Die Juso findet, dass Lernende viel zu wenig verdienen, etwa in der Kosmetikbranche oder in medizinischen Berufen. Die Jungpartei fordert deshalb schweizweit einen Mindestlohn für Lernende. Er soll im 1. Lehrjahr branchenübergreifend 1000 Franken betragen, berichtet 20 Minuten. Gewerkschaften und SP sympathisieren mit der Idee. Die bürgerlichen Parteien sind jedoch klar gegen eine Einmischung des Staates in die Wirtschaft.

2023-08-03 Frage des Tages-2

Braucht es einen Mindestlohn für Lernende?

Die Juso findet, dass Lernende viel zu wenig verdienen, etwa in der Kosmetikbranche oder in medizinischen Berufen. Die Jungpartei fordert deshalb schweizweit einen Mindestlohn für Lernende. Er soll im 1. Lehrjahr branchenübergreifend 1000 Franken betragen, berichtet 20 Minuten. Gewerkschaften und SP sympathisieren mit der Idee. Die bürgerlichen Parteien sind jedoch klar gegen eine Einmischung des Staates in die Wirtschaft.

907 Stimmen
Michelle Isler
Michelle Isler
Moderation
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Beat Nydegger
Geschäftsführer Alterszentrum zum Wasserturm

Noch sehr viele Fragezeichen

Die Ausbildung ist heute schon ein Kostenpunkt für Pflegeheime. Eine Fachangestellte Gesundheit verdient im 1. Lehrjahr laut Empfehlung des Branchenverbands Curaviva 750 Franken. Wer würde die Differenz von einem heutigen Lohn zu 1000 Franken bezahlen? Wenn das nicht jemand übernimmt, zum Beispiel der Kanton, dann glaube ich, dass gerade für kleinere Heime der Ausbildungsbetrieb nicht mehr rentieren würde. Es ist nicht so, wie viele immer denken, dass Lehrlinge billige Arbeitskräfte sind. Ich leite seit 20 Jahren Heime und wenn man es korrekt macht und Lehrlinge entsprechend begleitet und betreut, verdient man (rein betriebswirtschaftlich) nichts an ihnen. Und dann ist doch auch noch die Frage, was dann alles in diesen 1000 Franken inbegriffen ist. Kosten für Schulmaterial, den Arbeitsweg oder andere Notwendigkeiten – wie etwa einen Laptop? Im 1. Lehrjahr, das eher weniger produktiv ist, entscheidet sich oft auch, ob jemand die Ausbildung überhaupt weiterführen will. Viele brechen ab, und dies nicht wegen dem Lohn. Nicht zuletzt können nicht alle Jugendlichen gleich gut mit so viel Geld umgehen. Auch dafür müsste gesorgt sein. Ich finde gerade in der heutigen Zeit es auch wichtig, dass nicht alles versucht wird über Geld zu regeln. Anreize sollten vermehr auch über Begriffe wie Sinnhaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Freude an der Tätigkeit geführt werden. Für mich gibt es da also noch sehr viele Fragezeichen bei diesem Thema.

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Oliver Bolliger
Grossrat BastA! / Sozialarbeiter

Aufwerten anstatt jammern! Mindest-Lehrlingslöhne sind sinnvoll!

Die Berufsausbildung ist eine Investition auf verschiedenen Ebenen. Einerseits begegnen wir als Gesellschaft dem Fachkräftemangel, die Lehrbetriebe investieren direkt in den Nachwuchs und die Jugend profitiert von einer attraktiven Ausbildungssituation, welche die Berufsausbildung gegenüber schlechtbezahlten Arbeitsplätze als Perspektive aufwertet. Dies ist dringend notwendig, damit die Berufslehre wieder an Attraktivität gewinnt. Es ist aber nicht nur die Lohnfrage, die wichtig ist, sondern es geht auch um Anzahl Ferienwochen, Wochenarbeitszeit und anderen Anleitungsmodellen. Es hätte eigentlich viel Potenzial - aber die Arbeitgeber müssten halt die Ausbildungsjahre als Investition in ihre eigene Zukunft sehen und nicht als Möglickeit billige Arbeitskräfte einzusetzen. Die Finanzierungsfrage kann in der reichen Schweiz definitiv gelöst werden.

