Die Nomadin im (H)airbus
Céline Wintenberger liebt das Leben auf den Rädern. In einem Bus am Hafen steht ihr Coiffeursalon, neuerdings auch mit Freiluft-Haarschnitt.
Links der Rhein, rechts Container, Bars und ein grosses rotes Schiff – die Uferstrasse am Basler Hafen. Noch vor dem Schiff hängt ein Pfeil mit der Aufschrift «Coiffeur im weissen Bus» an einem rostigen Metallpfosten. An den kunstvollen Bauten vorbei gelaufen steht er dann: der ehemalige Flughafenbus, geziert von blauen und roten Streifen.
Darin betreibt die Coiffeuse Céline Wintenberger ihren Salon «tête en l’air». Vor den Türen steht eine selbstgebaute Terrasse, Pflanzen kreisen den überdachten Boden aus Holzplanken ein und ein Second-Hand-Friseurstuhl, vor dem ein Spiegel hängt, bildet den Mittelpunkt des Aussenbereichs. Daneben steht ein alter, metallener Schaukelstuhl, ein leicht verwitterter Tisch und eine Reihe mit Sitzen aus einem alten Theater.
«Ich mag die verschiedenen Farben und Formen, die diese Second-Hand-Gegenstände bringen», sagt Céline Wintenberger, «sie bringen mehr Leben». Neue Möbel wären zu perfekt. Die rustikale Stimmung des Gebrauchten in Kombination mit dem neuen Leben der Pflanzen machen den Bus zu einer kleinen Oase am Hafen.
Haarföhn am Hafen
Im Herbst 2020 eröffnete Wintenberger ihren Coiffeursalon auf dem Hafenareal. Darin werden Haare gewaschen, geschnitten und gefärbt. Seit Juni steht die Terrasse, jetzt übt die Coiffeuse ihr Handwerk auch an der frischen Luft aus. An diesem Junitag regnet es zwar, aber dank des Daches kommt man trotzdem in den Genuss dieser Erfahrung. «In diesem Wetter ist es angenehmer als bei brennender Hitze», meint Wintenberger. Im Bus selbst sorgt eine Klimaanlage für angenehme Temperaturen im Sommer und im Winter wärmt eine Heizung, so sei es egal bei welchem Wetter noch angenehm.
Ein Verlängerungskabel ermöglicht, dass die Haarschneidemaschine auch draussen läuft, fürs Haarewaschen müssen wir jedoch nochmal rein. Eine leichte Brise weht die herunterfallenden Haare immer wieder von den Kleidern weg, das Rauschen des Regens ergänzt die lockere frankophone Musik des alten Radios im Bus. Céline Wintenberger weist auf einen Vorteil hin, den man hat, wenn man sich im Freien die Haare schneiden lässt: «hier draussen kann man eine Zigarette rauchen, das kannst du in Friseursalons nicht mehr». Normalerweise gebe es zum Haarschnitt auch noch einen Apéro, aber 11 Uhr ist leider «zu früh», ein Kaffee tut’s auch.
Ursprünglich stammt Céline Wintenberger aus dem Elsass. Auf einer langen Reise um die Welt fasste sie in Nicaragua Fuss. «Ich war mit dem Auto unterwegs und wollte zwei Wochen bleiben und entspannt auf dem Strand schlafen», erzählt Wintenberger. Sie begegnete einem Auswanderer, der in seiner Hütte eine Musikschule für die einheimischen Kinder betrieb. Sie unterrichtete dort Haareschneiden und wurde von Begeisterung gepackt. Mit Freiwilligen zusammen baute sie eine Schule und einen grossen Spielplatz auf einem gekauften Grundstück. Ein eigenes Haus gab es nicht, sie wohnte mit ihren Helfer*innen zusammen in Bussen.
Nachdem Wintenberger in die Schweiz zurückkehrte, tourte die gelernte Coiffeuse und Maskenbildnerin zwei Jahre lang mit einem Zirkus durch das Land. Natürlich in einem Wohnwagen. Sie besucht ihre alte Truppe weiterhin gerne, auch um wieder in das Vergnügen einer Nacht in den mobilen Häusern zu kommen.
Dort wo ihr Coiffeur-Bus steht, darf sie leider nicht wohnen. «Ich habe aber auch schon mal hier übernachtet», gesteht sie grinsend. In einem Bus zu leben, hatte der Wintenberger sehr gefallen. Sie schwärmt vom langen Raum ohne Trennwände und den vielen Fenstern. «In einem Bus zu leben gibt eine nomadische Freiheit», erklärt Wintenberger. «Wenn man so unterwegs ist, verbringt man viel mehr Zeit an der frischen Luft. Bei einer Wohnung bleibt man schneller einfach drinnen», führt sie aus.
Dieses Bedürfnis nach Freiheit ist auch nichts Neues. «Als Kind habe ich Filme gesehen mit Menschen, die in Wohnwagen nomadisch gelebt haben. Ich fand das damals schon reizend», erzählt Wintenberger, «ich kann einfach nicht so sesshaft werden». Dass man in einem solchen Bus nicht viel Platz hat, sieht sie auch als Vorteil: «Ich bin kein materialistischer Mensch und so beschränkt man sich nur auf das, was man wirklich braucht».
Der Flughafenbus wird kaum das finale Reiseziel von Céline Wintenberger sein. «Ich kann mir vorstellen, wieder ganz was anderes zu machen», meint sie. Ein Foodtruck sei eine Idee, aber auch Soziale Arbeit liege auf dem Tisch. Ganz passend zu ihrer Art, kann sie nicht sagen, was die Zukunft für sie bereithält.
Sodele, noch einmal durchföhnen und den Boden fegen, dann ist fertig. Zum Abschied gibt es noch eine Himbeere vom Strauch an der Terrasse. So ist nicht nur die Musik «à la framboise». Der Weg von der nomadischen Oase zurück in die Stadt steht an, da landet der «tête en l’air» wieder auf dem Boden der Realität.
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