Fleur Weibel und Jo Vergeat im Gespräch

«Die Grünen kommen nicht im Alleingang in die Regierung»

Nach zwei verpassten Anläufen wollen die Grünen bei den nächsten Wahlen unbedingt einen Sitz im Regierungsrat sichern. Im Interview erklären Co-Parteipräsidentin Fleur Weibel und Fraktionspräsidentin Jo Vergeat, wie das der Partei gelingen soll, die aus ihrer Sicht im Moment allzu oft aufs Klima reduziert wird.

Jo Vergeat Fleur Weibel Grüne
Reduziert auf Klima, Verkehr und Energiethemen? Das wollen Jo Vergeat (links) und Fleur Weibel ändern. (Bild: Michelle Isler)

Womit konnte das neue Co-Präsidium schon Akzente setzen?

Fleur Weibel: Die Zeit seit März ist noch relativ kurz. Aber unsere Stärke liegt sicher darin, dass wir ein thematisch sehr breit aufgestelltes Co-Präsidium sind. Das war uns wichtig, auch um die Themenvielfalt der Grünen nochmal deutlich zu machen. 

Wahrgenommen werden Sie aber vor allem als Klimaschutz-Partei.

Weibel: Wir werden manchmal reduziert auf Klima, Verkehr und Energiethemen. Aber tatsächlich sind wir sehr viel breiter aufgestellt und das wollen wir auch mit dem neuen Co-Präsidium sichtbar machen.

Brauchte es im Präsidium auch frischen Wind nach den gescheiterten Versuchen – einmal von Jérôme Thiriet, dann von Anina Ineichen – , in die Regierung einzuziehen? 

Weibel: Ich denke, es war ein guter Zeitpunkt. Nicht wegen den Regierungsratswahlen, sondern weil ein Parteipräsidium einfach sehr arbeitsintensiv ist. Und nach einer bestimmten Zeit braucht es wieder neue personelle Energie. 

Jo Vergeat: Für die Grünen war es ein sehr guter Moment, weil Raffaela Hanauer und Benjamin van Vulpen den Fokus darauf gelegt haben, die Strukturen dem grossen Mitgliederwachstum anzupassen, mit der neuen Herausforderung, gleichzeitig nicht mehr in der Regierung zu sein. Und jetzt kommt ein Präsidium, das darauf aufbauen kann.

«Für uns ist klar, wir wollen wieder in die Regierung und sind zuversichtlich, dass wir Personen haben, die eine Mehrheit der Bevölkerung überzeugen können.»
Fleur Weibel, Co-Präsidentin Grüne Basel-Stadt

Ihre Partei hat es viel Kraft gekostet, zwei Wahlkämpfe so dicht beieinander zu führen – mit eigener Kandidatur. Können Sie jetzt durchatmen und Kräfte sammeln für die Gesamterneuerungswahlen 2028?

Vergeat: Es hat sehr viel Energie gebraucht, aber gleichzeitig hat es auch extrem viel Energie freigesetzt. Ich würde sagen, den Grünen geht es sehr gut. 

Weibel: Wir haben das gerade erst beim Wahlkampf in Riehen und beim Unterschriften sammeln für zwei Initiativen gemerkt. Es ist viel Energie da und die Mobilisierung funktioniert gut. Nach unserer kantonalen Biodiversitätsinitiative haben wir auch für die Solarinitiative auf nationaler Ebene noch einmal Vollgas gegeben. Von daher ist es überhaupt nicht so, dass wir im Winterschlaf wären.

Als viertstärkste Partei im Kanton mit zwölf Sitzen im Grossen Rat erheben Sie einen Anspruch auf einen Platz im Regierungsrat. Wie soll es nächstes Mal klappen? Auch wieder im Alleingang?

Weibel: Es ist wichtig, dass wir uns profilieren und gleichzeitig ist klar, dass die Grünen im Alleingang nicht in die Regierung kommen.

Das heisst dann, mit der Basta-Frau Sibel Arslan als Kandidatin schaffen Sie die rot-grüne Mehrheit? 

Weibel: Für uns ist klar, wir wollen wieder in die Regierung und sind zuversichtlich, dass wir Personen haben, die eine Mehrheit der Bevölkerung überzeugen können. Zurzeit ist dies aber nicht unser Fokus. 

Was ist gerade der Fokus?

Weibel: Dass wir gut in unser Personal investieren, dass wir unsere Leute aufbauen und dass wir dann bereit sind, wenn die Wahlen anstehen.

