Das reicht bei weitem nicht!

Wir sind weit davon entfernt, die finanziellen Lasten der Covid-Massnahmen solidarisch zu verteilen.

Werni spart
(Bild: Gerd Altmann, Pixabay / Illustration: Bajour)

Der erneute Shutdown wirft die Frage auf, wie lange wir uns das noch leisten können. So gestellt, ist die Frage leicht zu beantworten: Wir können und das locker und lange leisten, aus dem einfachen Grund, weil der Shutdown gesamtwirtschaftlich gesehen kaum Schaden anrichtet. Es geht ja nichts kaputt. 

Aber wir haben ein Verteilungsproblem, das grob gesagt darin besteht, dass wegen dem Shutdown 100% der Schweizer weniger konsumieren und entsprechend Geld sparen, das dann etwa 15% der Bevölkerung fehlt.

Allein im ersten Halbjahr 2020 sind die privaten Konsumumsätze um etwa 15 Milliarden Franken geschrumpft. Bis Ende Jahr dürften weitere 4 Milliarden dazu gekommen sein. Und der neue Shutdown wird den Konsum um mindestens weitere 15 Milliarden schrumpfen lassen. 

Entsprechend wird auch mehr gespart. Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH meldet eine rekordhohe Sparquote von 27%. Bald werden wir Schweizer*innen corona-bedingt mindestens 35 Milliarden Franken mehr auf der hohen Kante haben.

«Theoretisch könnte ich jeden einzelnen gesparten Franken wieder dorthin bringen, wo ich ihn nicht ausgegeben habe.»

«Wir» Schweizer*innen? Nein, da gibt es eine kleine Minderheit, der – wenn nichts geschieht – die 35 Milliarden fehlen werden. Diese Umverteilung kann niemand wollen. Erstens deshalb nicht, weil das total unfair wäre und zweitens weil dann Tausende von Cafés, Hotels, Fitnesszentren etc. pleite gehen würden. An jedem dritten Lokal ein Schild «wegen Konkurs geschlossen, Nachmieter gesucht». Ein Horrorszenario!

Doch was tun? Theoretisch könnte ich jeden einzelnen gesparten Franken wieder dorthin bringen, wo ich ihn nicht ausgegeben habe, zu meiner Beiz, Fitnesscenter, Reisebüro etc. Aber das ist zu kompliziert und nützt nur dann wirklich, wenn alle mitmachen. 

Wofür haben wir den Staat? Der kann den Geschädigten «mein» Geld geben und es im Nachhinein mit einer temporären Steuererhöhung wieder einziehen. Dann sind bis auf ein paar Millionen Verwaltungspesen am Schluss finanziell gesehen alle wieder etwa dort, wo sie ohne Corona angelangt wären.

Wir stecken dein Geld in Journalismus.

In Ansätzen funktioniert es auch so, aber nur ansatzweise. Nach heutigem Stand sieht das Shutdown-Dispositiv in etwa so aus:

  1. Ist da ein Kreditprogramm von 17 Milliarden Franken.
  2. Gibt es das Härtefallprogramm, das mit 2,5 Milliarden Franken beziffert wird und wohl etwa auf 3 Milliarden ansteigen wird.
  3. Dürften sich die Ausgaben für Kurzarbeitsentschädigung auf etwa 10 bis 15 Milliarden Franken belaufen.

Das Problem dabei ist, dass dieses Dispositiv nur die Lohnkosten der Angestellten einigermassen fair kompensieren wird. Zumindest jetzt, da die Entschädigung für Kurzarbeit bis zu einem Lohn von 3470 Franken von 80% auf 100% angehoben worden ist.

Doch wer als Inhaber*in den Betrieb weiterführen will, muss auch die Miete, Lohnnebenkosten, Steuern, Amortisationen und die eigenen Lebenshaltungskosten bezahlen. 

Und da bietet der Staat zur Überbrückung nichts anderes an als die Aussicht auf 17 Milliarden Franken zusätzliche Schulden und einen Klacks von am Ende vielleicht 3 Milliarden Franken an À-fonds-perdu-Beiträgen.

Wie läuft es in Basel-Stadt?

In Basel-Stadt läuft es bei den finanziellen Corona-Hilfen insgesamt besser als im Rest der Schweiz. Hier haben sich Wirteverband, Kanton und Mieter*innen schon während der ersten Welle darauf geeinigt, dass die Miete für Restaurants während der Pandemie nur zu einem Drittel von den Wirt*innen getragen werden muss. Ein weiteres Drittel zahlt der Kanton, Vermieter*innen kriegen somit nur zwei Drittel Miete – vorausgesetzt sie lassen sich auf den Deal ein. Diese Drei-Drittel-Lösung wird jetzt neu aufgelegt. Auch hat der Kanton ein neues Härtefallprogramm aufgesetzt, dazu gibt es Kurzarbeitsgeld und Überbrückungskredite als Bürgschaften. 

