Das wollen die Lehrer*innen
Rund 4000 Lehr- und Fachpersonen haben am Mittwochmorgen in der Joggelihalle ihre Erwartungen und Wünsche an das Basler Schulsystem kundgetan. Bajour war vor Ort und wollte wissen: Wo drückt der Schuh?
Am Mittwochmorgen wurde die Joggelihalle wieder zum grössten Lehrer*innenzimmer der Schweiz. Während die Kinder den schulfreien Tag genossen, kamen sämtliche Lehrpersonen, die in Basel arbeiten, zur obligatorischen kantonalen Schulkonferenz zusammen. Der Grossevent – es kamen rund 4000 Lehr- und Fachpersonen zusammen – ist als GeKo (Gesamtkonferenz) bekannt und findet einmal im Jahr statt.
Neben Lehrpersonen waren auch Gäste aus Politik, Gesellschaft und Ausbildungsinstitutionen eingeladen, um über ihre Erwartungen und Wünsche an die Schule zu sprechen. Und davon gibt es viele. Wir waren vor Ort und haben die Lehrer*innenschaft gefragt: Wo drückt der Schuh?
Die Anliegen der Lehrpersonen sind so verschieden, wie die Kinder, die sie unterrichten. Wo drückt dein Schuh?
Andraina und Nicole
Kindergärtnerinnen, Kindergarten Rennweg
«Es fehlen personelle Ressourcen – mehrheitlich bei der Logopädie, aber auch bei der Doppelbesetzung im Kindergartenalltag. Es kommen immer mehr Kinder, die mehr Ressourcen brauchen, und deshalb sollte man mehr Personal kriegen, das zur Unterstützung da ist.»
Anonyme Primarlehrerin
«Integration finden alle sehr gut, aber um das zu erreichen, braucht es die Doppelbesetzung im Klassenzimmer an Primarschulen und Kindergärten. Um wirklich voran zu kommen, benötigen wir mehr Ressourcen. Es ist auch für die Kinder anspruchsvoll, mit all diesen Spezialbedürfnissen umzugehen.»
Katharina
Lehrerin, Sekundarschule Bäumlihof
«Ich bin noch relativ neu im Beruf, daher weiss ich nicht genau, wo der Schuh drückt. Das Thema Tagesstruktur wurde heute erwähnt. Dort sei mehr Platz möglich. Anscheinend ist das sehr sehr gefragt, gerade im Kanton Basel-Stadt. Ich fände es schön, wenn es im Kanton Baselland auch noch mehr Tagesstrukturmöglichkeiten gäbe, weil ich dort zuhause bin. Ich finde das ein bisschen problematisch. Gerade wenn beide Eltern berufstätig sind, muss man auch Möglichkeiten haben für Kinderbetreuung.»
Anonyme Schulleitung
«Ich habe das Gefühl, man hinkt immer hinterher. Man ist immer zwei Schritte zu spät. Das geht von der Schulraumplanung bis hin zur Integration, wo man merkt: Man ist am Reagieren und sollte eigentlich vorausschauender arbeiten. Das wäre ein Wunsch von mir. Die Gesellschaft verändert sich so schnell, da müsste man mithalten können, aber das ist eine hohe Kunst. Es gibt gewisse alte Zöpfe, die man einfach seit Jahren mitschleppt, Stichwort Beurteilungssystem. Das könnte man eigentlich überdenken.»
Mario
Sportlehrer, Sekundarschule Rosental
«Wir sind halt ein Provisorium einer Schule, das heisst, wir haben keine eigenen Turnhallen. Ich habe neun Lektionen Sport mit drei Klassen in drei verschiedenen Turnhallen. Das ist ein Problem, wenn du immer von A nach B musst.»
Anonym
arbeitet an einer Schule
«Nach meinem Dafürhalten gibt es zu viele Kinder, die sehr spezielle Bedürfnisse haben, und dass es dafür keine echten Lösungen gibt. Man probiert mit Wahnsinnsressourcen immer noch mehr Lehrkräfte in die Zimmer zu stellen. Ich habe schon Situationen erlebt, in denen es fünf Lehrpersonen in einem Zimmer gibt, das kann nicht die Lösung sein. Es bräuchte Konzepte, die wenigstens realistisch funktionieren. Das ist bei der grossen Planung auf Regierungsratsebene, wo Conradin Cramer auch etwas herausgegeben hat, nach meinem Dafürhalten einfach nicht realistisch, nicht so umsetzbar. Aber bei diesem Punkt sind grosse Diskussionen im Gang. Das muss man wahrscheinlich noch weiter diskutieren und wahrscheinlich hängt es am Schluss wieder am Geld, dass es doch keine Lösung gibt, die funktioniert. Vielleicht bräuchte es auch wieder mehr Versuchsschulen.»
Wolf
Mitarbeiter Tagesstruktur, Primarschule Isaak Iselin
«Der Schuh drückt meiner Meinung nach sehr beim Thema Ressourcen. Was Personal angeht und Räumlichkeiten, die bei uns in der Tagesstruktur sehr gering, klein und eng sind.»
Anonyme Lehrerin
Schulheim, 1. bis 4. Klasse
«Ein grosses Problem ist die Frühförderung. Es sollte frühzeitig erkannt werden, wenn ein Kind ein Umfeld hat, das nicht wirklich fördern kann, das schwierig ist, wo Vernachlässigung stattfindet. Doch die Personen, die in der Frühförderung arbeiten, werden nicht gleichgesetzt mit Lehrpersonen. Sie haben eine weniger fokussierte Ausbildung. In Ländern, in denen die Frühförderung einen grösseren Stellenwert hat, in denen auch wirklich hochqualifizierte Personen dort arbeiten, können Dinge aufgefangen werden, die bei uns zu spät gesehen werden.»
Antonia
Primarlehrerin
«Der Raum, beziehungsweise der Platzmangel ist bei Primarschulen und Kindergärten ein grosses Thema und die integrative Schule in der Primarschule. Wie kann man Kinder mit psychosozial komplexen Situationen, solche mit Verhaltensauffälligkeiten und jene mit Lernschwierigkeiten betreuen und alles unter einen Hut bringen. Ausserdem werden die Anforderungen an die Lehrpersonen immer höher – also der administrative Aufwand, die Schülerinnen und Schüler zu integrieren, die Elternarbeit, die Digitalisierung und alles drumherum. Das Gesamtpaket würde ich sagen.»
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