Der Bruno Manser Fonds bringt sich ins Gespräch

Die NGO ist wegen angeblicher Persönlichkeitsverletzung angeklagt. Am Mittwoch findet am Basler Zivilgericht die öffentliche Verhandlung statt. Die Strategie des Bruno Manser Fonds ist offensiv.

Bruno Manser Fonds
Am Montag lud der Bruno Manser Fonds zu einer Pressekonferenz. (Bild: Michelle Isler)

Seit fünf Jahren tobt in Basel ein Rechtsstreit zwischen zwei ungleichen Parteien: Auf der einen Seite steht die am Rheinknie verwurzelte NGO Bruno Manser Fonds (BMF), auf der anderen die vermögende Familie Taib aus Kanada bzw. Malaysia. Diese hat 2018 zum ersten Mal gegen den BMF geklagt, danach gab es mehrere Verfahren. Beim hängigen Zivilrechtsprozess geht es um angebliche Persönlichkeitsverletzung. Er wird am Mittwoch öffentlich verhandelt. Ein Urteil wird voraussichtlich keines erwartet. Ins Gespräch bringt sich der BMF trotzdem.

Das Urteil werde schriftlich und zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, erklärt BMF-Geschäftsleiter Lukas Straumann an einer Pressekonferenz am Montag. Gekommen ist lediglich eine Handvoll Journalist*innen nationaler und lokaler Medien. Voll war der kleine Raum im Botanischen Garten trotzdem: Angereist sind Vertreter*innen von indigenen Organisationen aus Malaysia sowie der Penan, einer Gruppe, die auf der Insel Borneo im Bundesstaat Sarawak von der Abholzung des Regenwalds betroffen ist und bei denen Bruno Manser in den 1980ern mehrere Jahre gelebt hatte. 

Die Pressekonferenz ist ein Puzzlestück der Strategie des BMF, sich und seine Sicht auf das Rechtsverfahren auf verschiedenen Wegen ins Gespräch zu bringen. Jetzt, da die Hauptverhandlung nach all den Jahren unmittelbar bevorsteht, organisiert der Bruno Manser Fonds gleich mehrere Veranstaltungen zum Thema: Am Wochenende fand im Kultkino ein Film-Matinée statt, am Montag folgte die besagte Pressekonferenz zum Gerichtsfall. Und am Dienstag dann ein «Regenwald-Tribunal», wo Vertreter*innen von Bruno Manser Fonds und Penan im Scala ein symbolisches Theater aufführten. 

Bruno Manser Fonds
Gekommen waren eine Handvoll Journalist*innen, Unterstützer*innen der NGO sowie Vertreter*innen der Penan. (Bild: Michelle Isler)

«Das Regenwald-Tribunal bietet in Form eines politischen Theaters den von der Abholzung Betroffenen sowie Expert*innen eine Platform, um die Abholzung des Regenwalds von Borneo aufzuarbeiten und Visionen für die Zukunft zu entwickeln», so der BMF. Es wurde live gestreamt.

Penan leader Komeok Joe handing over document with questions to the president of the Rainforesttribunal, Kaspar Mueller. Right of Komeok Joe the members of the 1990 Penan world tour, Mutang Urud, Unga Paren and Mutang Tuo can be seen on the ferry. Foto by Claude Giger/Bruno Manser Fonds
Penan-Aktivist*innen bei einer symbolischen Briefübergabe im Rahmen des «Regenwald Tribunals» am Dienstagmorgen. (Bild: Claude Giger/Bruno Manser Fonds)

Prominent war im Übrigen auch der Auftritt des BMF vergangenen Mai zum denkbar besten Sendezeitpunkt bei Telebasel: Am allerersten Sendeabend im neuen Telebasel-Studio widmete sich nicht nur ein Newsbeitrag dem BMF. Geschäftsleiter Straumann war auch als erster Interviewgast in der Schwerpunktsendung «Punkt6 Thema» geladen. Im Gegensatz dazu hält sich die Gegenseite sehr bedeckt. In der Öffentlichkeit werden die  Kläger*innen aus der Taib-Familie vertreten durch die Basler Anwaltskanzlei Vischer. 

Diese will sich nicht mehr zum Fall äussern, wie einem Statement in der besagten Sendung zu entnehmen ist: «Der Fall liegt aktuell beim zuständigen Gericht zur Beurteilung. Bitte haben Sie daher Verständnis, dass wir in der jetzigen Phase den Arbeiten des Gerichts nicht vorgreifen wollen. Wir werden uns nach dem Urteil äussern», wird Rechtsanwalt Thomas Weibel schriftlich zitiert.

Bruno Manser Gleitschirm
Juristische Dampfwalze gegen Blasrohr

Mehr zum Hintergrund des Rechtsstreits, welche Strategie der BMF dahinter vermutet und was die Anwaltskanzlei Vischer im Namen der Kläger*innen zum Fall sagt, liest du hier.

zum Artikel

Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch offen, wie das Beweisverfahren im aktuellen Rechtsstreit aussehen wird. Wie Straumann an der Pressekonferenz am Montag erklärte, rechnet der Bruno Manser Fonds erst 2024 mit einem Urteil. Sicher ist heute nur eines: Der Gerichtsentscheid wird wohl von nationalem Interesse sein. Einerseits, weil die Kläger*innen unter anderem eine Gewinnherausgabe fordern – ein juristisch aufwändiges Mittel, das in der Schweiz nur selten angewendet wird. Und andererseits, weil die NGO argumentiert, es handle sich bei der Klage um eine missbräuchliche Klage, genannt SLAPP, die unter anderem zum Ziel hat, die NGO einzuschüchtern. Die Kläger*innen weisen diese Anschuldigung zurück. 

Die Schweiz kennt bis anhin noch keine Gesetze, die sich explizit mit mutmasslich missbräuchlichen Klagen befassen. Die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem BMF und dem Ehepaar Taib Murray könnte aber einen Präzedenzfall schaffen. Auch deshalb ist dem BMF die Aufmerksamkeit gewiss, wenn das Urteil einst verkündet wird.

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