Eine App für Zug, Bus, Velo und Auto
Bern, Basel und Zürich planen gemeinsam eine kleine Mobilitätsrevolution. Schon in einem Jahr soll man in den Städten mit einer App sämtliche ÖV-Angebote und Sharing-Fahrzeuge buchen und zahlen können.
Wie gelange ich vom «Hauptstadt»-Büro am Berner Eigerplatz am schnellsten zu den Redaktionsräumen von Tsüri im Zürcher Kreis 4? Und wie fahre ich von dort am effizientesten zu Bajour an die Basler Clarastrasse?
Klar ist, dass zwischen den Städten der IC-Zug die Lösung ist. Von und zum Bahnhof gibt es aber verschiedene Möglichkeiten: Bus, Tram, Leihvelo, Scooter, zu Fuss. Mit Ausnahme von Letzterem sind heute dafür meist verschiedene Apps und Zahlungen nötig. Will ich in einer anderen Stadt zum Beispiel auf ein Leihvelo steigen, brauche ich in Bern und Zürich nebst einem SBB-Ticket die Publibike-App, in Basel eine des Anbieters Velospot.
Die unabhängigen städtischen Onlinemedien Tsüri, Bajour und «Hauptstadt» kooperieren schon länger über die Plattform We.Publish. Entstanden ist so 2022 zum Beispiel ein gemeinsamer Verkehrsschwerpunkt. Dieser Text ist eine Koproduktion der Redaktionen und erscheint in Bern, Basel und Zürich.
Künftig soll für eine solche Reise nur noch eine App nötig sein. Die drei Städte Basel, Bern und Zürich wollen das Nutzen und Kombinieren von mehreren Mobilitätsformen innerhalb einer Reise stark vereinfachen. Dazu haben sie letzten Sommer eine Vereinbarung unterzeichnet: Ein gemeinsam entwickeltes System, soll es ermöglichen, eine Reise mit verschiedenen Sharing-Fahrzeugen und ÖV-Anbietern zu planen, buchen und bezahlen. Der Fachbegriff dafür ist «Mobility as a Service» (MaaS).
Mit einem Budget von 18,2 Millionen Franken wollen die Städte eine App und eine gemeinsame Mobilitäts-Marke entwickeln und mindestens bis 2028 betreiben. Dies geht aus einem Beschluss des Basler Regierungsrates hervor, der dem Parlament dafür einen Kredit von 5,06 Millionen Franken beantragt. Das Geschäft befindet sich derzeit zur Beratung in der zuständigen Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission. In den anderen beiden Städten stehen die Finanzierungsbeschlüsse noch aus. Ziel ist zudem, dass sich später weitere Gemeinden oder Regionen der Mobilitätsplattform anschliessen.
Der Ursprung dieser Zusammenarbeit von Zürich, Bern und Basel geht zurück auf das Pilotprojekt yumuv von 2021, das die drei jeweiligen Transportunternehmen zusammen mit der ETH und der SBB durchgeführt hatten. In Basel-Stadt forderte zudem Grüne-Grossrat Raphael Fuhrer bereits 2020 eine «gemeinsame Schnittstelle» für umweltfreundliche Verkehrsarten in der Stadt. Dass die drei Städte dafür nun zusammenarbeiten, findet er sinnvoll. «Alle drei sind Gemeinden, in denen ein Grossteil der Haushalte kein eigenes Auto besitzt», sagt er auf Nachfrage.