Fleur Weibel Grüne Interview
Ist sicher, dass die Grünen bei der nächsten Wahl die richtige Person für die Regierung aufstellen: Co-Präsidentin Fleur Weibel. (Bild: Michelle Isler)

Klingt nach erneut vergebener Chance. Die vergangenen Kandidat*innen konnten nicht stark genug zeigen, dass es in der Regierung eine grüne Kraft braucht. Haben die Leute eventuell das Gefühl, mit dem Entscheid für Netto Null bis 2037 und mit drei SP-Regierungsmitgliedern gibt es genügend ökologische Ziele?

Vergeat: Auf den ersten Blick mag die Ausgangslage schwierig erscheinen. Gleichzeitig können wir sehr konkret zeigen, dass die grüne Person im Regierungsrat fehlt …

… Sie hätten es in der Hand.

… zum Beispiel am OECD-Päckli, wo sehr viel Geld ausgegeben wird, aber die Umwelt ganz zuletzt kommt. Bei diesen Wahlen haben sehr viele Sachen reingespielt. Aber ich bin überzeugt, dass die Basler Bevölkerung eine grüne Person in der Regierung will, und dass wir das auch wieder schaffen.

Weibel: Wir stehen eben nicht nur für eine ökologische Politik, sondern auch für eine soziale und für eine feministische Politik. Ein Blick auf die aktuelle Regierung zeigt, dass diese Themen dort zu wenig stark vertreten sind. Es gibt im Moment keine linksgrüne Regierungsmehrheit, das wird immer wieder sichtbar.

Sozial und feministisch – wo ist es dem neuen Präsidium bisher schon gelungen, Akzente abseits der Umweltthemen zu setzen?

Weibel: Dass wir im Kanton Basel-Stadt ein fortschrittliches Gleichstellungsgesetz haben, ist massgeblich von uns mitgeprägt worden. 

Vergeat: Wenn man das Portfolio anschaut von unseren Vorstössen – Massnahmenpakete gegen Rassismus, für die psychische Gesundheit – dann sieht man, dass wir als Grüne im Grossen Rat auch andere Themen voranbringen und Pflöcke einschlagen. Und vielleicht ist es dann auch unsere Aufgabe für die kommende Regierungsratskandidatur, noch mehr zu zeigen, dass zu unseren Kompetenzen noch mehr gehört als Umwelt- und Klimaschutz.

Jo Vergeat Fleur Weibel Grüne
Die Grünen wollen es 2028 in die Regierung schaffen. (Bild: Michelle Isler)

Es ist Ihr Ziel, in die Regierung zu kommen, aber wo merkt man, dass Sie jetzt in der Opposition sind?

Weibel: Beispielsweise beim OECD-Päckli, bei dem wir uns mit der Basta als einzige Parteien dagegen positioniert haben und als Fraktion nicht die Regierungsperspektive mittragen mussten. 

Durch die aktuelle weltpolitische Lage spürt man sehr viel Druck aus den USA. Novartis baut in der Region Stellen ab, was vordergründig nichts mit den USA zu tun haben soll, aber es gibt gewisse Unsicherheiten. War die Argumentation für das OECD-Paket dann nicht doch berechtigt, um die Pharma bei der Stange zu halten?

Weibel: Wir werden nie wissen, wie es ohne Paket gewesen wäre. Wir finden das Paket problematisch für die Steuergerechtigkeit und dass damit eine internationale Abmachung ausgehöhlt wird. Wir können schlecht mit dem Finger auf die egoistische US-Politik zeigen und zu Hause in die gleiche Richtung gehen.

Seit der neuen Legislatur gibt es nicht mehr das Grüne Alternative Bündnis. Die beiden Parteien, Basta und Grüne, politisieren jetzt in eigenen Fraktionen. Ist das aus Grünen-Sicht eine positive Entwicklung?

Vergeat: Im Grossen Rat finde ich es eine gute Ergänzung. Wir haben drei linke Positionen. Bei den Voten zeigen sich die unterschiedlichen Haltungen. Dementsprechend bin ich sehr überzeugt von dieser neuen Art von Fraktionsarbeit. Die Zusammenarbeit untereinander ist trotzdem weiterhin sehr gut, die Wege sind immer noch sehr kurz.

Weibel: Ich habe das Gefühl, jetzt sind die Profile der beiden Parteien auch nach aussen klarer wahrnehmbar. Damit überzeugen wir mehr Menschen, für linke Parteien zu stimmen.

