreitungen bei Grossprojekten sucht, wird rasch fündig. Hier die beiden extremsten Beispiele:

Elbphilharmonie, Hamburg («Elphi»): Die Baukosten betrugen am Ende mit rund 866 Millionen Euro etwas mehr als das 11-fache der mit ursprünglich 77 Millionen Euro geplanten Summe. Die Fertigstellung des Gebäudes war nach einem mehrjährigen Vorlauf für das Jahr 2010 vorgesehen, verzögerte sich jedoch mehrfach, u. a. bedingt durch einen anderthalbjährigen Baustopp im öffentlichen Bereich. Erst nach einer umfangreichen Projektneuordnung zwischen den Architekten Herzog und de Meuron, dem Bauherren und der Baufirma wurde weitergebaut.

Der Flughafen Berlin Brandenburg (BER): «Aufgrund fehlerhafter Bauplanung, mangelnder Bauaufsicht und umfangreicher technischer Mängel wurde der Eröffnungstermin insgesamt sieben Mal verschoben», heisst es auf Wikipedia. Durch die Fehlplanungen und die explodierenden Kosten, zuletzt auf über sieben Milliarden Euro veranschlagt, sei «dieses Bauprojekt zum Sinnbild eines ausser Kontrolle geratenen staatlichen Grossprojektes» geworden. Nach 14-jähriger Bauzeit wurde der Flughafen im Oktober 2020 eröffnet. Und so stiegen die Kosten: 1995 wurden sie auf 800 Millionen Euro veranschlagt. Bei Baubeginn 2008 waren es 2,4 Milliarden, 2014 bereits 4,5 Milliarden. Heute summieren sich die Baukosten inkl. Zinsen auf über 7 Milliarden Euro – etwa das Neunfache der ursprünglich veranschlagten Bausumme.

Biomedizin: 256 Millionen-Auftrag für Implenia

Beim Biomedizin-Neubau setzt die Uni auf das Konzept des Totalunternehmers (TU). Der Zuschlag für das Projekt in der Höhe von 256 Millionen Franken bekam im Oktober 2022 die Firma Implenia. Diese garantiert der Universität Basel als Eigentümerin und Bauherrin die schlüsselfertige Erstellung des Bauwerks zu einem verbindlichen Werkpreis. Mit diesem Modell will die Universität sicherstellen, dass Kosten und Termine nicht überschritten werden.

Die Differenz zwischen den gesamten Erstellungskosten von 365 Millionen und den 256 Millionen für Implenia erklärt Rolf Borner, Direktor Infrastruktur und Betrieb der Uni Basel (vormals Leiter Immobilien Basel-Stadt und Leiter der Baukommission Biozentrum), mit bereits geleisteten Generalplaner-Aufwendungen (21 Mio.), bauherrenseitigen Aufwendungen (Qualitätssicherung, Audits, Bauherrentreuhand etc.), Bau-Betriebseinrichtungen (11 Mio.), Umzug (5 Mio.), Baurechtszinsen (3 Mio.), Finanzierungskosten (14 Mio.), Teuerungsreserve (22 Mio.) und einer «globale Reserve» (23 Mio.). 

Der TU-Werkvertrag steht unter dem Vorbehalt, dass die Parlamente der beiden Trägerkantone der Erhöhung von 242 auf 365 Millionen Franken zustimmen.

Zurück zum Biozentrum. Auch bei diesem Projekt waren die Kosten- und Terminüberschreitungen Resultat einer ungenügenden Planung und einer viel zu komplexen Organisation, wie die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) Ende August in ihrem Bericht feststellte. Zudem hätten die verantwortlichen Gremien ihre Aufsichts- und Sorgfaltspflichten ungenügend wahrgenommen. 

Doch in zwei Dingen unterscheidet sich der Fall Biozentrum von Elphi und BER: Es gab keinen jahrelangen Baustopp, und das Auswechseln des Generalplaners konnte vermieden werden. Dieser war zwar offenbar nicht in der Lage, das Projekt geordnet abzuwickeln. Ihn zu ersetzen wäre ungleich aufwändiger gewesen, sagt alt Baudirektor Hans-Peter Wessels gegenüber Bajour. Im PUK-Bericht zum Biozentrum wird erwähnt, dass verschiedene Firmen wegen ausstehenden Zahlungen drohten, die Arbeit niederzulegen. Dann wäre es zu zusätzlichen Verzögerungen gekommen.

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