«Eine gemeinsame App der Städte ist sicher sinnvoll, um die nachhaltige Mobilität effektiver zu fördern, als wenn jede Stadt eine eigene, isolierte Lösung verfolgt.»Michael Wicki, ETH-Dozent für Raumentwicklung und Stadtpolitik
Das Prinzip von «Mobility as a Service» erklärt er mit einer Analogie zum eigenen Auto: «Egal ob ich einkaufen gehe, ein Möbelstück abhole oder einen Ausflug mache: Mit einem Autoschlüssel in der Hand kann ich einfach einsteigen und losfahren, ohne zuvor gross zu planen.» Seine Hoffnung ist, dass die App der Autoschlüssel für den Bereich ÖV und Verkehrsdienstleistungen wie zum Beispiel Sharing-Angebote wird. «Im ÖV funktioniert das heute ja auch schon: Wenn ich ein GA habe, kann ich in allen Städten am Bahnhof vom Zug aufs Tram oder den Bus umsteigen, auch wenn diese nicht von der SBB betrieben werden.»
Die geplante Plattform entspricht diesem Ansatz. Gemäss einem Mediensprecher der Stadt Bern sollen Kund*innen künftig über eine einzige App ihre Mobilität von Tür zu Tür planen, buchen und bezahlen können. Mit dieser neuen App, welche die Städte zusammen mit ihren jeweiligen städtischen Verkehrsbetrieben entwickeln, soll es keine Rolle spielen, ob sie mit dem ÖV oder einem Sharing-Verkehrsmittel unterwegs seien. «Leihvelos zum Beispiel können künftig sowohl über die MaaS-App als auch über die App des jeweiligen Anbieters gebucht und bezahlt werden», sagt der Sprecher.
Dazu wollen die Städte die Angebote nicht nur in der digitalen Welt zusammenfassen, sondern auch im öffentlichen Raum. Car-Sharing, Leihvelos und Scooter sollen künftig in der Nähe von ÖV-Haltestellen auf sogenannten Mobilitäts-Hubs stehen. In der Stadt Bern sind laut dem Mediensprecher in einem ersten Schritt fünf bis acht sogenannte Pilothubs an ÖV-Haltestellen angedacht. Es gehe primär darum, Flächen für die gut sichtbare Bündelung bereits bestehender Sharing-Angebote bereitzustellen. Die Hubs sind nicht im gemeinsamen Budget enthalten und werden von den Städten einzeln finanziert. Mit den Pilothubs solle die Nutzungsfrequenz und das Umsteigeverhalten der Bevölkerung evaluiert werden.
Städte vertrauen nicht dem Markt
Die Städte wollen laut dem Basler Regierungsbeschluss mit der Mobilitäts-App bewusst eine aktive Rolle übernehmen, «um die Mobilität in Richtung übergeordneter verkehrspolitischer Ziele zu steuern». Sie vertrauen hier nicht dem Markt – im Gegenteil: Bei rein privaten MaaS-Angeboten bestehe «die Gefahr, dass die Verkehrsmittelwahl hin zu wirtschaftlich lukrativeren Angeboten, wie die Vermietung von Personenwagen, gesteuert» werde und andere Zeile wie Werbeeinnahmen oder Datenbeschaffung im Vordergrund stünden.
Die Städte wollen also nicht auf weitere Innovationen von Google, Uber und Co. warten. Ein Sprecher der Stadt Zürich formuliert diese Haltung so: «Damit die urbane Verkehrswende gelingt, muss für Nutzende ein Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel so einfach wie möglich gemacht werden.» Die Städte wollten mit der Kooperation ihre Kräfte bündeln, zur Umsetzung ihrer verkehrspolitischen Strategien und zur Förderungen einer hohen Lebensqualität in den Urbanregionen. Das seien Ziele, «die bei anderen, gerade privaten Anbietern möglicherweise nicht die gleiche Priorität haben».