Markus
03. August 2023 um 07:46

Die üblichen Ausflüchte

Es ist die gleiche Argumentation wie immer wenn es um die Verbesserung der Situation von abhängig Beschäftigten geht: Sobald konkrete Massnahmen im Raum stehen wird abgelenkt, abgewiegelt, auf Eigenverantwortung und Markt verwiesen und so weiter. (Genau die Ämter übrigens, deren Handlungsfähigkeit von den Bürgerlichen gern durch Geldentzug reduziert wird, damit man Steuern sparen kann.)

Wenn Eigenverantwortung, Markt und Ämter das Problem hätten lösen können, würden wir diese Diskussion nicht führen. Offensichtlich haben diese Mittel versagt.

Es gibt genau zwei Möglichkeiten Unternehmen dazu zu bewegen etwas zu tun: wenn sie damit Geld verdienen können oder wenn es ein Gesetz gibt. Ohne Druck wird sich nichts verbessern. Und natürlich wird ein Mindestlohn nicht alle Probleme der Lernenden lösen, das soll er auch nicht.

Der Vorschlag soll nicht die Welt retten, sondern die finanzielle Situation der Lernenden verbessern, nicht mehr und nicht weniger. Und dafür ist der geeignet.

Ueli Keller
03. August 2023 um 07:26

Ist wirklich der Lehrlingslohn das Problem?

Könnte es vielleicht sein, dass die Lohnunterschiede im späteren Berufsleben, und gar nicht eigentlich und vor allem die Lehrlingslöhne der Grund sind, weshalb viele keine Ausbildung machen?

Thomas Schori
Geschäftsführer Marcel Fischer AG

Individuell über GAV regeln

Wir haben einen funktionierenden GAV und ich finde solche Regulierungen, wie sie die Juso vorschlägt, schwierig. Gerade in unserer Branche hat man die Lehrlingslöhne jetzt erhöht, bei uns verdient man im 1. Lehrjahr rund 600 Franken plus 200 Franken Spesen. Es mag sicher sein, dass das in anderen Branchen Sinn macht, aber grundsätzlich bin ich kein Freund staatlicher Regulierungen. Jede Branche sollte das individuell über den GAV festlegen.

Ueli Mäder
Ueli Mäder
Soziologe

Aufwertung der Arbeit

Ja, ein Mindestlohn ist wichtig, auch für Lernende. Er wertet die Arbeit auf und trägt somit dazu bei, dass sie sich für alle mehr lohnt.

Simon
03. August 2023 um 07:09

Mindestlohn und Attraktivität

Beim Thema Mindestlohn sind die Argumente immer wieder gleich.

Fakt ist, dass in der Region NW Schweiz die Attraktivität der Lehre ständig abnimmt und die Äquivalenz Lehre = Karriere nicht unbedingt verwirklicht wird... Attraktive Stellen verlangen oft viel mehr als nur eine Lehre.

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Sarah Wyss
Nationalrätin

Unterstützenswert

Derzeit gibt es nur Branchenempfehlungen und keinen einheitlichen Mindestlohn. Ich finde einen Mindestlohn auch für Lernende unterstützenswert. Jegliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Lernenden ist zu begrüssen. Diese könnte neben dem Lohn auch über mindestens sechs Wochen Ferien gehen, wie ich das ja in einem Vorstoss forderte, aber vom Parlament vor wenigen Wochen abgelehnt wurde. Das könnte dazu beitragen, die Berufslehren attraktiver zu machen.

Der aktuelle Lehrlingsmangel in einigen Branchen zeigt klar, dass es Handlungsbedarf gibt.

Patricia von Falkenstein
Patricia von Falkenstein
Nationalrätin LDP BS

Nicht zielführend

Ich bin gegen diese Forderung, Klar ist, dass die Lernende nicht ausgenützt werden sollen, aber einfach 1’000.- für alle zu fordern, ist nicht zielführend. Diese Giesskanne ist nicht sinnvoll und wenn sich dann die Gewerbetreibenden keine Lehrlinge mehr leisten können, ist die Forderung sogar kontraproduktiv. Dass der Staat sich daran beteiligen soll, ist klar abzulehnen.

ist ja klar kommt sowas wieder von linker seite. wie waers mal mit was selber leisten statt immer nur fordern? haben die eine ahnung was ein lehrplatz mich und meine firma kostet pro jahr? finanziell wie auch die betreuung des jungen menschen? wir unternehmer bilden die jungen aus damit sie eine chance auf dem arbeitsmarkt haben, ihren wie auch unser aller wohlstand sichern und sich im verlauf ihres berufslebens hoffentlich weiterentwickeln können. aber hier mit mindestlohnforderungen wieder unnötig ressourcen zu verschwenden, die andernorts garantiert gescheiter investiert sind, sorry begreif ich echt nicht…

