«So ist das leider immer, wenn ich in den Medien vorkomme»
SP-Grossrat Mahir Kabakci sieht sich, nachdem ein Zeitungsporträt von ihm erschien, mit zahlreichen rassistischen Kommentaren konfrontiert – und einem Hakenkreuz am Briefkasten. Er macht den Hass öffentlich, um zu sensibilisieren.
Auf den Punkt:
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Als Mahir Kabakci für ein Porträt in der bz zusagte, war ihm bewusst, dass er sich wieder auf rassistische Kommentare einstellen muss. «So ist das leider immer, wenn ich in den Medien vorkomme», erzählt der SP-Grossrat.
Eigentlich ging es im Artikel darum, dass sich Kabakci für die migrantische Community einsetzt, aber diese auch in die Pflicht nimmt. Doch in der Kommentarspalte ging es dann nicht um Kabakcis Politik, sondern um seinen Migrationshintergrund.
60 Kommentare habe es im Online-Artikel gegeben, sagt der 30-Jährige. Sie mussten gelöscht oder verborgen werden. «Mit einem so krassen Ausmass hätte ich nicht gerechnet», so Kabakci. Und dann habe er ein Hakenkreuz gesehen, das an seinen Briefkasten geschmiert wurde. Er erwägt mit seiner Anwältin, wie er dagegen vorgehen will.
Früher habe er versucht, «so etwas zu verdrängen, nicht hinzuschauen und weiterzumachen». Aber dieses Mal merkte er, dass ihm der rassistische Hass, der ihm entgegenschlug, nahe geht. Also hat Kabakci seine Erfahrung auf Instagram geteilt.
«Von Alltagsrassismus bin nicht nur ich betroffen, sondern viele Menschen – People of Color oder Menschen mit Kopftuch. Aber nicht alle haben das Privileg, wie ich hier geboren und aufgewachsen zu sein oder die Sprache zu sprechen – und können sich auch nicht dagegen wehren», erklärt er.
Weil er also als Politiker eine gewisse Sichtbarkeit und Reichweite hat, wollte er diese in diesem Fall nutzen, um Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. «Manche sagen, dass es in der Schweiz keinen Rassismus gibt», sagt er. «Ich will dafür sensibilisieren, was für viele Menschen hier leider Alltag ist.»
Hasskommentare sind vielen Politiker*innen nicht fremd – auch einige Basler Politiker*innen haben offengelegt, mit welchen Hasskommentaren sie sich auseinandersetzen müssen. JGB-Grossrätin Anouk Feurer kritisierte ausserdem, dass man für Anzeigen wegen Ehrverletzung bei der Polizei in Basel 800 Franken zahlen muss.
Auf Bundesebene werden derzeit Anstrengungen unternommen, um sich gegen Hasskommentare zu wehren. Der Ständerat votierte für eine Motion, die zumindest anonyme Kommentare verbieten will – indem die Vergabe öffentlicher Gelder an Medien an diese Klarnamenpflicht gebunden sein soll. Der Nationalrat wird noch darüber entscheiden.
Derzeit ist anonymes Kommentieren bei den grossen Medienhäusern lediglich bei 20 Minuten möglich, schreibt Tamedia. Eine systematische Überprüfung der persönlichen Personendaten findet jedoch bei den Online-Kommentaren von Blick, CH Media und Tamedia auch nicht statt. Gegenüber Tamedia sagt Martin Steiger von der Digitalen Gesellschaft Schweiz, dass ein solches Vorgehen «unverhältnismässig» wäre. Sophie Achermann von der Public Discourse Foundation, die den öffentlichen Diskurs im Internet untersucht, hält derweil das konsequente Moderieren von Kommentaren für effektiver, um vor Hass zu schützen.
Auch Mahir Kabakci findet, dass es eine gewisse Nachverfolgbarkeit von Hasskommentaren im Internet braucht: «Einige denken, dass das Internet ein rechtsfreier Raum ist. Aber auch dort muss ein solches Misshandeln Konsequenzen haben.»
Doch ihm ist wichtig, dass es damit nicht aufhört. «Es braucht strukturelle Massnahmen, damit alle, die von Rassismus, Hass und Hetze betroffen sind, geschützt werden können.» Zwar gebe es bereits bestehende Sensibilisierungskampagnen auf kantonaler Ebene, beispielsweise mit dem Fokus auf Antirassismus.
Doch es müsse sich mehr tun, damit die Gesellschaft stärker sensibilisiert wird für den Rassismus, dem viele Menschen ausgesetzt sind – und auch die Zusammenhänge verstanden werden, dass mit dem Rechtsrutsch auch die Hemmschwelle für rassistische Äusserungen gesunken ist. «Ich merke, dass es wieder salonfähiger geworden ist.»
Kabakci will jetzt gemeinsam mit seiner Partei schauen, wie man im Basler Parlament mehr für den Diskriminierungsschutz tun kann.