Braucht es ein drittes Geschlecht?

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David Rutschmann
David Rutschmann
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Peter Muster
22. Dezember 2022 um 16:25

Regelung der Dienstpflicht

Wie soll die Wehrdienstpflicht, bei der klar zwischen dem amtlichen Geschlechtseintrag differenziert wird, bei der Einführung eines dritten Geschlechts geregelt werden? Entfällt für Angehörige des dritten Geschlechts die Dienstpflicht, wie für Frauen, oder sollen sie gleichbehandelt werden wie Männer und Dienst- bzw. Ersatzabgabepflichtig sein?

Ich denke eine Einführung hätte das Potenzial hier einige wichtige Steine ins Rollen zu bringen um eine rechtliche Gleichbehandlung anzustreben. Hingege bestünde auch die Gefahr, dass die Diskriminierung von Männern bei der Dienstpflicht aufrechterhalten würde und somit Frauen sowie das dritte Geschlecht nicht dienstpflichtig wären. Gäbe es hierzu einen konstruktiven Vorschlag, könnte man die Einführung des dritten Geschlechts sicherlich breiter abstützen.

Jeannine Borer
Jeannine Borer
ehemalige Sportjournalistin, angefragt von Bajour

Geschlecht ist ein Kontinuum

Aus Sicht einer ehemaligen Sportjournalistin, die sich für die Sichtbarkeit von Frauen im Sport stark macht, kann ich mir nicht vorstellen, ganz auf Geschlechterkategorien zu verzichten. Die Gefahr, dass Frauen in vielen Sportarten noch mehr an den Rand gedrängt und ganz aus dem Lichtkegel der Scheinwerfer verschwinden, schätze ich als zu hoch ein. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, dass man die stark normierten Kategorien „Mann“ und „Frau“ aufweichen muss. Geschlecht ist ein Kontinuum, und vor dieser Tatsache verschliesst der Sport bisher die Augen. Wie die Lösung genau aussehen soll, ist schwierig zu sagen. Wichtig ist sicher, dass man Geschlecht nicht nur am Testosteron festmacht, sondern breiter denkt. Und für mich steht auch fest: Der Ausschluss oder die Diskriminierung von non-binären oder intergeschlechtlichen Menschen im Sport (in allen Leistungsklassen) geht nicht. Auch die Einführung einer dritten Kategorie für non-binäre, trans* oder intergeschlechtliche Personen kommt für mich nicht in Frage. Der Stellenwert dieser Kategorie wäre bald mit dem der Paralympics und den Special Olympics zu vergleichen. Kurz: Die Abschaffung von Geschlechterkategorien ist keine Option, genauso wenig wie die Einführung einer dritten Kategorie. Darum liegt die Antwort dazwischen: Starre Grenzen aufweichen.

Anonym
Antwort auf Basel Briefing

Wir sind kein «drittes Geschlecht»

Eine kleine Korrektur: Der Bundesrat möchte keinen dritten Geschlechtseintrag einführen. Wir nicht-binären Menschen sind kein «drittes Geschlecht».

Hier ein Artikel, welcher dies gut beschreibt: https://www.varsity.co.uk/features/20977

Bettina Schwind
Vize-Präsidentin Aidshilfe beider Basel, angefragt von Bajour

Diskriminierungsfreies ist gesünderes Leben

Die Entscheidung des Bundesrats gegen das dritte Geschlecht spiegelt nicht die existierende Vielfalt bezüglich biologischen wie sozialem Geschlecht wider. Dies zu ändern wäre zentral und wichtig gewesen. Leider ist damit eine wertvolle gesellschaftspolitische Chance vergeben worden, die es erlaubt hätte, tradierte heteronormativen Normen und Werte, die das politische wie rechtliche System aber auch das Sozial- und Gesundheitswesen durchziehen zu hinterfragen und zu erneuern. Kurzum, es braucht weiterhin Einsatz, Geduld und Massnahmen, die uns alle ein vielfältigeres und diskriminierungsfreies wie auch gesünderes Leben ermöglichen.   

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Johannes Sieber
Grossrat GLP

Es geht hier um den amtlichen Geschlechtseintrag

Andrea Fopp wird mich wieder einen Haarespalter nennen, aber ich finde es schade, dass sich Bajour auch in dieser Diskussion erneut der grassierenden journalistischen Einfältigkeit hingibt. Die politisch diskutierte Frage ist nicht, ob es ein drittes Geschlecht braucht, gibt oder geben soll. Das ist seit bald einem halben Jahrhundert der Zankapfel der Bio- & Soziolog:innen. Die politische Frage ist, ob der Staat einen dritten amtllichen Geschlechtseintrag einführen soll. Dieser würde es Mitmenschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsmerkmale oder ihrer Geschlechtsidentität (also sowohl biologisch wie soziologisch begründet) nicht in unsere binäre Administration passen, einen Platz geben. Dabei gibt nur zu gewinnen!

