Caritas: «Basel schliesst Menschen aus dem Kulturleben aus»

Die Kulturlegi ermöglicht Personen mit kleinem Budget am Kulturleben teilzunehmen. Doch sie ist wenig begehrt. Die Caritas wirft Basel-Stadt mangelndes Engagement vor. Einer Baselbieter Politikerin kommt das Vereinsleben zu kurz.

Domenico Sposato Kulturlegi beider Basel Caritas
Domenico Sposato ist enttäuscht vom Basler Präsidialdepartement. (Bild: zvg)

Alle sollen Kultur geniessen können, das ist auch der Basler Regierung ein Anliegen. Es sei «zentral», «dass die ganze Bevölkerung aktiv am Basler Kulturleben teilhaben kann», heisst es in der neuen kulturpolitischen Strategie.

Ein Mittel, um diese Zugänglichkeit auch für Menschen mit kleinem Budget zu ermöglichen, ist die Kulturlegi. Studierende mit Stipendien, Leute mit Prämienverbilligungen oder Sozialhilfe können mit dem Ausweis günstiger in kostenpflichtige Angebote wie Theater, Museen oder auch zum Beispiel in den Chor.

Doch: Offenbar kennen viele aus der Szene die Kulturlegi gar nicht, das wird in Gesprächen mit Veranstalter*innen deutlich. Und dieser Eindruck wird durch die Nutzer*innenzahlen bestärkt. So zeigt ein Vergleich mit anderen Kantonen: In den beiden Basel wird die Legi selten beantragt.

  • Beide Basel: 2’104 Nutzer*innen
  • Kanton Zürich: 23’000 Nutzer*innen
  • Kanton Waadt: 60’000 Nutzer*innen.

Setzt man die Zahlen ins Verhältnis zur Einwohnerzahl besitzen 0.43% der Bevölkerung in den beiden Basel aktuell eine KulturLegi. Im Kanton Waadt sind es mehr als 7%. 

«Das ist ein Armutszeugnis für Basel», findet Domenico Sposato, Geschäftsführer der Caritas beider Basel. Das katholische Hilfswerk setzt sich für «benachteiligte Menschen» ein und gibt unter anderem die Kulturlegi heraus. Aus seiner Sicht hat die geringe Nachfrage nach der Kulturlegi mit der Finanzierung zu tun. Die Kosten tragen die Kantone zu einem Drittel (BS: 20’000 Franken, BL: 10’000 Franken), der Rest kommt hauptsächlich von der Christoph Merian Stiftung. 

Domenico Sposato findet den Kantonsbeitrag zu niedrig, er weist auf den Kanton Zürich, dort übernimmt der Staat ungefähr die Hälfte der Kosten. Sposato rechnet vor: «Das ist bei einem Gesamtbudget von jährlich ca. 400’000 Franken fast siebenmal so viel wie in Basel.»

Die Caritas hat letztes Jahr eine Erhöhung der kantonalen Beiträge um jährlich 10’000 Franken beantragt, doch ohne Erfolg. Sposato kann das schwer nachvollziehen, er fragt: «Warum hat die Kulturlegi keine politische Priorität?» 

Sposato wirft den Kantonen vor: «Weil die Finanzierung der Kulturlegi in den Kantonen BS und BL durch die öffentliche Hand bescheiden ist, ist ein Teil der Basler*innen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.» Für eine Kulturstadt wie Basel sei das «mehr als fragwürdig».

Kanton hat keine Antwort auf fehlende Nachfrage 

Der Kanton Basel-Stadt spielt den Ball zurück an die Caritas. «Die Kulturlegi wird sehr geschätzt als eines unter mehreren wichtigen Angeboten. Deshalb trägt der Kanton auch aktiv zur Bewerbung bei», sagt Isabel Drews, Kommunikationsverantwortliche in der Abteilung Kultur vom Präsidialdepartement. «Die Caritas ist jedoch auch dazu aufgefordert, proaktiv die Bekanntschaft zu steigern und geeignete neue Partner zu akquirieren.» 

Warum der Kanton die von der Caritas gewünschte Budgeterhöhung ablehnte, will das Präsidialdepartement nicht beantworten.

Konzert Kultur Nachtleben Party
BScene und Polyfon: «Basler*innen sind nicht sehr zahlungsbereit»

In der Basler Kulturszene wird wieder einmal über «Gratiskultur» gestritten
. Es gibt hier überdurchschnittlich viele Festivals, für die man kein Ticket kaufen muss: Etwa das Floss oder das Jugendkulturfestival. Darunter leiden offenbar Bezahlfestivals wie Bscene und Polyfon.

Die Veranstalter*innen kritisieren kürzlich auf Bajour: «In Basel sind die Besucher*innen aufgrund der ‹Gratiskultur› nicht sehr zahlungsbereit». Das schade der Kultur, denn sie verliere in den Augen der Gesellschaft an Wert, wenn sie gratis zu haben sei.

Anders sieht man das bei den kritisieren Veranstaltungen wie dem Floss oder dem Jugendkulturfestival. Dort stehe die «Kulturförderung im Zentrum», nicht das Geldverdienen. Und die Konzerte würden niemanden ausgrenzen.

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Handlungsbedarf sieht man dagegen im Kanton Baselland. Allerdings nicht im Rahmen der Kulturlegi. Es gibt vielmehr politische Bestrebungen für eine weitere Kulturkarte. So hat Landrätin Pascale Meschberger (SP) im April 2022 ein Postulat für einen «Kultur- und Vereinspass» eingereicht. Armutsbetroffene sollen damit ebenfalls günstiger oder gratis ins Schwimmbad, ins Museum oder ins Konzert. 

Aber vor allem soll die Karte Vereinsmitgliedschaften begünstigen. Die Kulturlegi könne man für diesen Bereich nicht nutzen, kritisiert Meschberger. Das Vereinsleben ist im Baselbiet sehr wichtig. Weiterer Unterschied: Die Menschen sollen sich für die Stadtkarte aus Liestal nicht bewerben müssen, «sie soll automatisch an alle abgegeben werden, die eine Form von Ergänzungsleistungen beziehen», erklärt Meschberger. Sie will die Karte aber nicht als Konkurrenz zur Kulturlegi verstanden wissen.

Der Baselbieter Regierungsrat will das Postulat entgegennehmen, erklärt Mediensprecher Rolf Wirz. Wird der Kanton Baselland die Beiträge an die Kulturlegi stattdessen in die neue Kulturkarte investieren, sollte diese tatsächlich kommen? Dazu kann Rolf Wirz noch nichts sagen. Erst einmal muss der Landrat über das Postulat befinden.

Die grösste Geldgeberin der jetzigen Kulturlegi, die Christoph Merian Stiftung (CMS), verweist auf ihr Engagement zur Prävention und Bekämpfung von Armut in drei Handlungsfeldern: Existenzsicherung, Gesundheit und Wohnen. «Zur Sicherung der Existenz gehört ein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Caritas beider Basel ermöglicht diesen Zugang niederschwellig mit der Kulturlegi wie auch mit ihren weiteren Angeboten.»

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