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«Krank und absurd» – die Reaktionen auf die CS-Übernahme

Es war ein Erbeben, das am Sonntag durch den Finanzensektor ging. Die UBS übernimmt die Credit Suisse, der Bund spricht Garantien, die SNB gewährleitet die Liquidität. So reagieren Politiker*innen und die Medien auf den Megadeal.

03/20/23, 06:48 AM

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epa10532661 The cloud viewed through a logo of the Swiss bank Credit Suisse taken from behind, at the banks headquarters entrance at Paradeplatz in Zurich, Switzerland, 19 March 2023. Shares of Credit Suisse lost more than one-quarter of their value on 15 March 2023, hitting a record low after its biggest shareholder, the Saudi National Bank, told outlets that it would not inject more money into the ailing Swiss bank. Its shares recovered briefly on 16 March after Switzerland's central bank announced that it was to loan CS money but fears of turmoil in the global banking sector persist.  EPA/MICHAEL BUHOLZER

(Foto: EPA/MICHAEL BUHOLZER)

Die Sonntagszeitung nannte es die «Fusion des Jahrhunderts», mehrmals fiel gestern das Wort «historisch», das SRF machte Sondersendungen und eine Spezial-Arena dazu, kurz: Es war DAS Thema des Wochenendes. Am Sonntag wurde dann der Deal besiegelt: Die UBS übernimmt die Credit Suisse.

Um zu verstehen, was da genau passiert ist, hier zuerst die wichtigsten Eckpunkte:

  • 🪙 Die UBS bezahlt für die Übernahme 3 Milliarden Franken in UBS-Aktien.
  • 🪙 Die Nationalbank gewährt ausserordentliche Liquiditätshilfen von total 200 Milliarden Franken.
  • 🪙 Der Bund spricht eine Garantie im Umfang von 9 Milliarden Franken.

Diesen Plan präsentierte Bundespräsident Alain Berset und Finanzministerin Karin Keller-Sutter gestern an einer denkwürdigen Pressekonferenz zusammen mit Vertreter*innen der beiden Banken sowie den Aufsichtsbehörden.

epa10532745 (L-R) Axel Lehmann, Chairman Credit Suisse, Colm Kelleher, Chairman UBS, Swiss Finance Minister Karin Keller-Sutter, Swiss Federal President Alain Berset, Thomas J. Jordan, Chairman Swiss National Bank, Marlene Amstad, President FINMA, and Andre Simonazzi, chief communication Swiss government, attend a press conference in Bern, Switzerland, 19 March 2023. The bank UBS takes over Credit Suisse for 2 billion US dollars. Shares of Credit Suisse lost more than one-quarter of their value on 15 March 2023, hitting a record low after its biggest shareholder, the Saudi National Bank, told outlets that it would not inject more money into the ailing Swiss bank.  EPA/PETER KLAUNZER

Kein normaler Sonntagabend: Die grösste Bank der Schweiz schluckt die zweitgrösste. (Foto: EPA/PETER KLAUNZER)

Es sei aus Sicht des Bundesrates «die bestmögliche Lösung», sagte Keller-Sutter. Ein Konkurs der Credit Suisse wäre verheerend gewesen, begründet sie. Die Massnahmen erfolgen per Notrecht. Man werde dem Parlament innert sechs Monaten eine Vorlage vorlegen, wie dieses in ordentliches Recht überführt werde. Die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte habe den dafür nötigen Verpflichtungskrediten für diese Garantien am Sonntagnachmittag zugestimmt, fasst das SRF zusammen.

Wichtig sei, betont die Finanzministerin, dass der Bund kein Geld, sondern eben eine Garantie spreche. Diese komme laut Keller-Sutter nur zum Tragen, wenn allfällige Verluste der UBS eine bestimmte Schwelle überschreiten würden. Zunächst würde die UBS diese Verluste tragen, erst dann käme die Garantie des Bundes.

Hast Du auch solche Fragen wie Satiriker Renato Kaiser? Dann empfehle ich Dir die Nachlese zum Beispiel im Liveticker von SRF oder in der umfangreichen Übersicht der NZZ. Die CH-Media- sowie die Tamedia-Zeitungen (beides Abo-Artikel) beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Übernahme. Ausserdem zeichnet The Market-Wirtschaftsjournalist Mark Dittli den Absturz der CS in einem aufschlussreichen Twitter-Thread nach.

