Replik zur Darstellung der Gleichstellungspolitik von Basler Parteien

Die Grüne Grossrätin Fleur Weibel schreibt in ihrer Replik, dass queere Anliegen immer schon von linken Parteien wie den Grünen, BastA und der SP vertreten wurden und es schlicht nicht der Realität entspricht, dass liberale Politik hier in irgendeiner Art fortschrittlicher wäre als linke Politik.

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Die Grüne Grossrätin Fleur Weibel macht sich für Gleichstellung stark.

Die Grüne Grossrätin Fleur Weibel hat Kritik geäussert, die Gleichstellungspolitik der Basler Parteien sei im Porträt von Billy Ostertag, das am Mittwoch auf Bajour.ch erschienen ist, einseitig und undifferenziert dargestellt. Und sie hat einen Punkt. Im Anschluss Ihre Replik.

Bajour Co-Chefredaktorin Valerie Zaslawski hat ein Portrait über Billy Ostertag geschrieben, einer nicht-binären Person, die neu Parteimitglied der bürgerlichen LDP ist. Soweit so gut, wäre mit dem Portrait nicht zugleich eine unzutreffende Darstellung der Gleichstellungspolitik von Basler Parteien durch Bajour vorgenommen worden, die ich nicht unkommentiert lassen kann. Obwohl in den Ferien, tippe ich nun im Zug von London an die südenglische Küste diese Replik in mein Handy, weil es mir als Grüne Gleichstellungspolitikerin ein wichtiges Anliegen ist, diese Darstellung richtigzustellen. Vorweg diese Bemerkung: Ich finde es super, hat die LDP mit Billy Ostertag nun ein prominentes nicht-binäres Parteimitglied. Das wird der Partei gut tun, die bislang im Grossen Rat kaum mit progressiven Positionen aufgefallen ist, wenn es um Gleichstellungsanliegen ging. Schon gar nicht, wenn es sich um Vorstösse handelte, die mit öffentlichen Geldern verbunden waren. Aufgefallen sind mir bislang vielmehr einzelne LDP-Grossräte, die sich mit pointierten Voten etwa gegen ein kantonales Verbot von Konversionstherapien gewehrt haben.

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Lieb’ Billy, willkommen in der LDP!

Seit Juni ist Billy Mitglied in der bürgerlichen LDP. Hier möchte die non-binäre Person sich für die Anliegen der queeren Community stark machen. Aber nicht nur.

Hier nachlesen

Konservative Positionen gegenüber LGBTIQ Anliegen gibt es also sicher nicht nur in linken Parteien, wie das Billy Ostertag aufgrund linker Frauenrechtlerinnen, die gegen das neue kantonale Gleichstellungsgesetz kämpfen, beobachtet, sondern genauso bei den Liberalen, die dann zudem auch gleich noch die Erweiterung des kantonalen Budgets für die Gleichstellung von LGBTIQ Personen abgelehnt haben. Damit zum Hauptproblem der Darstellung der Basler Parteien und ihrer Gleichstellungspolitik im Bajour Artikel: Zum Abschluss des Portraits über Billy Ostertag stützt die Autorin Valerie Zaslawski ihre Darstellung, dass liberale Parteien wie eben die LDP oder die GLP gerade in queeren Anliegen progressiver seien, mit einer beliebigen und unzulässig einseitigen Auswahl an Vorstössen, bei der auch nicht zwischen kantonaler und nationaler Ebene unterschieden wird. Valerie Zaslawski schreibt: «Tatsächlich kommen Vorstösse wie die Ehe für alle oft aus der sozialliberalen Ecke. Die Eizellenspende ist ein weiteres Beispiel. Und auch in Sachen Konversionstherapie waren es LDP-Grossrätin Annina von Falkenstein und GLP-Grossrat Johannes Sieber, die sich dafür stark machten, dass sich die Basler Regierung auch auf Bundesebene für ein Therapieverbot einsetzen soll.» Im Folgenden mache ich mir gerne die Mühe, hier einige weitere Vorstösse zu benennen, um das durch Bajour gezeichnete einseitige Bild vollständiger zu machen und damit aufzuzeigen, dass queere Anliegen immer schon von linken Parteien wie den Grünen, BastA und der SP vertreten wurden und es schlicht nicht der Realität entspricht, dass liberale Politik hier in irgendeiner Art fortschrittlicher wäre als linke Politik.