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David Garcia Núñez
Psychiater und Lehrbeauftragter für Gender Studies, angefragt durch Bajour

Worauf sollen wir noch warten?

Die Entscheidung des Bundesrats ist eine erstaunliche und sehr verstörende Botschaft. Gerade einmal vor zwei Wochen erklärte der Bundesrat, dass die Diskriminierung und Gewalt von LGBT-Personen als gesundheitsrelevanter Aspekt mitgedacht werden und deren Stellung in der Gesellschaft gestärkt werden soll. Die Argumentation des Bundesrats zum Dritten Geschlecht liest sich für mich aber so, dass er «kei Luscht» hat, seinen Job zu machen und einen der grössten Diskriminierungsfaktoren zu beseitigen. Er behauptet, die Schweiz sei nicht «bereit» dafür. Damit schliesst er aber von sich selbst auf andere. Nicht binäre Personen und deren Umfeld sind bereit, wir am Innovations-Focus Geschlechtervarianz sind bereit, zunehmend viele Unternehmen sind dazu bereit. Worauf sollen wir denn noch warten? 

Michela Seggiani
Michela Seggiani
SP-Grossrätin, angefragt von Bajour

Behördengang soll keine Tortur sein

Ich bin sehr enttäuscht vom heutigen Bundesratsentscheid und kann ihn auch nicht nachvollziehen. Mal wieder hinkt die Schweiz bei solchen Fragen im internationalen Vergleich hinterher. Deutschland kennt bereits ein vergleichbares Gesetz und darum verstehe ich nicht, warum das bei uns zu kompliziert sein sollte. Nonbinäre Menschen sind Teil der Gesellschaft. Und damit für diese Menschen ein Behördengang nicht zur Tortur wird, braucht es mindestens die Einführung eines drittes Geschlechts.

Sascha
Sascha Rijkeboer
LGBTIQ-Aktivist*in, angefragt von Bajour

Inklusion ist Mehraufwand, aber wichtig

Es ist das Gleiche wie bei jeder Rücksichtnahme: Für Nicht-Betroffene ist Inklusion immer mit einem Mehraufwand verbunden. Schade, dass der Bundesrat hier nicht vorbildlich vorleben möchte, was er sich zuschreibt: Eine*n jede*n aus dem Volk zu vertreten.

Sibel Arslan_Nationalrat
Sibel Arslan
Nationalrätin Basta/Grüne, angefragt von Bajour

So fördert man keine gesellschaftliche Akzeptanz

Ich habe absolut kein Verständnis für den Entscheid. Bei diesem Thema liest der Bundesrat die Zeichen der Zeit falsch. Die Schweiz ist ein Minderheitenland und es ist der Regierung in Bern zu aufwendig, ein Gesetz zu machen, das non-binäre Menschen Respekt entgegenbringen und schützen soll. So fördert man keine gesellschaftliche Akzeptanz. Dass der Bundesrat auch in der letzten Sitzung in diesem Jahr diesen Entscheid fällt, sagt einiges aus. Ich werde das Thema natürlich weiterverfolgen und nächstes Jahr in der Rechtskommission einbringen.

Fleur Weibel
Fleur Weibel
Grossrätin Grüne

Gesellschaftspolitisch bleibt die Schweiz beim Schnecken-Tempo

Ganz klar braucht es einen dritten Geschlechtseintrag für die Anerkennung der Menschen, die sich nicht als Frau oder Mann identifizieren. Ich bin auch überzeugt, dass dieser Eintrag kommen wird - in der Schweiz aber wie immer später als früher. Es war auch bei der Öffnung der Ehe so, dass der rechtsbürgerlich und männlich dominierte Bundesrat zur Einschätzung kam, dass die Zeit noch nicht reif und die Gesellschaft noch nicht bereit dafür sei. Die Schweizer Stimmbevölkerung hat ein deutliches Zeichen gegen diese bundesrätliche Einschätzung gesetzt. Auch bei der Frage der Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt wird es einst so sein. Für den Moment gilt es, auf allen möglichen gesellschaftlichen Ebenen bestehendes Unwissen, Bedenken, Vorurteile und Abwehrreflexe abzubauen und dafür zu sensibilisieren, dass die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt denen, die sich als Frauen oder Männer identifizieren, nichts wegnimmt. Vielmehr entsteht mehr Raum für alle.

Vielleicht brauchen wir auch einfach gar kein Geschlecht? In Gesetzen wird ja sonst auch nicht zwischen bspw. grün und blauäugigen Menschen unterscheidet. Wäre es im Sinne der Gleichberechtigung nicht anstrebendwert von der Klassifizierung der Geschlechter komplett wegzukommen?

