Sie verdienen Solidarität – von allen

Am 25. November ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Dass bei einer angekündigten Demonstration cis Männer nicht erwünscht sind, irritiert Redaktorin Michelle Isler. Ein Kommentar.

Demo_Appelation1_highres
Hunderte Frauen solidarisierten sich mit dem Opfer im Vergewaltigungsfall Elsässerstrasse am 8. August 2021.

In der Schweiz wird alle zwei Wochen eine Frau durch ihren Ehemann, Lebensgefährten, Ex-Partner, Bruder oder Sohn getötet. Das schreibt das Rechercheprojekt «Stop Femizid», das sich auf Daten des Bundes bezieht.

Im Rahmen des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am kommenden Samstag wird das Thema der sexualisierten Gewalt auch in Basel thematisiert. Nicht nur an verschiedenen Veranstaltungen von Kantonen und Anlaufstellen, sondern auch an einer Demo: «Gehen wir gemeinsam auf die Strassen am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und genderqueeren Menschen», steht im Aufruf von «Rabia Basel», einem neuen «revolutionären antipatriarchalen Bündnis», das für Samstag mobilisiert. «Gemeinsam gegen das Patriarchat», so das Selbstverständnis des Bündnisses.

Nur: Das «gemeinsam» hat einen Haken, zumindest im Fall der bevorstehenden Demonstration. Denn cis Männer – also Personen, die sich mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen männlichen Geschlecht identifizieren – «bleiben solidarisch fern». 

Das irritiert mich.

«Warum sollen Betroffene nicht die Solidarität ihrer männlichen Freunde, ihrer Partner, Brüder, Väter spüren dürfen? Und zwar Seite an Seite, nicht im Hintergrund.»

Warum sollen Betroffene nicht die Solidarität ihrer männlichen Freunde, ihrer Partner, Brüder, Väter spüren dürfen? Und zwar Seite an Seite, nicht im Hintergrund.

Jetzt kann man sagen: Gut, die sollen halt ihre Solidarität auf andere Weise zum Ausdruck bringen. Oder an einem anderen Tag. Oder an einer anderen Demo. 

Aber warum sollen Menschen ausgeschlossen werden, die für das Gleiche einstehen? 

«Gemeinsam» bedeutet etwas anderes. Gerade bei diesem Thema wäre doch genau das so wichtig. Gewalt gegen Frauen – und gegen genderqueere Menschen – sowie häusliche Gewalt sind in der Schweiz keine Seltenheit. Das Thema verdient Raum in Kampagnen, Medienberichten und öffentlichen Veranstaltungen, an denen alle teilnehmen können. Wir als Gesellschaft sollten mehr darüber reden – nicht nur dann, wenn ein umstrittenes Gerichtsurteil (zurecht) für Schlagzeilen sorgt.

Die Betroffenen von sexualisierter Gewalt sind wir. Es sind unsere Nachbar*innen, unsere Freund*innen, Arbeitskolleg*innen, Töchter, Mütter. Sie verdienen unsere Solidarität. Sie verdienen, dass wir öffentlich zeigen: Ihr seid nicht allein. Wir stehen neben euch. Und wir wehren uns mit und wenn nötig auch für euch.

Und mit «wir» meine ich uns alle.

Fliegende Herzen
Wir mit dir.

Und du mit uns? Jetzt Member werden und unabhängigen Lokaljournalismus unterstützen.

Basel Briefing

Das wichtigste für den Tag
Jetzt Abonnieren
Jetzt Member Werden

Das könnte dich auch interessieren

Medienförderung Bullwinkels Blickwinkel

Ina Bullwinkel am 26. April 2024

Kaspar Sutters Flucht in die Medien-Utopie

Der Basler Regierungsrat hält eine kantonale Medienförderung für nicht dringend. Das ist ein falsches Signal. Es ist mehr als angebracht, lokale Berichterstattung endlich als Service Public anzuerkennen, findet Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen
Kommentar Gen Z Jan Soder

Jan Soder am 24. April 2024

Nicht alles unter einen Hut pressen

Manche bewundern uns, weil wir uns gegen Burnouts wehren, andere beschwören unseretwegen den Untergang ihres hart erarbeiteten Wohlstands. «Wir leben nicht für Erfolg», findet Bajour-Praktikant und Gen Z-ler Jan.

Weiterlesen
Familie Geburtenrate

Ina Bullwinkel am 19. April 2024

Angst vor Kindern

So wenige Kinder wie jetzt sind noch nie in der Schweiz geboren. Es ist höchste Zeit, dass das Land familienfreundlicher wird, meint Chefredakteurin Ina Bullwinkel. Besonders attraktiv ist das Elternwerden nämlich nicht, und eine Gesellschaft, die sich nicht reproduziert, verarmt.

Weiterlesen
Klima Wochenkommentar

Ina Bullwinkel am 12. April 2024

Noch eben schnell das Klima retten, oder?

Der Klimawandel schreitet schneller voran, als Forscher*innen erwartet haben. Da Topfpflanzen nicht helfen, müssen Wirtschaftsvertreter*innen endlich im Klimaschutz aktiv werden, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen

Kommentare