Ich finde es super, hat die LDP mit Billy Ostertag nun ein prominentes nicht-binäres Parteimitglied

Fleur Weibel, Grossrätin Grün-Alternatives Bündnis (GAB)

Zunächst ist zum Verbot der Konversionstherapien zu ergänzen, dass der erwähnten Standesinitiative von Johannes Sieber (GLP) und Annina von Falkenstein (LDP) zwei kantonale Vorstösse vorausgingen, die von Michela Seggiani, Fraktionspräsidentin der SP und langjährige Vertreterin von queeren Anliegen, (mit)eingereicht wurden: 




Dass also dieses Anliegen alleine den Liberalen zugeschrieben wird, ist unvollständig, auch wenn es zu begrüssen ist, dass die LDP sich dann für ein Verbot auf nationaler Ebene ausgesprochen hat, nachdem ein kantonales Verbot bei ihren Mitgliedern im Grossen Rat noch grossmehrheitlich auf Ablehnung stiess. GLP, SP und GAB stimmten jeweils geschlossen für die Verbote, während es bei der LDP wie oben erwähnt auch beim nationalen Verbot Gegner gab. Dann erwähnt Valerie Zaslawski die Ehe für alle, für deren Anstossen der Nationalrätin Kathrin Bertschy (GLP) tatsächlich grosser Dank gebührt. Es soll dabei aber erstens nicht unerwähnt bleiben, dass bereits 1998 von der Grünen Nationalrätin Ruth Genner eine parlamentarische Initiative mit dem Titel «Das schwei­ze­ri­sche Zi­vil­ge­setz­buch (ZGB), das Bür­ger­rechts­ge­setz (BüG) sowie die Zi­vil­stands­ver­ord­nung (ZStV) seien so zu ändern, dass eine Ehe zwischen gleich­ge­schlecht­li­chen Paaren geregelt ist» eingereicht hat. Die Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Paaren ist ein genuines Anliegen der Grünen und so haben sich die Grünen Parlamentarier*innen zusammen mit SP und GLP in den national- und ständerätlichen Debatten auch dezidiert dafür eingesetzt, dass mit der Ehe für alle auch die Fortpflanzungsmedizin für lesbische Paare geöffnet und die Ehefrau der Mutter als originärer Elternteil anerkannt wird. Dabei war es Tamara Funicello (SP), die bereits in diesen Debatten kritisiert hat, dass die jetztige Regelung zu wenig weit geht.

Die Gleichstellung von hetero- und homosexuellen Paaren ist ein genuines Anliegen der Grünen.

Fleur Weibel, Grossrätin Grün-Alternatives Bündnis (GAB)

Weiter erwähnt wird ein Vorstoss von Nationalrätin Katja Christ (GLP) zur Einzellenspende. Zugleich nicht erwähnt wird Nationalrätin Sibel Arslans (BastA/Grüne) Vorstoss zur Einführung eines dritten Geschlechtseintrags, obwohl dieses Anliegen für die Anerkennung von nicht-binären Personen fundamental wäre und in dem Portrait über Billy Ostertag folglich nicht fehlen dürfte. Schliesslich wird im Portrait auch das neue kantonale Gleichstellungsgesetz und die Auseinandersetzungen darum angesprochen. Dabei nicht erwähnt wird der Vorstoss der Grünen Nora Bertschi, der dem jetzt im Grossen Rat hängigen Gesetzesentwurf zugrunde liegt, und der von ihr zusammen im Wesentlichen mit Raphael Fuhrer und Tonja Zürcher ausgearbeitet wurde. Die Grünen kommen also, trotz dieser massgeblichen Rolle, die sie beim neuen kantonalen Gleichstellungsgesetz spielen, gar nicht vor, die SP wird völlig einseitig lediglich mit Blick auf einige Exponentinnen, die dieses Gesetz bekämpfen, dargestellt. Das ist, wie die vielen aufgeführten Beispiele zeigen, eine unzutreffende und auch unzulässige Darstellung. Abschliessend ist noch zu sagen, dass es auch bei den Grünen, der SP und bei BastA nicht-binäre Parteimitglieder gibt. Aber das scheint offenbar weniger aufsehenerregend und berichtenswert, als das nicht-binäre Mitglied der LDP. Und das sagt doch auch schon einiges bezüglich der Positionierung der Parteien in Sachen Gleichstellung aus.

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