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Flüssigasterminal in Muttenz

Lehren aus dem PR-Debakel

Nach der Kommunikationsoffensive des Gasverbunds Mittelland ist etwa so viel (un)klar wie vorher. Dabei müsste man dringend darüber reden: Soll ein Unternehmen in öffentlicher Hand in Fossile investieren? Und welche Rolle spielt Kaspar Sutter?

03/08/23, 04:00 AM

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Viele Fragen sind offen: Wann würde das Terminal kommen, oder eher gar nicht?

Viele Fragen sind offen: Wann würde das Terminal kommen, oder eher gar nicht? (Foto: PD)

Es wurde schon einiges diskutiert, protestiert, angekündigt und wieder zurückgerudert punkto Gasterminal in Muttenz. Die Sonntagszeitung sprach vom möglicherweise «ersten Flüssiggasterminal» der Schweiz, das SRF-Regionaljournal berichtete bereits im April 2022 darüber. Der Klimastreik kündigte Widerstand an, Stichwort: «Lützerath» von Basel.  An einer Diskussionsveranstaltung der Aktivist*innen von vergangener Woche brachte es Professor Frank Krysiak von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Basel* auf den Punkt: «Eigentlich wissen wir viel zu wenig, um über dieses Vorhaben zu diskutieren.» Dafür sind die sich laufend ändernden Informationen, die der Gasverbund Mittelland tröpfchenweise an die Medien gab, zu wenig.

Wann würde das Terminal kommen, oder eher gar nicht? Wird es ein mächtiges Terminal für die Be- und Entladung von Schiffsfrachten von «Liquified Natural Gas» (LNG), also verflüssigtem Erdgas, in Schweizerhalle sein? Für Erdgas egal von wo; eher klassisch gefördert, «gefrackt» oder Bio; aus dem Methan der gar nicht so ökologischen Fleischfarmen Nordeuropas? Angekoppelt mit einem Gaskraftwerk, damit im Notfall die Lichter in der Schweiz anbleiben? Oder geht es um ein simples LKW-Terminal, reserviert für ein paar LNG-Container? Ganz zu schweigen von den Investitionskosten, die demnach zwischen ein paar Millionen bis zu einer Milliarde Franken betragen würden und nur ein Klacks mit den damit verbundenen Betriebskosten wären?  

Trotz fehlender Informationen: Die Chaos-Panne aus Arlesheim hat durchaus etwas Gutes, sie gibt Anlass, etwas Licht in die vernebelten Strukturen des Schweizerischen Erdgas-Business zu bringen. 

Am Ende geht es auch oder vor allem um die Frage, ob die öffentliche Hand in Erdgas investieren soll. Beziehungsweise: Was dürfen Unternehmen, die sich indirekt in der öffentlichen Hand befinden? Denn: Indirekte Eigentümerin des Gasverbunds ist unter anderen der Kanton Basel-Stadt.

«Eigentlich wissen wir viel zu wenig, um über dieses Vorhaben zu diskutieren.»

Professor Frank Krysiak, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Uni Basel

Der Gasverbund Mittelland hat seinen Sitz seit 1962 in der Baselbieter Gemeinde, weil hier wichtige Pipelines liegen. 

Heute ist der GVM die Tochter 15 Nordwestschweizer Städte beziehungsweise ihrer Stadtwerke, wie beispielsweise der Industriellen Betriebe Basel. Basel ist der Hauptaktionär, gefolgt von Aarau, Bern und Solothurn, über die genaue Eigentümerschaft gibt es keine offiziellen Auskünfte.

Für ihre Eigentümer regelt der GVM als Regionalgesellschaft den Einkauf und die überregionale Gaslieferung, neben ihr gibt es drei weitere in der Schweiz.  

Es sind also die Städte, welche den GVM via IWB und Co. steuern - direkt und indirekt. Die städtischen Aktionärsvertreter, darunter IWB-Chef Klaus Schmidt und «Energie Wasser Bern»-Chefin Cornelia Mellenberger, dominieren den rund 20-köpfigen Verwaltungsrat (Stand 2021). Aber hat man von diesen bisher etwas vernommen?

«Wir beziehen hierzu keine Stellung», heisst es exemplarisch von der Pressestelle des Stadtwerks «Energie Wasser Bern». 