«Uns wird das Image verpasst, möglichst den Autofahrer*innen auf den Nerv gehen zu wollen. Und das ist nicht richtig.»
Fleur Weibel, Grünen-Co-Präsidentin

Ein erster Erfolg unter dem neuen Co-Präsidium war die Annahme des Gegenvorschlags zu den Velo-Vorzugsrouten. Aber auch das war im breiten Bündnis entstanden und wird nicht unbedingt den Grünen zugeschrieben, sondern auch Regierungsrätin Esther Keller. Ärgert Sie das? Wenn ein Erfolg bei einem grünen Thema nicht auf die Grünen zurückfällt? 

Vergeat: Letztlich ist es ein Erfolg, wenn wir ein Thema, das uns so sehr am Herzen liegt, und das wir als Partei konsequent und mit sehr kompetenten Leuten begleiten, zur Umsetzung bringen. Die Regierung setzt dann um – das ist die Regel in einer Demokratie und nicht eine Schwäche von uns. Die Leute möchten gerne eine bessere Veloinfrastruktur und dass sich mehr Velofahrende sicher bewegen können. Das ist dann ein Erfolg von Esther Keller, aber es ist genauso einer von uns. 

Basel ist schon lange rot-grün geprägt, warum wurde eigentlich nicht schon viel früher etwas bei den Velowegen umgesetzt? 

Vergeat: Was sich schon sehr stark verändert hat, ist die Klarheit der angestrebten Mobilitätswende. Mit den vom Regierungsrat im Nachgang nach Basel 2037 beschlossenen MIV-Reduktionszielen hat sich nochmal etwas verändert in der Dringlichkeit. Der klare Fokus aufs Velo ist viel stärker geworden. Warum das vorher nicht schon stark war, obwohl es auch vehemente Velopolitiker*innen gab, kann ich nicht beantworten.

Weibel: Da fehlt auch mir jetzt mein Co-Präsident (lacht), er könnte das super beantworten. Meine Themenschwerpunkte sind nicht in der Verkehrspolitik.

Bleiben wir trotzdem noch ein bisschen beim Verkehr. Zu Ihrer Politik gehört es auch, Parkplätze abzubauen, das kommt in der Stadt mässig an. Gleichzeitig geht es mit den Quartierparkings nicht voran. So zieht man zum Teil auch den Zorn der Menschen auf sich, aber eigentlich wollen Sie ja Wähler*innen gewinnen?

Weibel: Allein das Wording, dass gesagt wird, wir bauen Parkplätze ab, ist interessant. Es geht nicht einfach grundsätzlich darum, Parkplätze abzubauen, sondern es geht vor allem darum, einen lebenswerteren Stadtraum zu schaffen. Mehr Platz für sichere Velostreifen, weniger Verkehrstote, mehr Grünflächen. Aber uns wird das Image verpasst, möglichst den Autofahrer*innen auf den Nerv gehen zu wollen. Und das ist nicht richtig. Es gibt jedoch viel unnötigen Autoverkehr, der auch gut mit dem Velo oder dem ÖV gemacht werden könnte: ein Drittel aller Autofahrten ist kürzer als drei Kilometer. 

Und deshalb gelten Sie als Anti-Auto-Partei.

Weibel: Ich bin die Letzte, die sagen würde, man darf nie ein Auto benutzen. Die Frage ist, wie Autos benutzt werden und dort sind wir überzeugt, es braucht nicht so viele Autofahrten, wie das jetzt der Fall ist. Dass jede erwachsene Person zu jeder Zeit auch nur für kurze Strecken mit einem Auto unterwegs sein kann, dass das Auto immer vor der Haustür stehen kann – das ist nicht das, was wir vertreten.

Vergeat: Wir haben das demokratisch legitimierte Ziel einer Mobilitätswende. Für das braucht es genau das. Wir verstehen den Ärger und die Wut absolut. Aber eigentlich ist das Ziel, dass wir als Gesellschaft herausfinden müssen, wie das mit neuen Rahmenbedingungen funktioniert. Das ist ein Diskurs, den wir führen. Es ist wichtig, dass wir einander zuhören und nicht einfach sagen «ihr blöden Autofahrer*innen oder ihr blöden Autohasser*innen», sondern dass man schaut, was es für Alternativen gibt, die auch attraktiv sind, zum Beispiel Carsharing.