Ich finde Nein. Ich bekam dazumals 900.- im 4.Lehrjahr, begann mit 300.-/450.-/700.-. Ich wohnte zu Hause, musste 1/3 abgeben und hatte eine gute Jugend. Ich lernte mit wenig Geld auszukommen.Nun bin ich 23jahre ausgelernt, würde ich nur des Geldes wegen arbeiten, müsste ich schon lange den Beruf wechseln.

Ich bin mit Leib und Seele Coiffeuse und ich arbeite weils mir Freude macht und ich den Menschen täglich etwas gutes tun kann. Geld habe ich nicht viel, aber was zählt ist die Liebe am Beruf

Grosser Rat
Annina von Falkenstein
HR Fachfrau und LDP Grossrätin

Lehrbetriebe und Berufsbildungsämter in der Pflicht

Ein Mindestlohn für Lernende ist keine sinnvolle Lösung: zu unterschiedlich sind die Branchen. Die aktuelle branchenübergreifende Lohnspanne ist dennoch sehr weit. Der Ausbildungslohn soll nicht der Haupttreiber für die Berufswahl sein, was angesichts der grossen Unterschiede dafür spricht, dass die Organisationen der Arbeitswelt einiger Branchen die aktuellen Löhne überprüfen sollten. Der Lohn alleine verbessert das von der Juso kritisierte betriebliche Lernumfeld aber gar nicht: hier sind die Lehrbetriebe und die Berufsbildungsämter in der Pflicht, genau hinzusehen und wo angebracht zu intervenieren. Es gilt das Schweizer Erfolgsmodell Berufsbildung auf Kurs zu halten, das laute Forderungsbouquet der Juso ist dafür aber nur sehr limitiert geeignet.

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Elisabeth Schneider-Schneiter
Nationalrätin

Das gefährdet das duale Bildungssystem

Die Forderung ist reiner Wahlkampf auf dem Buckel der Lernenden und der Schweizer KMU. Die Juso vernichtet damit Lehrstellen und gefährdet das bewährte duale Bildungssystem.

Ich habe gesehen, wie Praktikanten und Auszubildende genauso intensiv gearbeitet haben und belastet wurden mit 100% Stellen, wie voll ausgebildete Leute im Pflegebereich. Erstere bekommen für die gleiche Arbeit 700 Fr, letztere 4000 und mehr. Natürlich sollten Lernende weit besser bezahlt werden. Schliesslich wollen sie ihr Leben aufbauen und vielleicht bald eine Familie gründen.

Saskia Schenker
Saskia Schenker
Direktorin Arbeitgeberverband Region Basel

Starker Eingriff in den funktionierenden liberalen Arbeitsmarkt

Nein, es braucht keinen politisch festgelegten Mindestlohn für Lernende. Die Lehre ist eine Ausbildung, für die eine gewisse Entschädigung bezahlt wird. Aber das Lernen und das «Ausgebildet werden» steht im Vordergrund. Die Entschädigung legen die einzelnen Branchen branchenspezifisch fest. Von der Politik festgelegte Mindestlöhne sind ein starker Eingriff in den funktionierenden liberalen Arbeitsmarkt – in diesem Falle schaden sie direkt der in der Schweiz so bedeutenden Berufsbildung.

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Patrick Vögelin
Behindertenrechtaktivist

Guter Ansatz

Ich kann den Ansatz nachvollziehen, aber ich frage mich ob nur 1000.- CHF reichen, wenn wir die Inflation einberechnen.

Fabio Bonina

Warum sollte dass Gut sein? Der Anreiz eine Ausbildung/Lehre zu absolvieren wird damit auf 0 fallen. Zudem Wohnen die meisten Lehrlinge noch im Elternhaus und brauchen sicher keinen Mindestlohn während der Ausbildung. Und Lehrlinge die nicht mehr im Elternhaus Wohnen, wegen verschiedenen Umständen, werden Finanziell vom Staat unterstützt. Wer meint einen Mindestlohn haben zu müssen kann ohne Ausbildung ein fliessband Job nachgehen, darf sich aber dann hinterher nicht Wundern.

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