Was heisst die Übernahme für Kund*innen und Angestellte?

Für Kund*innen der CS ändere sich nichts, versucht die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma zu entwarnen. «Kundinnen und Kunden haben weiterhin Zugriff auf ihre Depots und Konten», sagte Verwaltungsratspräsidentin Marlene Amstad an der Pressekonferenz. 

Was die Übernahme für die 16'000 Angestellten der beiden Banken in der Schweiz bedeutet, konnte UBS-Präsident Colm Kelleher derweil nicht sagen. Klar ist, es wird zu Doppelspurigkeiten kommen, rund 10'000 Stellen stehen auf der Kippe. Der Schweizerische Bankpersonalverband fordert eine Taskforce zur Sicherung der Arbeitsplätze in der Schweiz, schreiben die Tamedia-Zeitungen (Abo).

Wie reagieren die Parteien?

SP-Co-Präsident Cédric Wermuth äusserte sich auf Twitter empört darüber, dass der Staat erneut bei einer Bankenkrise einspringen müsse. Auch SP-Fraktionschef Roger Nordmann sei schockiert: Die Too-big-to-fail-Regulierung habe überhaupt nicht funktioniert, die Finanzmarktaufsicht, die SNB und das Finanzdepartement hätten versagt. Die Basler SP-Nationalrätin sagt zum Regionaljournal: «Ich bin entsetzt, bestürzt. Es ist ein Fiasko.» Sie sorge sich vor allem um die Bankangestellten. Für sie müsse man nun schauen. «Es kann nicht sein, dass jetzt Bund und Kanton und damit die Menschen, die hier leben unter dem Missmanagement der CS leiden.» Ihre Partei fordert jetzt eine parlamentarische Untersuchungskommission, berichten die Tamedia-Zeitungen.

Die SVP schreibt in einer Mitteilung, die CS-Krise sei «eine Folge von Misswirtschaft und FDP-Filz». Es sei ein Fehler, dass nicht die geltenden Too-big-to-fail-Gesetze zur Anwendung gekommen seien, meint SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Die Schweizer*innen müssten nun mit Milliarden Volksvermögen für die «Fehler der CS-Führung und die Abzocker im Management» geradestehen. Und auch SVP-Grossrat Joël Thüring betont: «Es ist traurig, dass die Manager der Credit Suisse jahrelang Millionen-Boni kassierten und jetzt am unteren Ende Angestellte ihre Jobs verlieren werden.»

Die FDP begrüsst in einer Mitteilung das rasche Handeln. Was mit der CS passiert sei, sei aber eine «Schande für die Schweiz». Das Management der CS habe seit der Finanzkrise von 2008 seine Hausaufgaben nicht gemacht und stehe in der Verantwortung. FDP-Grossrat Luca Urgese sagt: «Es ist die Konsequenz von zu vielen Fehlern im Management der Credit Suisse und zu vielen Skandalen, die das Vertrauen in diese Bank nachhaltig beschädigt haben.» Für den Finanzplatz Schweiz gelte es nun, das Vertrauen wiederherzustellen, meint die Partei.

Bei der Mitte haute der St. Galler Nationalrat Nicolò Paganini auf den Tisch und twitterte: «Jahrelang überzogene Boni kassieren, Risiken nicht im Griff haben, über zu strenge Regulierungen der Banken lamentieren... ...und nun muss an den ‹too big to fail›-Regeln vorbei der Bund wieder retten.» 

Die Grünen verlangen, dass die Unterstützungen des Bundes und der Nationalbank im Rahmen des CS-UBS-Deals an Vorgaben für das Klima gebunden werden. Zudem habe es das Parlament verpasst, ein «Trennbanken-System» einzuführen, bei dem die Bereiche der Geschäftsbanken und der Investmentbanken organisatorisch getrennt wären.