Jo Vergeat Grüne
Findet es gut, mit dem Superblock etwas Neues auszuprobieren: Jo Vergeat. (Bild: Michelle Isler)

Was auch für Polarisierung sorgt, sind die Superblock-Pilotprojekte. Manche Leute werden vor den Kopf gestossen. Zum Beispiel beschwert sich in St. Johann ein Restaurant, dass seit dem Superblock weniger Leute kommen, weil diese keinen Parkplatz finden.

Vergeat: Der Superblock lebt ganz fest davon, dass man das testen kann. Ich finde die Umsetzung nicht ideal, aber ich finde die Idee eines Pilotprojekts richtig. Das müssen wir als Stadt aushalten. Es ist blöd, trifft das eine Beiz extrem, aber da müssen wir andere Lösungen finden, als dann zu sagen, wir probieren deshalb nichts Neues mehr aus.

Die Stadtklimainitiativen wurden im Jahr 2023 überraschend deutlich abgelehnt. Ist die grüne Politik immer dann schwierig, sobald die Konsequenzen im Alltag real werden? 

Weibel: Es ist immer dann schwierig, wenn die Bevölkerung und das Gewerbe nicht mitgenommen werden bei der Umsetzung. Diese Initiativen sind am Argument der Baustellen gescheitert, dabei haben wir die Baustellen ja sowieso. Gegen mehr Bäume ist in Basel niemand. 

Vergeat: Gerade darum braucht es mehr Pilotprojekte und positive Beispiele.

Welche anderen Themen beschäftigen Sie aktuell?

Weibel: Es gibt eine riesige Herausforderung mit der psychischen Gesundheit. Das sehen wir inzwischen in allen Bereichen. Wir haben eine Versorgungslücke, die Wartelisten sind ewig, wir haben zum Teil auch prekäre Situationen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Das ist ein Thema, an dem wir dran sind. Ein Thema, welches mir in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig ist, ist die ganze Frage von Gewalt und Diskriminierung. Ausgrenzung und Diskriminierung machen psychisch krank. Wir brauchen dort Sensibilisierung und Prävention. Auch haben wir zu wenig Infrastruktur, um insbesondere Opfer von häuslicher Gewalt aufzunehmen. Dazu reichen die Grünen grad in verschiedenen Kantonen Vorstösse ein, auch in Basel-Stadt.

Ihre Parteikollegin Anina Ineichen hat gerade einen Vorstoss eingereicht für ein Konzept zum Thema Gewaltprävention an Grossanlässen. 

Weibel: Genau. Und von mir ist ein Vorstoss in der Umsetzung, bei dem es darum geht, dass man möglichst frühzeitig in die Stärkung der psychischen Gesundheit von Kindern investiert. Die Schulen sind dabei zentral, weil nur dort alle Kinder erreicht werden können. Das Thema von geschlechtsspezifischer Gewalt, sexistischer und rassistischer Diskriminierung – dort gibt es nach wie vor viele Handlungsfelder. 

«Wir werden uns beim Rheintunnel konsequent hinter die Bevölkerung stellen und das Nein weiterhin verteidigen.»
Jo Vergeat, Grünen-Grossrätin und Fraktionspräsidentin

Böse gesagt sind diese Themen aber nur schwer greifbar. Wie schafft man es dann, die Themen für die Bevölkerung konkret zu machen? Die Politik kann ja nicht von heute auf morgen neue Psychiater*innen einsetzen.

Weibel: So ungreifbar finde ich diese Themen gar nicht. Es stellen sich ganz konkrete Fragen, zum Beispiel, wie man die Ausbildung und die Anerkennung der Psychotherapeutinnen gestaltet. Wie werden sie entlohnt? Was sind die Arbeitsbedingungen? Mit welchen Schulden starten sie aufgrund der hohen Ausbildungskosten, wenn sie sich selbstständig machen? Die andere Frage ist, wie wir psychische Erkrankungen möglichst vermeiden. Dort gibt es die ganz frühe Prävention, bei der man versucht, Kinder resilienter zu machen.

Vergeat: Es wird zum Beispiel auch greifbar durch das Gewaltkonzept am ESC, das haben so viele Leute mitbekommen. Dass das übertragen wird, beispielsweise auf die Fasnacht, hilft, das Thema konkreter zu machen. Auch die Leute, die nicht betroffen sind, kriegen es mit. Das ist ein wichtiger Schritt bei der Sensibilisierung.

Was werden 2026 die bestimmenden Themen sein? 

