«Es geht hier nicht um irgendein Testli»

Im Frühjahr schreiben 27 Gymi-Klassen zum ersten Mal digitale Maturaprüfungen. Dass bei diesem Pilotversuch des Erziehungsdepartements gleich vier verschiedene Prüfungsmodelle getestet werden sollen, wirft bei GLP-Grossrätin Sandra Bothe Fragen auf.

Nächstes Jahr absolvieren Basler Schüler*innen ihre Maturitätsprüfung zum ersten Mal digital – und alle ein bisschen anders. Es handelt sich dabei um einen Pilotversuch.

Stell dir vor, deine Tochter gehört zu den Versuchspersonen und darf für die Prüfung neuerdings ihren Laptop benutzen, ihre Schulfreund*in Lisa zusätzlich sogar ein Rechtschreibprogramm. Lou, das Kind deiner Nachbarin, ebenfalls im selben Jahrgang, erhält die Möglichkeit, eine Woche vor der Prüfung Recherchematerialen zu erarbeiten, die sie an der Prüfung nutzen darf. Paul wiederum muss seine Tests traditionell mit Stift und Papier bewältigen.

Ist das fair? Nun, Lehrer*innen und Schüler*innen verunsichert das jedenfalls, weshalb GLP-Grossrätin Sandra Bothe am Montag eine Interpellation eingereicht hat. «Das Vorgehen des Regierungsrats wirft bei mir einfach wahnsinnig viele Fragen auf», erklärt sie am Telefon. So sollen die vier geschilderten Prüfungsmodelle im kommenden Frühjahr bei verschiedenen Maturklassen zur Anwendung kommen, wie Sandra Bothe in ihrer Interpellation schreibt. Das Erziehungsdepartement (ED) bestätigt auf Anfrage von Bajour den Einsatz von vier parallelen Prüfungsmodellen.

Sandra Bothe
GLP-Grossrätin Sandra Bothe hat Fragen.

Dass sich auch Maturaprüfungen an die Digitalisierung anpassen, kann die Bildungspolitikerin nachvollziehen. Dass aber je gleich vier verschiedene Prüfungsmodelle fürs Frühjahr geplant sind, beurteilt sie kritisch. 

In ihrer Interpellation fragt sie den Regierungsrat, wie die verschiedenen Prüfungsmodelle den Klassen zugeordnet werden, ob die Schüler*innen bereits bei der Prüfungsvorbereitung die Modelle testen und welche Erkenntnisse man sich im Erziehungsdepartement von diesem Versuch erhofft. «Es geht hier schliesslich nicht um irgendein Testli, sondern um die Maturitätsprüfung», erklärt die GLP-Politikerin. 

«Ich frage mich, wie der Regierungsrat garantieren, will, dass alle Schüler*innen die gleichen Voraussetzungen für diese wichtigen Abschlussprüfungen haben und ob man das gut durchdacht hat.» Sie denke da zum Beispiel daran, dass die Schüler*innen gemäss «Bring Your Own Device»-Prinzip ihre eigenen Laptops bei den Prüfungen einsetzen dürfen – es haben also nicht alle die gleichen Geräte respektive die gleichen Programme und damit auch nicht alle die gleichen Instrumente zur Verfügung, so Bothe.

Conradin Cramer, Vorsteher Erziehungsdepartement Basel-Stadt, an einer Medieninformation an der Sekundarschule Holbein in Basel, am Donnerstag, 7. April 2022. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Erziehungsdirektor Conradin Cramer

Ausserdem stellen sich ihr auch Fragen zur Rechtssicherheit: Sie will wissen, ob ein derartiges Pilotprojekt die rechtlichen Grundlagen erfüllt und ob der Regierungsrat aufgrund der verschiedenen Modelle mit einer erhöhten Anzahl Rekursen nach den Prüfungen rechnet. «Es könnte ja sein, dass sich Jugendlichen deshalb benachteiligt fühlen», sagt Bothe. Wissen tue sie das nicht. Sie spüre lediglich eine grosse Verunsicherung bei Lehrer*innen und Schüler*innen.  

Wichtig ist Bothe, zu betonen, dass sie nicht per se digitale Maturitätsprüfungen in Frage stellt. «Ich finde es gut, wenn man auf dieser Schulstufe versucht, mit der Digitalisierung mitzugehen», so Bothe. Sie hinterfrage lediglich die Vorgehensweise des ED. Anders der nicht unumstrittene Lehrer Jürg Wiedemann, der als Vereinspräsident der Starken Schule beider Basel das Pilotprojekt von Cramer kritisiert. «Wo wir digitale Mittel fördern, ohne dass es einen Nutzen hat, überschreiten wir eine Grenze», schreibt Wiedemann, der insbesondere den Nutzen im Fachbereich Mathematik anzweifelt.

Auf Anfrage von Bajour schreibt ED-Kommunikationsleiter Gaudenz Wacker: Der digitale Wandel mache auch vor den Schulen nicht Halt. «Arbeiten und Prüfen mit digitalen Geräten sind an den Gymnasien seit längerer Zeit eine Realität. Das zeigt sich ab dem kommenden Frühjahr auch bei den Maturprüfungen.» Die Schüler*innen, die im Frühling 2024 digitale Abschluss- und Maturprüfungen absolvieren, seien «digitales Prüfen seit längerer Zeit gewohnt».

So oder so: Für Zündstoff gesorgt hat das Vorhaben des Regierungsrats jedenfalls schon jetzt. Bothe hofft derweil, mit ihrer Interpellation «etwas zur Beruhigung beitragen zu können und mehr Klarheit über das Vorgehen zu schaffen». Beantworten wird der Regierungsrat die Interpellation schriftlich. Auf die Antworten darf man gespannt sein.

gump gif
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