Wir sind keine Bürger*innen zweiter Klasse!

Bestimmt die heterosexuelle Mehrheit, wie viel Gleichstellung queere Menschen bekommen? Die habs queer basel äussert sich aus der Perspektive der Betroffenen zur Revision des Gleichstellungsgesetzes.

Queer
Die habs queer basel findet: Die Nennung von identitätspolitischen Bezeichnungen ist nicht zielführend.

Vor ein paar Wochen erschien auf Bajour ein Streitgespräch zum neuen Gleichstellungsgesetz. Nachher gab es Kritik in den sozialen Medien: Warum lässt Bajour niemand aus der queeren Community zu Wort kommen? Und auch die habs queer Basel schrieb Bajour und bat, ihre Sichte darzulegen. Dieser Gastkommentar ist das Resultat davon.

Die habs queer basel ist überzeugt, dass Wahrheit, Fakten und der gegenseitige Respekt wichtige Pfeiler unserer demokratischen Gesellschaft sind. Wenn man aber akzeptiert, dass die Wahrheit mit Lügen und alternativen Fakten ersetzt werden kann, akzeptiert man die Zerstörung jenes Systems, von dem wir aus Erfahrung wissen, dass es funktioniert.

 

Wir befürworten eine offene Formulierung des Zweckartikels.
Billy Ostertag, non-binär

Wenn also zu lesen ist, mit der Revision des Gleichstellungsgesetzes würden Frauen und Männer abgeschafft, dann zeigt das, wie eine heteronormative Mehrheit ihre Positionen gegenüber Minderheiten verteidigt, wie sie falsche Behauptungen verbreitet, um ihre Privilegien zu schützen.

Wenn zu lesen ist, man sei absolut gegen die Ausgrenzung von Minderheiten, diese aber nicht im Gleichstellungsgesetz haben will, dann zeigt das, wie im selben Satz Minderheiten ausgegrenzt werden, obwohl das Gegenteil behauptet wird.

Die habs queer basel begrüsst den Vorschlag eines neuen Gleichstellungsgesetzes mit einer mehrdimensionalen Definition von Geschlecht und der Anerkennung, dass eine nicht-heterosexuelle Orientierung zu Diskriminierung führen kann. Wir befürworten eine offene Formulierung des Zweckartikels. Die Nennung von identitätspolitischen Bezeichnungen ist nicht zielführend, denn dadurch wird die Gefahr verstärkt, bestimmte Identitäten auszugrenzen.

Vorlage zum Gleichstellungsgesetz

Basel-Stadt möchte seinen Gleichstellungsauftrag erweitern. Neu soll sich dieser nicht mehr nur auf Frauen und Männer beziehen, sondern auch auf lesbische, schwule, bisexuelle, trans und inter Menschen (LGBTI). Dafür schafft die Regierung eine halbe Stelle – und das in einem Bereich, der seit Jahren unter Beschuss steht. Bürgerliche würden die kantonalen Gleichstellungsbeauftragten am liebsten gleich streichen. Die Vorlage zum Gleichstellungsgesetz liegt aktuell bei der Justizkommission.

Der umstrittene Gesetzesartikel lautet aktuell so:

Artikel 1: Dieses Gesetz hat zum Zweck, die Verwirklichung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung in Bezug auf Geschlecht und sexuelle Orientierung in allen Lebensbereichen zu fördern und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung, namentlich von Frauen und Männern oder unter Berufung auf Transidentität, Intergeschlechtlichkeit, Homo- oder Bisexualität, zu bekämpfen.

(Quelle: Ratschlag Regierungsrat)

Mehr noch irritiert uns aber, dass im vorgeschlagenen Zweckartikel just die Diskriminierung gepflegt wird, die durch das Gesetz aus der Welt geschaffen werden soll. Wenn die ursprüngliche Formulierung «Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung» aus Angst vor einem Referendum von Altfeministinnen nun ergänzt wird mit «namentlich von Frauen und Männern oder unter Berufung auf Transidentität, Intergeschlechtlichkeit, Homo- oder Bisexualität», dann werden heterosexuelle cis Frauen und cis Männer zur Norm erklärt. Non-binäre Menschen fehlen ganz. Dafür werden «die Anderen» als von der Norm abweichend genannt. Das ist «Othering». «Othering» ist Diskriminierung. Wenn die Mehrheitsgesellschaft einer Minderheit gleiche Rechte zugesteht und sie dafür abgrenzt, macht sie diese zu Bürger*innen zweiter Klasse. Damit widerspricht der aktuelle Gesetzestext der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, worin steht: «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren […] ohne irgendeinen Unterschied.»

Deshalb muss ein «Othering», eine Ausgrenzung bestimmter Identitäten, wie dies im Ratschlag vorgesehen ist, verhindert werden. Wenn einzelne Identitäten genannt werden sollen, dann müssen konsequent alle genannt werden. Anika Thym und Matthias Luterbach vom Zentrum für Genderstudies der Universität Basel haben genau dies vorgeschlagen. Der Zweckartikel müsste dann lauten: 

Wenn die Mehrheitsgesellschaft einer Minderheit gleiche Rechte zugesteht und sie dafür abgrenzt, macht sie diese zu Bürger*innen zweiter Klasse.
Billy Ostertag, non-binär

«Dieses Gesetz hat zum Zweck, die Verwirklichung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung in Bezug auf Geschlecht und sexuelle Orientierung in allen Lebensbereichen zu fördern und Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung, namentlich von cis und trans Frauen und Männern, von intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen sowie von heterosexuellen, lesbischen, schwulen, bisexuellen und asexuellen Personen, zu bekämpfen.» (Quelle: www.johannes-sieber.ch)

Die habs queer basel ist der Ansicht, dass nur ein Gesetz ohne Nennung oder eines mit Nennung aller Identitäten verabschiedet werden darf. Und wir weisen darauf hin: Die Androhung eines Referendums ist kein Grund, ein Gleichstellungsgesetz zu verabschieden, das wegen seiner Ungleichbehandlung von Menschen keines ist.

Herz Tanz
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