«Basel-Stadt war der erste Kanton, der Gesuche angenommen und ausgezahlt hat. Und auch jetzt ist Basel-Stadt bei den Hilfen weiter als andere Kantone», sagt der Präsident des Wirteverbands Maurus Ebneter. Trotzdem seien die Härtefallgesuche sehr aufwendig. «Damit haben vor allem Kleinstbetriebe Mühe. Aber ich habe schon von vielen gehört, die Gelder beantragt und erhalten haben. Basel-Stadt hat die Sache vergleichsweise gut im Griff», so Ebneter. Auch David Weber vom Gewerbeverband Basel-Stadt sagt: «Die Umsetzung des Härtefallprogramms erfolgte rasch, weil es hier schon eine gesetzliche Grundlage für die Auszahlung gab.»

Bei der Auszahlung des Kurzarbeitsgeldes gerät der Kanton allerdings ins Stocken, zwischen Oktober und Dezember 2020 wurde Kurzarbeit für 85’000 Angestellte genehmigt. «Wir haben bei den Kurzarbeitsentschädigungen schon länger Rückmeldungen über ausstehende Zahlungen erhalten. Hier scheint es in einigen Fällen zu hapern», sagt David Weber. Basel sei zwar langsamer bei der Auszahlung der Kurzarbeit als andere Kantone, meint Ebneter. «Trotzdem ist das Kurzarbeitsgeld eines der kleineren Probleme für die Betriebe, da es immerhin Überbrückungskredite als Bürgschaften gibt, um staatliche Hilfen vorzufinanzieren. Auch sind Akontozahlungen vom Kanton möglich, um vor der Auszahlung des Kurzarbeitsgelds finanziell zu helfen.» Ebneter sieht die Verantwortung auch bei den Betrieben: «Die müssen vorwärts machen, etwa beim Härtefallprogramm, das am 23. November begann. Dafür sind beim Kanton erst gut 400 Anträge eingegangen.»

Zurück zu den 17 Milliarden an zusätzlichen Schulden. Schauen wir uns das einmal am Beispiel der Gastronomie genauer an. Angenommen, diese verliert 40% des Jahresumsatzes von rund 15 Milliarden Franken, also rund 6 Milliarden Franken. Davon entfallen rund 2 Milliarden auf Löhne. Siehe oben. Ein weiteres Drittel entfällt auf Warenaufwand, der wegen dem raschen Hin und Her nur zu – sagen wir – 80% zurückgefahren werden kann. Bleibt ein Verlust von 400 Millionen Franken. Dazu kommen 2 Milliarden Fixkosten, wovon anteilmässig 250 Millionen durch den Härtefallfonds und 1,75 Milliarden durch das Kreditprogramm abgedeckt werden.

Zusammen mit den Warenverlusten ist das für die Beizer*innen eine zusätzliche Verschuldung von 2,15 Milliarden Franken. Das entspricht laut der Statistik der Buchhaltungsergebnisse der Schweizer Unternehmen in etwa 100% des Eigenkapitals – das damit weg ist. 

Verloren sind auch 200 Prozent der liquiden Mittel. Diese können zwar durch die Kredithilfen wieder aufgestockt werden, aber der Betrieb bräuchte den Gewinn von rund zehn guten Jahren, um den eh schon prekären finanziellen Stand von vorher wieder zu erreichen.

«Wer solidarisch denkt, sieht ein, dass es sich hier um unser Geld handelt.»

Unter diesen Umständen macht das ohnehin nicht sehr lukrative Wirten definitiv keinen Spass mehr. Das zehrt nicht nur am Portemonnaie, sondern viel mehr noch an den Nerven. Und es schadet letztlich auch uns – den Kund*innen. 

Unser Wohlbefinden hängt davon ab, dass unser Café, unsere Kneipe, unser Fitnesscenter nach dem Shutdown wieder weitergeführt werden kann. Wir wollen von aufgestellten Wirt*innen und vom vertrauten Servicepersonal empfangen werden. Das ist uns wichtiger, als dass wir – shutdownbedingt – auf Kosten der anderen noch mehr sparen können als sonst.

«Das Verteilen von fremden Geldern gehört zu den Kerngeschäften des Parlaments», schrieb dieser Tage die NZZ im gewohnt tadelnden und süffisanten Ton. So sehen es diejenigen, die das gesparte Geld lieber für sich behalten wollen. Doch wer solidarisch denkt, sieht ein, dass es sich hier um unser Geld handelt, das das Parlament – bitte sehr – denjenigen zurückgeben soll, denen wir es – unfreiwillig – weggenommen oder vorenthalten haben.

So könnte eine solidarische Schweiz funktionieren. Warum schaffen wir das nicht? Ist es Geiz? Oder verstehen am Ende die in Bern diese einfachen Zusammenhänge nicht?

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