Laut einem Sprecher der Stadt Bern umfassen die Gesamtprojektkosten von 18,2 Millionen Franken sowohl die Investitionskosten von 5,3 Millionen Franken für die App (Software, Marke, juristische Abklärungen, personellen Eigenleistungen), wie auch die Kosten von 9,9 Millionen Franken für Betrieb und Weiterentwicklung während vier Jahren (Betrieb der Software, Marketingmassnahmen, Kundenservice). 3 Millionen Franken sind als Reserve vorgesehen. Ob diese Reserve reicht, wird sich zeigen. Städtische Informatikprojekte tendieren oft finanziell auszuufern. Beim letzten grossen gemeinsamen IT-Projekt der drei Städte Bern, Basel und Zürich, einer neuen Fallführungsapplikation bei der Sozialhilfe, kam es zu einem Debakel. Das Programm lief bei der Einführung in der Stadt Bern so langsam, dass Mitarbeitende nach einem Klick fünf Minuten warten mussten und tausende Rechnungen nicht bezahlt wurden. Die Berner Stadtregierung musste dem Parlament für zusätzliches Personal Nachkredite in der Höhe von 3,6 Millionen Franken beantragen.
(Illustration: Silja Elsener)
Als Vorbild dienen den Schweizer Städten laut dem Basler Beschluss unter anderem die Berliner Verkehrsbetriebe. Diese haben vor fünf Jahren die Mobilitäts-App Jelbi lanciert.
Auch Zürich hat ein ähnliches Angebot bereits getestet, die VBZ beendeten das Pilotprojekt «Züri Mobil» im vergangenen Sommer mit einer durchzogenen Bilanz: Die App sei rund 36’000 Mal heruntergeladen worden und allein im Jahr 2022 seien 27’000 Fahrten geplant worden, heisst es in der Medienmitteilung. Oder anders formuliert: Jede dritte heruntergeladene App wurde während eines Jahres nicht ein einziges Mal geöffnet. Ein Grund für die eher niedrigen Nutzungszahlen könnte sein, dass mit der Züri-Mobil-App die Reise zwar geplant, aber weder gebucht noch bezahlt werden konnte. Gemäss dem Sprecher der Stadt Zürich soll dies in der künftigen App möglich sein.
Die Stadt Zürich verspricht sich durch die gesammelten Daten durch die App-Nutzung die Möglichkeit, das gesamte Verkehrssystem effizienter zu gestalten, wie ein Sprecher auf Anfrage erklärt: «Das zugrundeliegende Konzept MaaS ist ein wirksamer Ansatz für eine nachhaltige und integrierte Mobilität.»
Kund*innen sind bereit, mehr zu zahlen
Laut einer Befragung der ETH steigt die Zahlungsbereitschaft von Kund*innen, wenn verschiedene Mobilitätsdienstleistungen in einer App gebündelt werden. «Eine gemeinsame App der Städte ist sicher sinnvoll, um die nachhaltige Mobilität effektiver zu fördern, als wenn jede Stadt eine eigene, isolierte Lösung verfolgt», erklärt Michael Wicki, Studienautor und ETH-Dozent für Raumentwicklung und Stadtpolitik. Die repräsentative Befragung habe ergeben, dass die Menschen bereit seien, für die gesamte Reise mehr zu bezahlen, wenn sie das auf einer einzigen Plattform machen könnten. Wichtig sei bei der Umsetzung von Mobility-as-a-Service-Systemen aber, dass Kund*innen in der App verschiedene Kombinationen von Verkehrsmitteln wählen und/oder individuelle Präferenzen für Verkehrsmittel angeben könnten. «Und für die Akzeptanz des Angebots ist es zentral, dass die Smartphone-App zuverlässig und benutzerfreundlich gestaltet ist», sagt Wicki.
Schon in einem Jahr sollen Berner*innen, Basler*innen und Zürcher*innen die neue Mobilitäts-App nutzen können. Gemäss dem Terminplan in den Unterlagen der Basler Regierung soll die App am 17. März 2025 lanciert werden. Ob es angesichts der noch nicht beschlossenen finanziellen Beiträgen von Bern und Zürich so zügig geht, ist zu bezweifeln. Ein Sprecher der Stadt Bern will den Start am 17. März 2025 nicht bestätigen. Er schreibt auf Anfrage lediglich: «Nach heutigem Planungsstand soll die App 2025 lanciert werden».
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