Französisches Gift macht Basler Klimastreik Sorgen

Der Basler Klimastreik will die Aufmerksamkeit ins Elsass lenken, wo das Grundwasserreservoir von einer Giftmülldeponie bedroht wird. Doch das Umweltamt entwarnt: Die Basler Wasserversorgung tangiert das gar nicht.

Kalimine Joseph-Else Stocamine Giftmüll Deponie
Die verlassene Mine Joseph-Else in Wittelsheim im Jahr 1990. Sieben Jahre später begann die französische Regierung, hier Giftmüll im Boden zu verscharen. (Bild: Harald Finster)

Pünktlich zum globalen Klimastreik am kommenden Freitag, 15. September, machen auch die Basler Aktivist*innen wieder von sich hören. Auf Bitte von französischen Umweltschützer*innen aus Strassburg beteiligt sich der Basler Klimastreik am Protest gegen eine Giftmülldeponie nahe Mulhouse.

Die Geschichte des Stocamine-Skandals

Die alte Kalimine Joseph-Else in Wittelsheim wurde von der Firma Stocamine 1997 trotz Protesten von Umweltschützer*innen zunächst vorübergehend als Lager von Industrieabfällen umgenutzt. 44’000 Tonnen wurden bis 2002 eingelagert, doch dann brach in einem Stollen ein Feuer aus, das erst zwei Monate später gelöscht werden konnte. Ein Jahr später wurde die Deponie stillgelegt.

Seitdem giften 50 verschiedene registrierte Schadstoffe in den Stollen vor sich hin, darunter tonnenweise Quecksilber, Arsen und Chrom. Zwar barg die Regierung auf öffentlichen Druck hin zumindest 95 Prozent der hochgiftigen Quecksilberabfälle. Doch 42’000 Tonnen Giftmüll blieben bis heute bestehen.

Die Stocamine-Giftmülldeponie beim Städtchen Wittelsheim, 40 Minuten von der Grenze entfernt, befindet sich nämlich nur 500 Meter unter einem der wichtigsten Grundwasserdepots Europas. Es erstreckt sich untertags vom gesamten Oberrheinraum von Basel bis nach Frankfurt und Mainz und versorgt somit laut Schätzungen sieben Millionen Menschen mit Wasser zum Trinken, Waschen, Heizen und für die Industrie.

Das Problem: Das Wasser sickert in die Mine und flutet damit das Giftmülldepot. Schon in rund 150 Jahren wäre der Stollen gemäss der französischen Bergbaubehörde überschwemmt und in rund 600 Jahren würden die Giftmüllstoffe in das Grundwasser eindringen und es kontaminieren.

Die französische Regierung wehrt sich trotzdem dagegen, den Müll aus der Grube zu holen, weil die Bergung teurer ist als der weitere Betrieb der eigentlich stillgelegten Deponie. Expert*innengutachten im Auftrag der Regierung empfohlen dann eine Einbetonierung der Gift-Mine. Trotz Gerichtspingpong und Gegengutachten von Umweltschützer*innen soll die Einbetonierung am 23. September starten.

Gefahr für Basler Wasserversorgung ausgeschlossen

Das rüttelte den Klimastreik auf. Die Basler Sprecherin Antonia Ossig gesteht, vor der Kontaktaufnahme der Aktivist*innen aus dem Elsass noch nichts von der anstehenden Umweltsünde gewusst zu haben: «Desto mehr schockiert es mich, dass in Basel bisher nicht darüber berichtet wurde, obwohl wir davon stark betroffen wären.»

Doch diese Annahme sei falsch, sagt Matthias Nabholz, Leiter des kantonalen Umweltamts. Der Grund: «Das Grundwasser fliesst rheinabwärts. Wenn also in Wittelsheim das Grundwasser kontaminiert wäre, fliesst es Richtung Deutschland und Holland weiter, aber nicht nach Basel.»

Für Basel relevant sind also nur Giftmülldeponien, die südlich der Region liegen, so Nabholz weiter. Davon abgesehen nutze man in Basel das Grundwasser gar nicht zur Trinkwasserproduktion – das beziehen wir aus dem Rhein. Das Grundwasser wird in Basel für die Gebäudekühlung und -heizung verwendet.

antonia ossig
«Politisch wird das Projekt im Alleingang von Frankreich beschlossen. Aber es ist keine französische, sondern eine internationale Frage.»

– Antonia Ossig, Klimastreik Basel

Der Klimastreik zeigt sich auf Anfrage überrascht davon, möchte allerdings dennoch an seiner Unterstützung für die Aktivist*innen im Elsass festhalten. «Politisch wird das Projekt im Alleingang von Frankreich beschlossen. Aber es ist keine französische, sondern eine internationale Frage», sagt Antonia Ossig.

Diese Haltung werde der Klimastreik in einem offenen Brief ausformulieren und im französischen Konsulat überreichen. Davor wollen die Aktivist*innen mit Transparenten vor dem Konsulat auf den Missstand aufmerksam machen. Auch beim globalen Klimastreik am Freitag und an der nationalen Klimademo in Bern am 30. September soll das Thema in Reden Platz finden. 

Vereinzelte Klimaschützer*innen aus Basel wollen den Protest auch vor Ort in Wittelsheim unterstützen. Dort wird am 23. September mit einem Aktionstag auf dem Rathausplatz die Versiegelung des Giftmülls bestreikt – just an dem Tag, an dem die Bagger zur Betonierung anrollen sollen.

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Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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