Jung, laut und herzlich willkommen
Schüler*innen haben das Münstergymnasium besetzt, um gegen eine Welt zu protestieren, in der «Profit vor Menschlichkeit» herrsche. Der Schuldirektor zeigte sich entspannt. Ist das der Auftakt eines klimajugendlichen Wahljahrs?
Neun Uhr, De-Wette-Park. Über zwei grosse Lautsprecherboxen tönt «Gute Menschen» von OK KID. Rund um den Pavillon hat sich eine Gruppe von etwa 20 Schüler*innen versammelt. Sie sind jung und warm eingepackt in dicke Jacken, Schals und Mützen, laufend kommen weitere Personen dazu. Sie alle sind heute für das gleiche Ziel da: Sie wollen die Aula einer Schule besetzen, unter der Organisation von End Fossil Basel, Teil einer internationalen Klimagerechtigkeitsorganisation. Noch wird nicht kommuniziert, wohin der Fussmarsch von hier aus gehen soll.
Kurz darauf: Eine Ansprache via Mikrofon. «Wir haben es satt, in einer Welt zu leben, in der Profit statt Menschlichkeit die oberste Priorität hat.» Gekommen sind aber nicht nur die Schüler*innen, sondern auch ein Haufen Medienschaffende. Das überrascht nicht: Die Besetzer*innen haben sich laut angekündigt, haben via Social Media auf die Aktion aufmerksam gemacht und am frühen Freitagmorgen eine Medienmitteilung verschickt. Darin steht:
«Tagtäglich besuchen wir die Schule und bereiten uns auf ein Leben vor, welches uns von der menschengemachten Klimakrise genommen wird. Dies wollen wir nicht still akzeptieren, sondern uns dagegen einsetzen.»
In ihrem «jetzigen Lebensumfeld, der Schule» wollen sie Menschen mit ihren Anliegen erreichen. Und der Forderungskatalog ist lang und betrifft zum Beispiel:
einen kostenlosen ÖV für Schüler*innen
«ethisch verantwortungsvolle und umweltverträgliche» Ernährung für alle oder
eine «klimaneutrale und energieschonende» Beheizung des gesamten Wohnraums in der Schweiz.
Nun kommt Bewegung in die Gruppe, die mittlerweile auf etwa 50 Personen angewachsen ist. Die Schüler*innen formieren sich zu einem Zug und in raschem Schritt geht's Richtung Bankverein, beschallt von Liedern mit Zeilen wie «Jeden Tag Antirassist» oder «Ich hör’ euch nicht, ich bin in meinem Wochenendhäuschen in der Fickt-Euch-Allee». Zuerst noch etwas verhalten – oder müde? – dann immer wacher und mutiger rufen sie antikapitalistische Parolen. Und immer wieder: «Wäm sini Schuele? Unseri Schuele! Wäm sini Zuekunft? Unseri Zuekunft!»
Spätestens an der Kreuzung am Bankverein ist klar, wohin der Marsch gehen wird. Auf zum Gymnasium am Münsterplatz. Im Eingangsbereich des Schulgebäudes steht schon der Rektor Eugen Krieger bereit. Die Organisator*innen drücken ihm ein Schreiben mit ihren Forderungen und Plänen in die Hand. Dieser zeigt sich sehr entspannt und begleitet die Gruppe Richtung Aula.
Aus einigen Fenstern strecken Schüler*innen Köpfe und Handys, sie winken in den Innenhof. Schnell sind die entsprechenden Türen aufgeschlossen und die Aula füllt sich. Wo sich die Wege mit anderen Schüler*innen am Gymnasium kreuzen, wird gegrüsst, gewunken, «viel Spass» gewünscht. Zwei Jugendliche beobachten, wie im Raum Transparente gehisst und Stühle in einem grossen Kreis aufgestellt werden. Sie hätten schon vorher gewusst, was heute hier an ihrer Schule passieren würde, auch wenn sie selbst nicht Teil von End Fossil Basel seien. Die Pläne haben sich offensichtlich bei einigen Schüler*innen herumgesprochen. Ganz im Gegensatz zu Rektor Krieger. «Wir am Gymnasium am Münsterplatz haben nicht gewusst, dass die Besetzung hier stattfindet, aber wir haben damit gerechnet», sagt Krieger zu einer Handvoll Journalist*innen. Sie hätten mögliche Besetzungspläne gestern mit allen Rektorinnen und Rektoren der Mittelschulen besprochen und beschlossen, «dass wir heute gelassen reagieren wollen.»
