Bayer: «Eine Reduktion der Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten wäre kontraproduktiv»

Recherchen von Radio SRF zeigen, dass die Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider das Kontingent für Menschen aus Drittstaaten reduzieren will. In der Basler Pharma hat man keine Freude.

Basel ist der Bayer-Hauptsitz der globalen Division Consumer Health
Unternehmen Bayer: «Um als Branche global wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es einen offenen und flexiblen Arbeitsmarkt»

Die in Bern interessieren sich nicht gross für uns. Und das, obwohl wir dem Land so viel bringen – Geld, beispielsweise.

Das Basler Lamento ist alt, aber aktuell passt es wieder. Der Bundesrat will offenbar die Einwanderung einschränken. Und das ausgerechnet da, wo es der Region am meisten weh tut: bei den Fachkräften aus Drittstaaten. Das sind hoch qualifizierte Ausländer*innen aus Nicht-Eu oder Schengen-Staaten, gegen die sogar Antimigrations-Hardliner kaum etwas haben.

Die Zuwanderung aus Drittstaaten wird über Kontingente reguliert. 2023 hat der Bundesrat insgesamt 12'000 Bewilligungen ausgesprochen. Nun will SP-Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider für Drittstaaten und Grossbritannien offenbar nur noch 9600 Kontingente aussprechen, wie SRF-Recherchen ergeben haben.

Basler Pharamaunternehmen haben, wie zu erwarten war, keine Freude. Bayer schreibt auf Anfrage: «Um als Branche global wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es einen offenen und flexiblen Arbeitsmarkt». Die forschende Pharmaindustrie hatte 2020 gemäss einer Untersuchung des Branchenverbands Interpharma einen Anteil von 5.4% an der gesamten Schweizer Wirtschaftsleistung.

Damit dieser «zentraler Wirtschaftsmotor» weiterhin brummt, müsse die Politik attraktive Rahmenbedingungen schaffen, so Bayer. «Eine mögliche Reduktion der Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten wäre da kontraproduktiv.»

Elisabeth Schneider-Schneiter
Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte) ist für eine Erhöhung der Kontingente.

Auch Novartis ist «grundsätzlich in allen wesentlichen Bereichen» auf Fachkräfte aus Drittstaaten angewiesen und verweist auf den demografischen Wandel in der Schweiz und den EU-Ländern, der den Fachkräftemangel eher noch verstärken dürfte. 

Entsprechend «erstaunt» reagiert die Baselbieter Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter auf Baume-Schneiders Pläne. International herrsche ein «War of Talents», sagt Schneider-Schneiter, die auch Präsidentin der Handelskammer ist. «Die Basler Firmen kommen mit den heutigen Kontingenten gerade so über die Runden». Es brauche daher eher grössere Kontingente.

Und auch der «Kanton Basel-Stadt ist gegen eine Kürzung», schreibt das Wirtschaftsdepartement, das sich in den sozialdemokratischen Händen von Kaspar Sutter befindet. Mit dem Inländervorrang sei gesichert, dass inländische Arbeitskräfte bevorzugt würden gegenüber Drittstaatenangehörigen.

Provokantes Powerplay

Es stellt sich die Frage, was Baume-Schneider mit ihrem doch recht provokanten Powerplay bezwecken will. Sie steht in der Migrationsdebatte stark unter Druck von rechts – und das nicht nur in Bezug auf Geflüchtete, sondern auch punkto Personenfreizügigkeit. Die SVP stellt diese in Zusammenhang mit den anstehenden EU-Verhandlungen immer wieder in Frage. Und nun setzt die Bundesrätin genau bei denjenigen Migrant*innen an, welche sogar die SVP mehr oder weniger akzeptiert.

Vielleicht erhofft sie sich mehr Chancen für Geflüchtete, die bereits hier sind. Die Schweiz hätte mehr Anreiz, ihnen Zugang zu guten Jobs zu verschaffen, wenn weniger Fachkräfte aus Drittstaaten einfliegen. So spricht Daniel Lampart vom Gewerkschaftsbund gegenüber SRF von gut ausgebildeten Migrant*innen, die Hilfsarbeiten bei der Post verrichten, weil ihnen vielleicht das Geld und allgemein die Unterstützung für eine Weiterentwicklung fehle.

Eine Integration von Geflüchteten im Arbeitsmarkt entspricht auch dem Willen des Kantons Basel-Stadt, schreibt das Wirtschaftsdepartement. «Das reduziert aber den Bedarf nach qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten nicht.»

Wer weiss, vielleicht war Baume-Schneider auch kürzlich mit Genossin Jacqueline Badran Mittag essen. Diese hat unlängst in der NZZ am Sonntag gesagt, die Schweiz müsse aufhören mit dem «Steuerdumping» und der «Pseudo-Standortpolitik». Das Kapital müsse zu den Leuten gehen, nicht die Leute zum Kapital.

Basel Briefing

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