Die Idee, in Gas zu investieren, war offenbar schon einmal auf dem Tapet - kam aber schlecht an. So hat der GVM in den Jahren 2018/19 versucht, weitere Investoren, vorab mehr Stadtwerke, für seine Ideen zu gewinnen – die Aktion wurde mangels Interesse abgebrochen. 2020 teilte die IWB-Pressestelle dazu mit: «Wir haben andere Investitions-Schwerpunkte». Ein Stadtwerkechef, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagt zu Bajour: «Wir steigen aus dem Erdgas aus, was schon teuer genug ist – wozu sollen wir dann noch Erdgas speichern zu extrem hohen Preisen verglichen mit Anlagen in Deutschland und Frankreich?» 

Stellt sich die Frage: Gilt diese Rechnung heute nicht mehr? Rechtfertigt die Erdgaspreis-Krise, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, eine zweite Flüssiggaswelle mit Erdgas? 

Und: Ist das im Sinne von Basel als Miteigentümerin? Hier hat die Bevölkerung gerade nettonull bis 2037 beschlossen. 

«Wir beziehen hierzu keine Stellung.»

Pressestelle des Stadtwerks «Energie Wasser Bern»

Der Basler Regierungsrat Kaspar Sutter sagte im Grossen Rat, wenn auch in einem anderen Rahmen, die Behörden hätten auf die Gasbeschaffung keinen Einfluss. Doch «seine» GVM hat durch ihre Einkaufspolitik beachtlichen Einfluss, zum Beispiel verkauft sie im aktuellen Schweizer Vergleich aus nicht nachvollziehbaren Gründen das teuerste Erdgas. Zumindest innerhalb politischer Kreise ist der GVM durchaus bekannt, alt Regierungsrat Christoph Stutz hatte nach seiner politischen Karriere viele Jahre das Verwaltungsratspräsidium des GVM inne, neben anderen Erdgas-Jobs.

Dabei hat sich ein altbekanntes Ritual entwickelt, das Politiker*innen auch bei anderen auselagerten Betrieben verwenden. Sie verweisen punkto Aktivitäten ihrer Firmentochter auf die scheinbar rein marktwirtschaftlich agierende Businesseinheit. 

Nur: Das wurde spektakulär dem grössten Schweizer Stromkonzern Axpo zum Verhängnis: Mit seinen globalen Energie-Handelsaktivitäten halten ihn viele für privatwirtschaftlich, aber die Eigentümer sind tatsächlich, neben anderen, die Kantone Zürich und Aargau. Die Öffentlichkeit also, die ihr Personal strikt nach Besoldungsverordnung entlöhnen muss; mit der Ausnahme von ein paar Axpo-Tradern, die Millionengewinne kassieren, indem sie die Strompreise für die Allgemeinheit hochtreiben? Das ist für viele schwer nachvollziehbar und politisch toxisch.

Nach den Erfahrungen mit der Axpo hat die Debatte darüber, was ein Energieunternehmen in öffentlicher Hand darf und muss, an Brisanz gewonnen. Denn letzten Endes «bürgen» die Einwohner*innen für die Firmen. 

Es wäre also Zeit, dass sich die GVM-Eigentümer*innen Klarheit schaffen. Die «Erklärungen» des GVM-Verwaltungsratspräsidenten, und in der Szene nicht eben als Energieexperten bekannten André Dosé, haben mehr Verwirrung gestiftet als ohnehin schon herrscht. Wenn sich nun die verantwortlichen Eigentümer des GVM gelegentlich à la Axpo erklären würden, im Sinne der Effizienz, könnte am Schluss gar Energie gespart und in sinnvollere Tätigkeitsfelder investiert werden. Zum Beispiel in die Isolierung und Sanierung von zig-Tausenden zugigen Wohngebäuden, die trotz vieler, vieler Ankündigungen weder in Basel noch anderswo grossartig vom Fleck kommen und unglaubliche Erdgasfresser sind – dann bräuchte es gar weniger LNG-Speicherung.

*Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels wurde fälschlicherweise geschrieben, Professor Frank Krysiak sei vom «Energieunternehmen WWZ». Das stimmt nicht, er ist Professor der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Basel – kurz WWZ. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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