Die Rektor*innen wollen den Schüler*innen nicht im Wege stehen, «sie vertreten wichtige Anliegen», erklärt Krieger unbekümmert. «Dafür habe ich auch persönlich Verständnis.» Schliesslich versuche die Schule ja auch im Unterricht auf Themen wie die Klimaerwärmung einzugehen. Die Aula sei heute nicht belegt und so tue diese Besetzung dem Schulbetrieb «auch nicht weh». Es sei ihm lediglich wichtig, dass der Unterricht nicht tangiert werde.
«Eine rote Linie wäre für mich auch überschritten, wenn es zu Sachbeschädigungen oder Sprayereien käme», ergänzt er und grinst. «Aber bis jetzt ist ja alles sehr friedlich und kooperativ verlaufen und der Unterrichtsbetrieb im GM läuft bisher reibungslos.»
Mittlerweile stehen die Organisator*innen auf der Bühne. Vereinzelt hört man jubelnde Zurufe aus der Menge. Programm wird verkündet und dann heisst es: So, und jetzt bitte alle Medienleute raus. Sie hätten im Plenum besprochen, dass sich so alle wohler fühlen würden.
Draussen erwischen wir dann aber noch das selbsternannte Medienteam, das zwar zu den Sprecher*innen der Gruppe gewählt wurde, aber nicht mit Klarnamen auftritt. «Luisa Rot» und «Max Graf» zeigen sich erleichtert. Aus ihrer Sicht ist bisher alles reibungslos verlaufen. «Die Stimmung ist super», sagt Luisa. Es freut sie auch, dass auch noch mehr Schüler*innen gekommen sind. Sie schätzen die Anzahl Teilnehmer*innen mittlerweile auf etwa 100 Personen. Verifizieren lässt sich das von aussen nur schwierig.
Luisa und Max schlüpfen leicht fröstelnd wieder in die Aula. Bis zum Mittag fand ein Workshop statt, dann stand ein gemeinsames Essen auf dem Plan, später soll es auch noch ein Konzert geben. Um das Gym scheint die Stimmung friedlich. Auch Polizeisprecher Stefan Schmitt bestätigt am Nachmittag auf Anfrage, dass die Polizei die Aktion beobachtet habe. Es sei allerdings in Rücksprache mit den Verantwortlichen des Erziehungsdepartements kein Einschreiten erforderlich gewesen und entsprechende Hinweise seien bei der Polizei auch keine eingegangen.
Es wird vermutlich nicht das letzte Mal sein, dass wir von diesen Aktivist*innen hören. Luisa und Max sagen, sie können sich weitere Schulbesetzungen oder andere Aktionsformen vorstellen, um weiterhin auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Der Mediensprecher des Erziehungsdepartements Simon Thiriet zeigt sich diesbezüglich unaufgeregt: «Das Thema Klima ist im Unterricht allgegenwärtig und wir nehmen sicher die Forderungen der Jugendlichen entgegen.» Das ganze Schulsystem könnten sie aber nicht so schnell umkrempeln. «Wir begrüssen sehr, dass sich die Schüler politisch engagieren. Wenn jetzt aber jede Woche eine Aula besetzt wird, müssen wir dann schauen, wie wir weiterfahren.»
End Fossil Basel mobilisiert jedenfalls auch für die Klimademo am 11. Februar (Korrekturhinweis: in einer früheren Version stand an dieser Stelle ein falsches Datum), die vom revolutionären Klimakollektiv organisiert wird, erzählen Max und Luisa. Es bleibt zu sehen, ob sich mit dieser Aktion wieder eine lautere Klimajugend in Basel und dem Rest der Schweiz formiert. Schliesslich sind Wahlen – vor vier Jahren hat die Klimajugend eine grüne Welle ausgelöst.
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