«In Eritrea hatte ich keine Zukunft»
Über ein Drittel der Basler Bevölkerung kann bei den Wahlen nicht mitbestimmen. Der Eritreer Million Hadish flüchtete als Jugendlicher hierher und wünscht sich, dass Geflüchtete in der Schweiz alle den gleichen Status haben.
Million Hadish steht am Wettsteinplatz in Arbeitskleidung. In seiner Lehre als Haustechnikpraktiker macht er Heizungsinstallationen, gerade kommt er von einer Baustelle in Riehen. Ist er zufrieden mit seiner Arbeit? «Nein, nicht zufrieden», sagt er grinsend. «Ich bin sogar sehr zufrieden!» Der 22-Jährige ist seit sieben Jahren in der Schweiz, der Job gibt ihm eine Perspektive – in einem Land, von dessen Existenz er als Kind noch nie gehört hatte.
«Wähl mich!», ruft es derzeit überall: Der Öffentliche Raum ist geprägt von Plakaten und Flyer-Verteilaktionen, die die Wähler*innen zum Handeln aufrufen. Ein Viertel der Schweizer Bevölkerung und 37 Prozent derjenigen in Basel kann sich in diesem Diskurs kaum einbringen: die Ausländer*innen. Auch wenn sie schon lange in der Schweiz wohnen, dürfen sie mit Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung nicht mitbestimmen, wer sie in Bundesbern vertreten soll. Auch bei Abstimmungen bleiben sie aussen vor.
Die Porträtserie ist ein Versuch, auch ihnen einen Platz im öffentlichen Diskurs rund um die Wahlen zu geben. Den Anfang macht Million Hadish, der versucht, einen B-Ausweis zu beantragen, dabei aber vor einer grossen Hürde steht.
Hadish ist im Alter von 14 Jahren aus seiner Heimat Eritrea geflüchtet. Er erzählt, wie er darunter litt, ohne Vater aufzuwachsen. «Er war immer im Militär, ich habe ihn vielleicht ein oder zwei Mal pro Jahr gesehen.» Das Leben sei «sehr schwierig» gewesen, er habe keinen Sinn darin gesehen, in die Schule zu gehen. «In Eritrea hatte ich keine Zukunft», sagt er. Weil er schwänzte, durfte er dann irgendwann gar nicht mehr zur Schule gehen. «Ich hätte auch ins Militär gehen müssen für das Propagandaregime», sagt er. Das wollte er nicht.
Gemeinsam mit einem Kollegen beschloss er, aus dem Land zu flüchten. Während einem Jahr befand er sich auf der Flucht durch Äthiopien, den Sudan, Chad, Libyen, Italien. Hadish erzählt von monatelangem Ausharren in unterirdischen Lagern, der Abhängigkeit von Schleppern, Krankheiten, Gewalt. Mehrfach sagt er: «Das war mega schlimm.» Dass seine Flucht in Basel endete, war eher ein Zufall. Andere, mit denen er am Schluss unterwegs war, wollten weiter nach Deutschland. «Aber ich sagte: Ich mag nicht mehr flüchten.»
Nach dem Bundesasylzentrum kam Hadish zuerst in ein Kinderheim in Baselland, später zu einer Pflegefamilie. «Meine Mutter – ich nenne sie Mutter», sagt Hadish, «hat sich immer mega für mich eingesetzt». Jüngstes Beispiel: Hadish versucht, einen B-Ausweis zu beantragen. «Jetzt habe ich F und darf vieles nicht, zum Beispiel nicht ins Ausland reisen.» Für den Antrag hätte Hadish alle Dokumente bereit. Alle, ausser einen eritreischen Ausweis. So einen besass er nie. «Ich bin integriert, ich arbeite, ich wohne hier. Aber jetzt wollen sie, dass ich zur Regierung gehe, vor der ich geflüchtet bin, und sie bitte, mir einen Ausweis zu geben.» Ungläubig schüttelt er den Kopf.
Wer als Ausländer*in in die Schweiz kommt, erhält je nach Staatsangehörigkeit, Dauer und Grund des Aufenthalts eine andere Bewilligung:
- Ausweis B (Aufenthaltsbewilligung): Mit einer Aufenthaltsbewilligung dürfen Ausländer*innen sich zu einem bestimmten Zweck (z.B. Arbeit, Familie) längerfristig in der Schweiz aufhalten.
- Ausweis C (Niederlassungsbewilligung): Nach 5–10 Jahren ununterbrochenem Aufenthalt können Ausländer*innen unter Erfüllung bestimmter Kriterien (z.B. keine Schulden, Sprachkenntnisse) eine Niederlassungsbewilligung für einen unbeschränkten Aufenthalt beantragen.
- Ausweis F (vorläufig aufgenommene Ausländer*innen): Eine vorläufige Aufnahme erhalten die Personen, die eigentlich aus der Schweiz weggewiesen wurden, deren Wegweisung aber aus bestimmten Gründen unzulässig oder unzumutbar ist.
- Ausweis N (Asylsuchende): Der N-Ausweis gilt als Bestätigung, dass eine Person ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt hat und auf einen Asylentscheid wartet.
Drei Fragen an Million Hadish
Würdest du gerne politisch mitbestimmen können?
«Ich würde sehr gerne mitbestimmen können. Früher habe ich mich nie für Politik interessiert, aber hier in der Schweiz habe ich in der Schule viel über Politik gelernt und es interessiert mich sehr, wie das funktioniert. Ich kenne jetzt zwei Seiten: Die Politik in Eritrea und die in der Schweiz. Wenn ich hier mitreden dürfte, warum nicht?»
Fühlst du dich von den Politiker*innen vertreten?
«Ich fühle mich überhaupt nicht vertreten. Ich habe das Gefühl, viele verstehen die Situation von Eritreern nicht und es macht mich wütend, wenn Eritreer von der SVP dazu benutzt werden, um Politik zu machen. Keiner steht vor uns und ergreift das Wort für uns.»
Was würdest du konkret ändern?
«Ich bin der Meinung, dass alle Flüchtlinge den gleichen Status bekommen sollten und es keine Unterscheidung zwischen anerkannten und vorläufigen Flüchtlingen geben sollte.»
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