Am positivsten klingt es bei der GLP. Die Partei schreibt: Aus aktueller Perspektive sei die Schaffung dieses «Bankenkolosses» die am wenigsten schlechte Lösung und dringend notwendig, um den Finanz- und Werkplatz Schweiz zu stabilisieren. Sie kritisieren aber, dass die Risiken nicht früher erkannt wurden.

Wer ist verantwortlich?

Während die Parteien teilweise harsche Kritik übten, hörte man an der Pressekonferenz seitens Bundesrat und Finanzmarktaufsicht kein Wort der Kritik an der CS-Leitung. Der Bundesrat habe sich nicht mit der Vergangenheit und der Verantwortlichkeit der Manager auseinandergesetzt, sagte Bundesrat Berset. 

CS-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann sagte auf die Frage, wer denn verantwortlich für das Desaster sei: «Wir kamen einfach nicht mehr aus den Schlagzeilen.» Es sei letztlich eine Kumulation von Dingen gewesen, die über viele Jahre passiert seien, die das Fass zum Überlaufen gebracht hätten. Eine persönliche Verantwortung sieht Lehmann nicht, schreibt Kollege Beat Schmid vom Wirtschaftsmedium tippinpoint.

Bundesrat Alain Berset, links, und Roche-CEO Severin Schwan, rechts, in Basel, am Dienstag, 28. September 2021. Im Rahmen des 125-jaehrigen Jubilaeums von Roche findet die Celebrate Life Ceremony fuer geladene Gaeste statt. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Severin Schwan mit Bundesrat Alain Berset an der 125-Jahr-Feier der Roche im September 2021.

Aus Basler Sicht interessant zu erwähnen ist die Rolle des Roche-Verwaltungsratspräsidenten Severin Schwan. Dieser sass – damals war er noch Roche-Konzernleiter – von 2014 bis 2022 im Verwaltungsrat der CS. Zum Ende seiner Amtszeit musste er sich vermehrt für sein CS-Mandat rechtfertigen, da es der Verwaltungsrat nicht schaffte, die Turbulenzen bei der CS in den Griff zu bekommen. Schwans persönliche Integrität sowie sein Einsatz für die Grossbank wurden aber laut NZZ (Abo) kaum je in Zweifel gezogen. Im April 2022 liess Schwan sich dann nicht mehr zur Wiederwahl aufstellen und schied aus dem Verwaltungsrat aus.

So kommentieren die Medien

✍️✍️✍️ Bajour

Das Tempo, mit der sich diese Krise zum Schluss zuspitzte, ist in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte einmalig, kommentiert Bajour-Wirtschaftsexperte Stefan Schuppli. Das Finanzgeschäft hat sehr viel mit Vertrauen zu tun. Auch das Geld ist im Prinzip eine Vertrauenssache. [...] Wahrscheinlich war am Sonntag der letzte Moment, um ein Restvertrauen in die CS noch zu retten – um noch Schlimmeres zu verhindern. Denn wenn die Lawine zu Tale donnert, ist es zu spät. 

Ganz offensichtlich haben solide Lawinenverbauungen und Frühwarnsysteme versagt, die uns nach der letzten Grossbankenkrise von Bundesrat, Finanzmarktaufsicht und Nationalbank versprochen wurden. Jetzt haben wir einen Bankenkoloss.

Wer wird diesen kontrollieren? Wer wird brauchbare Schranken setzen?

Jetzt leidet auch noch das Vertrauen in die Regulatoren. Man muss sich schon fragen, ob in diesem Land der Banken keine Bankfachmenschen zu finden sind, die über Finanzstabilität und Sicherheitsnetze Bescheid wissen. Und Politiker*innen, die für eine adäquate Umsetzung sorgen. 

✍️✍️✍️ SRF

Die «Turbo-Heirat» stehe unter «schwierigen Vorzeichen», schreibt das SRF. «Sie ist eine Zwangsheirat. Weder die UBS noch die CS wollten sie. Auch für die Schweiz und den hiesigen Finanzplatz steht trotz Rettung noch viel auf dem Spiel.» Der Staat gehe weit: «Er hebelt mit einer Notverordnung geltendes Recht aus – was staatsrechtliche Fragen aufwirft und das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Schweiz schmälern kann.» Ausserdem stehe er einmal mehr für Milliarden von Franken ein. «Am Schluss haftet hier die Allgemeinheit.»