Weibel: Es stehen sehr wichtige Abstimmungen bevor. Einerseits die SVP-Isolationsinitiative im Herbst und andererseits im März die SRG-Halbierungsinitiative, deren Annahme demokratiepolitisch höchst problematisch und gefährlich wäre.

Vergeat: Spannend bleibt es auch beim Rheintunnel, wie sich das entwickelt. Wir werden uns konsequent hinter die Bevölkerung stellen und das Nein weiterhin verteidigen. Und die Europafrage ist für Basel-Stadt extrem relevant. 

Ist Basel-Stadt auch ein bisschen verantwortlich, ein Signal zu senden an die restliche Schweiz, warum es diese Bilateralen III braucht? Bereits in Baselland ist die Stimmung zum Beispiel eine ganz andere, eher EU-skeptische.

Weibel: Ja. Wir haben in Basel-Stadt allgemein die Möglichkeit, soziale und progressive Fortschritte zu machen. Und damit auch einen Modellcharakter zu haben. Das gilt sicher auch in der Europa-Frage. Wir sind es gewohnt, dass wir in einem europäischen Umfeld leben. Es ist für uns selbstverständlich, diesen Austausch zu haben und dass er wichtig ist. In Basel ist die Verbundenheit zu Europa spürbar. Wer zentraler in der Schweiz lebt, spürt das vielleicht nicht mehr so und hat vielleicht eher die Illusion, dass die Schweiz eine Insel in einem luftleeren Raum ist. 

Fleur Weibel Jo Vergeat Grüne Interview
Fleur Weibel möchte nicht als Spassbremse wahrgenommen werden. (Bild: Michelle Isler)

Welche Themen werden die Grünen noch bewegen?

Weibel: Was ich als zentrale Herausforderung sehe, ist die Stärkung und Verteidigung der Demokratie. Auch die Frage der Stärkung der Partizipation. Wir haben in Basel-Stadt inzwischen eine Demokratiebeteiligung bei knapp 50 Prozent. Wir setzen deshalb jetzt gerade bei den Einbürgerungsgebühren an, um hier Hürden abzubauen. Dann kommt hoffentlich nächstes Jahr die Motion Vergeat in die Kommission mit dem Stimmrechtsalter 16, um die demokratische Partizipation anzuregen. Das ist letztlich auch die Grundherausforderung, die wir als politische Partei haben. Wie erreichen wir die Leute und begeistern sie, sich politisch zu engagieren? 

Gerade wurde eine neue Studie der Uni Basel veröffentlicht, in der es darum geht, dass sich junge Frauen nicht politisch engagieren wegen Ängsten vor Kommentaren auf Social Media und Diskriminierung.

Weibel: Wir haben immer wieder Situationen, in denen jemand angegangen wird. Dann sind wir als Partei gefordert und müssen das auffangen. Ich kenne diese Tendenzen auch aus der Wissenschaft. Es sind genau die gleichen Einschüchterungsversuche, wenn man sich nicht mehr traut, mit Forschungsresultaten an die Öffentlichkeit zu gehen. Und im Politischen ist es noch viel zugespitzter.

Vergeat: Man muss sich unbedingt überlegen, welche politischen Handlungsmöglichkeiten es gibt. Das ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie, dass wir miteinander reden und den Austausch pflegen können, wenn wir andere Meinungen haben. Und dass es nicht in diesem Hass und in Drohungen endet. Ich kommuniziere sehr öffentlich und schon sehr lange, und bei mir überwiegen die Hasskommentare nicht, sondern das positive Feedback. 

Zum Abschluss gern noch ein politischer Vorsatz für das neue Jahr – persönlich oder für die Partei. 

Vergeat: Ich kann mir nicht mal für mein normales Leben Vorsätze machen. (lacht) Ein persönlicher politischer Vorsatz ist, dass ich mehr frei votieren möchte im Grossen Rat. 

Weibel: In diesem Interview habe ich gesehen, dass es eine Aufgabe für uns ist, dass wir unsere breit gefächerte Politik, also unsere Themenvielfalt, noch sichtbarer machen. Wir stehen nicht nur für Klima und Verkehr. Daran werde ich nächstes Jahr sicher arbeiten. Und es ist mir ein grosses Anliegen, dass die Grünen nicht immer so bierernst und als missionarische Spassbremsen verstanden werden, die alles verbieten wollen. Das ist nicht unser Selbstverständnis: Wir wollen mit unserer Politik ein lebenswertes Zusammenleben für alle ermöglichen, ohne dass dabei der Planet an die Wand gefahren wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

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