Lob, Kritik und eine gute Portion Skepsis
Der Regierungsrat hat am Montag 64 Massnahmen vorgestellt, mit denen der Kanton bis 2037 und die Verwaltung bis 2030 klimaneutral sein sollen. Die Stimmen zum Aktionsplan sind gemischt.
Regierungspräsident Conradin Cramer macht schon während der Präsentation seines Klima-Aktionsplans klar, dass er mit Widerstand rechnen werde. Denn nicht alle Parteien werden die insgesamt 64 Massnahmen mittragen. Zudem räumt er ein, dass die Verwaltung bis 2030 wohl kaum zu 100 Prozent klimaneutral sein werde. Hinsichtlich 2037 gebe die Regierung ihr Bestes, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, garantieren könne er aber nicht, dass es gelingt.
Das Basler Netto-Null-Ziel ist ambitioniert. Heute hat der Regierungsrat Massnahmen vorgestellt, wie der Kanton bis 2037 und die Verwaltung bis 2030 klimaneutral sein sollen.
Bajour hat sich umgehört und ist sowohl auf lobende wie auch auf kritische Stimmen gestossen. Einig sind sich fast alle darin, dass es nun darauf ankommt, die Bevölkerung wie auch die Wirtschaft mit ins Boot zu holen, denn die ambitionierten Klimaziele können nur als Gemeinschaftsprojekt gelingen.
Raffaela Hanauer, Grüne
«Wir müssen von der Klima-Loki zum Schnellzug werden.»Raffaela Hanauer, Grüne-Grossrätin
«Ich begrüsse den Aktionsplan, der auf eine Forderung meiner Motion zurückgeht. Er ist für mich ein positives Zeichen. Grundsätzlich finde ich die vorgestellten Massnahmen sehr gut, wobei klar ist, dass es sich dabei um einen ersten Schritt handelt. Im Verkehrsbereich besteht beispielsweise Nachholbedarf: Der Rheintunnel und der ZUBA (Zubringer Bachgraben, Anm. d. Red.) sind klimaschädlich und haben in einem Klimaaktionsplan nichts zu suchen.
Grundsätzlich ist jetzt wichtig: Wir müssen von der Klima-Loki zum Schnellzug werden. Das heisst, wir müssen agiler werden, denn 13 Jahre bis zum Netto-Null-Ziel sind nicht viel. Noch aber fehlt uns die Messbarkeit der Massnahmen und wir sollten unser Augenmerk auf ein gutes Controllingsystem richten.
Beim Klima handelt es sich um ein bereichsübergreifendes und komplexes Querschnittsthema. Es wäre daher zu begrüssen, wenn sich der Kanton mit anderen Städten wie Zürich oder Winterthur zusammentut und Synergien nutzt. Denn es macht keinen Sinn, wenn jede Stadt für sich ihre eigenen Studien in Auftrag gibt, es gilt nun, vernetzt zu denken. Wichtig ist nun auch, dass verständlich kommuniziert wird, damit KMU und Private mitgenommen werden. Denn alleine kann die Regierung die Klimaziele nicht erreichen.»
Daniel Seiler, FDP
«Viele der Massnahmen sind absolut unrealistisch.»Daniel Seiler, FDP-Grossrat
«Für mich ist der Aktionsplan nicht viel mehr als eine Weiterführung der bisherigen Klima-Massnahmen, die ich im Bereich der Mobilität grösstenteils kritisch sehe. So sind die Reduktionsziele im Automobilverkehr von 30 Prozent nicht demokratisch legitimiert. Weder durch das Parlament noch durch das Volk.
Zudem sind viele der Massnahmen absolut unrealistisch. Es macht keinen Sinn, die Superblocks als flankierende Massnahmen für den Rheintunnel aufzuführen. Abgesehen davon wird der Rheintunnel erst nach 2037 fertiggestellt, wenn Netto-Null erreicht sein müsste.
Für mich gleichen die Massnahmen eher einem Wunschdenken, mit dem sich die ambitionierten Klimaziele nicht realisieren lassen. Um sie zu erreichen, müsste man mit viel radikaleren Verboten kommen, aber für Verbote gibt es nunmal keine politischen Mehrheiten.»
Lisa Mathys, SP
«Die Regierung setzt mit den Massnahmen ein richtiges und wichtiges Zeichen.»Lisa Mathys, SP-Grossrätin undf Co-Präsidentin der SP Basel-Stadt
«Ich finde den Aktionsplan auf den ersten Blick sehr gut. Die Massnahmen sind sehr transparent dargestellt und ich begrüsse, dass ein grosser Fokus auf die Wirtschaft gelegt wird. Offensichtlich wird geschaut, dass auch die Unternehmen mit ins Boot geholt werden, damit das Netto-Null-Ziel bis 2037 gemeinsam erreicht werden kann.