Elisa Streuli_ZHAW
Elisa Streuli
Soziologin ZHAW, angefragt durch Bajour

Geschlechtsunabhängige Chancengleichheit

Der Wunsch nach einem dritten Geschlecht kann aus soziologischer Sicht als Ausdruck gedeutet werden, dass sich sehr viele Menschen nicht mehr der einen oder anderen Geschlechtergruppe zugehörig fühlen. Dies hängt damit zusammen, dass den Geschlechtern nach wie vor, auch in der Schweiz, von Geburt auf enge Korsetts auferlegt werden: Mädchen spielen nicht mit Traktoren, Knaben spielen nicht mit Puppen (probieren Sie es aus, wenn Sie einen völlig verdatterten Elternblick erleben wollen 😊)

Dass immer mehr Menschen aus diesem Korsett ausbrechen, ist deshalb folgerichtig – und wenn nun der Bundesrat (mit Verweis auf den administrativen Aufwand!) findet, es «brauche» kein drittes Geschlecht, darf er es nicht bei dieser lapidaren Antwort bewenden lassen. Vielmehr soll er konsequent und breit angelegte Massnahmen unterstützen, welche die tatsächliche, geschlechtsunabhängige Chancengleichheit für alle fördern – und bitte den dafür notwendigen und ganz erheblichen Aufwand nicht scheuen!

Alain Alä Pfaeffli

Ich würde es begrüssen, wenn meine Transfrauen-Freundinnen ihr Geschlecht im Pass zu dem ändern dürften, das sie leben. Ich wohne jedoch mittlerweile in Asien. Das «dritte Geschlecht» ist hier fast weiblicher als Frauen im Westen. Die Gesetze kümmert es auch nicht, welches Geschlecht sie mal waren ❤️🙏

Ueli
22. Dezember 2022 um 13:09

Warum Verwirrung stiften?

Geschlecht scheint mir neben beispielsweise Nation eine der administrativ-bürokratischen Identitäten, mit denen Menschen würdelos zu einem Objekt gestempelt werden. Ich selber verstehe mich als Subjekt, das eigen- und selbständig bestimmt, wer ich bin und zukunftsoffen sein will. Warum es jetzt noch ein drittes Geschlecht geben soll, ist für mich subjektiv nicht nachvollziehbar.

Steffi
23. Dezember 2022 um 12:41

Zwei Geschlechter. Punkt?

Zwei Geschlechter und dann Punkt? Mehr Geschlechter, offen lassen……!

René Kummerle

Nein, Mann und Frau reichen aus.

Johanna Kathriner

Absolut – der hängige Gerichtsfall (Schweizer Bürger*in, Deutschland lebend und dort mit x eingetragen, möchte dies auch in den Schweizer Dokumenten machen), intergeschlechtliche und nonbinäre Menschen wären sehr dankbar drum. Schade, dass da die Schweiz nicht wie auch andere EU Länder fortschrittlich ist.

Beat K. Schaller
Beat K. Schaller
SVP-Grossrat, angefragt von Bajour

Aufwand würde Resultat nicht rechtfertigen

Ich unterstütze den Entscheid des Bundesrates, weil ein drittes Geschlecht Tür und Tor für weitere Beliebigkeiten bei Geschlechterfragen öffnen wurde. Und abgesehen von den moralischen Fragen würde der Aufwand das Resultat nicht rechtfertigen.

Thomas Müry, LDP
Thomas Müry
LDP-Grossrat, angefragt von Bajour

Es gibt nur zwei Geschlechter

Der Bundesratsentscheid halte ich für sinnvoll, da es auch einfach nur zwei Geschlechter gibt. Punkt.

Michael Brunner

Alle, die nach mehr Menschlichkeit und Toleranz schreien und gleichzeitig die Frage mit Nein beantworten, haben das eigentliche Thema definitiv nicht verstanden! Ob der Zeitpunkt jetzt richtig ist, kann man drüber diskutieren, ev. ist es noch zu früh - aber früher oder später kommt das, ob es uns passt oder nicht und wer sich über das Thema lustig machen will, lässt sehr tief blicken 🤷‍♂️

Simone Rusterholz

In erster Linie brauchen wir mehr Toleranz, Offenheit, Menschlichkeit und Verständnis, und weniger Vorurteile, Verurteilungen, Bewertungen und Ignoranz. Wenn ein drittes Geschlecht Menschen dabei hilft, sich wohler und akzeptierter zu fühlen, und es für sie stimmig ist, dann sehe ich keinen Grund, wieso es das nicht geben sollte. Aber ein drittes Geschlecht alleine reicht m.E. nicht, wenn wir Menschen nicht lernen, einander vorurteilsfreier zu begegnen - ich möchte Menschen kennen lernen, und nicht Geschlechter, Hautfarben, Religionen o.ä.

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