✍️✍️✍️ Tamedia

Die Tamedia-Zeitungen (Abo) sehen die UBS als einzige Gewinnerin bei diesem Deal. «Die grösste Schweizer Bank reisst sich für einen Kaufpreis von 3 Milliarden Franken – das ist nicht einmal die Hälfte des ohnehin tiefen Börsenwerts der Credit Suisse – die zweitgrösste Schweizer Bank unter den Nagel», schreiben sie. Es sei ein «historischer Skandal». Steuerzahler*innen, Kund*innen und Mitarbeitende hätten das Nachsehen. «Sie sind nun einer einzigen Grossbank ausgeliefert. Fragwürdig ist das, weil Bundesrat, Nationalbank und Finanzmarktaufsicht der UBS keinerlei Bedingungen auferlegt haben.» es müsse nun eine Aufarbeitung geben.

✍️✍️✍️ Blick

Die Schweiz habe geschlafen und viel zu lange zugeschaut, «wie die einst stolze Escher-Bank sehenden Auges in den Untergang schlitterte», analysiert der Blick. Der Finanzplatz Schweiz sei über Nacht zu einem «Finanzplätzli» geworden – mit noch einer einzigen Grossbank, «die wie ein Koloss über allem thront». Der Vertrauensverlust in die CS schwappe auch auf das Vertrauen in das «Swiss Banking» über. Jetzt müsse der Finanzplatz erst mal all seinen ausländischen Kunden erklären, warum sie ihr Geld wieder oder weiter bei einer Schweizer Bank anlegen sollen.

✍️✍️✍️ CH Media️

«Zu dieser Katastrophe hätte es nie kommen dürfen», schreiben die CH-Media-Zeitungen (Abo). Was in Bern kommuniziert wurde, sei nicht nur schlecht, sondern «katastrophal». Die Schweiz habe sich in einer solchen Zwangslage befunden, dass «Bundesrat, Nationalbank und Aufsichtsbehörden nicht die beste, sondern die am wenigsten schlechte Lösung treffen» mussten. Es sei ein «Sündenfall», der nach der UBS-Krise 2008 nie mehr hätte geschehen sollen. Es brauche jetzt eine Aufarbeitung. «Werden jetzt keine Konsequenzen gezogen, ist der liberale Wirtschaftsstandort Schweiz in akuter Gefahr.»

✍️✍️✍️ NZZ

«Too big to fail» sei mit voller Wucht zurück, kommentiert die NZZ (Abo), denn die Schweiz habe sich zwar einer Zombie-Bank entledigt, wache am Montag aber mit einer «Monster-Bank» auf. «‹Monster› deshalb, weil ihre neue Bilanzsumme fast doppelt so gross sein wird wie die Schweizer Wirtschaftsleistung.» Die neue UBS sei somit erst recht zu gross, um sie untergehen zu lassen.


✍️✍️✍️ International

Auch international macht die CS-Übernahme Schlagzeilen. Der Spiegel (Abo) schreibt vom «Ende einer Ikone». Es sei ein «entwürdigende Schlusspunkt einer Talfahrt – und womöglich der Auftakt einer noch grösseren Krise». Die FAZ ortet das Problem bei der Finma und schickt die Banken-Aufseher*innen zum Nachsitzen. 

Die Financial Times (Abo) schreibt, die Fusion mit der UBS sei die naheliegende Lösung gewesen. Die Schweizer Behörden hätten «keine wirkliche Wahl» gehabt. Die Kund*innen hätten «in Scharen» das Geld von der Bank abgehoben. «Vielleicht werden die Schweizer Behörden kritisiert, weil sie angeblich zu wenig getan haben, um den Bieterkrieg für nicht-schweizerische Gebote zu öffnen. Aber können wir ihnen wirklich die Schuld geben?», fragt die Zeitung. 

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Was denkst Du darüber, dass 15 Jahre nach der Rettung der UBS erneut eine Grossbank vom Staat gerettet wird? Und dies, obwohl nach der Finanzkrise ein ausgeklügeltes System zur Sanierung und Abwicklung von Grossbanken entwickelt wurde, um genau diesen Fall zu verhindern.

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