Ich möchte mich noch nicht zu konkreten Massnahmen äussern, da der Bericht gerade erst erschienen ist und ich kein abschliessendes Urteil fällen kann. Die Regierung setzt aber mit den Massnahmen ein richtiges und wichtiges Zeichen, so mein erster Eindruck.»
Benjamin Rytz, Klimaaktivist
«Klimamassnahme Nummer eins wäre, den Rheintunnel nicht zu bauen.»Benjamin Rytz, Klimaaktivist, Grossrats-Kandidat Grüne
«Zuerst möchte ich der Klimafachstelle für ihre gute Arbeit ein Lob aussprechen. Zum Beispiel im Bereich Hochbau wurden die Zeichen der Zeit endlich erkannt und die grauen Emissionen werden konsequent thematisiert. Umso unverständlicher ist es für mich, wenn man dann den Teil unter der Erde nicht mitdenkt.
Der Regierung fehlt der Mut sich gegen grosse Projekte wie den Rheintunnel zu stellen, obwohl sie diesen im Bericht selbst als klimaschädlich bezeichnet. Es bedarf schon einer gewissen rhetorischen Akrobatik, wenn man ein solches Projekt nun mit klimaschonenden Begleitmassnahmen abfedern möchte, ohne über den Elefanten im Raum zu sprechen. Klimamassnahme Nummer eins wäre, den Rheintunnel nicht zu bauen.
Wichtig ist, dass die beschlossenen Massnahmen nun rasch, konsequent und mit der Bevölkerung umgesetzt werden. Denn diese hat klar gezeigt, dass sie mehrheitlich hinter der notwendigen gesellschaftlichen Transformation steht, die nun auf uns zukommt. Die Basler*innen haben gute Ideen und viel Goodwill, um die Klimaziele umzusetzen – diesen Schwung sollte die Regierung nutzen.»
Vera Mühlebach, Basel 2030
«Klimagerechtigkeit ist in den einzelnen Departementen noch nicht ganz angekommen.»Vera Mühlebach, Mediensprecher*in Basel 2030
«Wir von Basel 2030 begrüssen die Massnahmen grundsätzlich, haben aber auch Kritikpunkte. Positiv ist die Einführung von Grenzwerten für Graue Emissionen im Bereich des Hochbaus zu sehen, für den Tiefbau gibt es allerdings grossen Nachholbedarf.
Ein wichtiges Beispiel ist der Rheintunnel, den die Regierung immer noch unterstützt, obwohl er schwer mit den Klimazielen und der Mobilitätsstrategie vereinbar ist. Wir haben hier den Eindruck, dass Klimagerechtigkeit in den einzelnen Departementen noch nicht ganz angekommen ist.
Ich denke, wir befinden uns nun in einem spannenden Moment, da sich die Regierung neu bildet und es Politiker*innen braucht, die sich nun mit Nachdruck der Massnahmen annehmen.»
Raphael Fuhrer, Grüne
«Es ist ein grosses Gemeinschaftsprojekt, das Netto-Null-Ziel zu erreichen.»Raphael Fuhrer, Grünen-Grossrat
«Grundsätzlich finde ich es sehr wichtig und gut, dass der Aktionsplan endlich vorliegt. Klar ist aber auch, dass es nun morgen losgehen muss, denn die Zeit läuft.
Es wird wichtig sein, die Wirtschaft und die Bevölkerung mitzunehmen, denn es ist ein grosses Gemeinschaftsprojekt, das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Es gilt nun, aufzuzeigen, dass wir einen Gewinn an Lebensqualität haben werden, wenn wir die Massnahmen umsetzen.»
Tamara Alù, Gewerbeverband
«Sollten für Unternehmen Wettbewerbsnachteile entstehen, so müssen diese in irgendeiner Form ausgeglichen werden.»Tamara Alù, FDP, Gewerbeverband
«Wir vom Gewerbeverband Basel-Stadt unterstützen die Stossrichtung des heute vorgestellten Klimaschutzaktionsplans. Wichtig erscheint mir aber, dass bei der Umsetzung der Klimamassnahmen besonders darauf geachtet wird, dass keine Wettbewerbsnachteile für die Basler KMU entstehen. Sollten für Unternehmen Wettbewerbsnachteile entstehen, so müssen diese in irgendeiner Form ausgeglichen werden.
Auch im Bereich des Wohnungsbaus ist es entscheidend, dass Investoren und Gewerbetreibenden keine weiteren Hindernisse neben dem bestehenden Wohnschutz in den Weg gelegt werden. Darauf werden wir sicher ein Auge haben. Denn die Massnahmen in Kombination mit dem Basler Wohnschutz könnten das Bauen, Umbauen für Investorinnen und Investoren noch weiter erschweren.
Die Massnahmen sind ambitioniert: Wir werden sie nun intensiv prüfen, mit unserer Mitgliederbasis diskutieren und das Resultat daraus in den Prozess einbringen.»
Bajour hat auch Politiker*innen der Mitte und der LDP angefragt, die keine Auskunft gegeben haben.
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