Pfui Plastik

Die nackten Corona-Gewinner

Schweizweit machen Firmen in der Corona-Zeit Verluste. Es gibt aber auch Unternehmen, die von der Lage profitieren. Ein Besuch im jungen Unverpackt-Laden «Foodyblutt» im St. Johann.

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Haben gut lachen: Aeneas Hürlimann und David Dieterle vom «Foodyblutt» - Team. (Bild: Mira Humble)

Die gegeneinanderschlagenden Schraubgläser in ihrer Einkaufstasche machen ein klirrendes Geräusch, als eine Kundin den Laden betritt. Der kleine Verkaufsraum des neuen Unverpackt-Ladens «Foodyblutt» in der Mittleren Strasse vermittelt eine heimelige Atmosphäre. Lebensmittel wie Reis, Getreide oder Bohnen sind ästhetisch ansprechend in hohen Glasbehältern nebeneinander aufgereiht.

Normalerweise könnte man sich die Lebensmittel nun selbst abfüllen. Wie vieles in der Corona-Krise ist das nun aber anders. Aeneas, einer der zwei Verkäufer, nimmt die Schraubgläser entgegen. Er wiegt sie und füllt für die Kundin die gewünschten Waren ab. Dabei führen die beiden einen kleinen Plausch, es wird gelacht. Sie scheinen sich zu kennen.

«Foodyblutt» gibt es seit Mitte Dezember 2019. Das junge Basler Geschäft legt grossen Wert auf Transparenz, dafür steht auch der Name. «Foodyblutt» (von «Fudiblutt», also «splitternackt») soll nacktes Vertrauen schaffen: Bei Herkunft und Produktion der Lebensmittel herrscht maximale Transparenz. Das Gründungsteam besteht aus neun Personen, welche den Laden im Kollektiv ins Leben gerufen haben. Das Besondere: Alle Mitglieder*innen arbeiten ehrenamtlich für ihre Vision des lokalen Bioladens ohne Plastik. Jede*r arbeitet in Teilzeit auch woanders. Und es gibt keine*n «Chef*in», jede*r ist gleichberechtigt.

Mehr Treffpunkt als Laden

«Eigentlich verstehen wir das hier auch nicht als Laden, sondern mehr als Quartiertreffpunkt, als Plattform», erklärt Aeneas. «Die Idee wäre auch, dass die Menschen hier im Quartier sich austauschen und jeder etwas zu dem Projekt mit beiträgt.» Vorstellen kann sich Aeneas auch Solidaritätsprojekte. Eine Idee: den Bewohner*innen des Seniorenheimes die Zeitung vorlesen. Oder eine Kooperation mit dem Kinderhort für Mütter oder Väter, die im Laden verkaufen.

Corona löste bei vielen Basler KMUs eine existenzielle Krise aus. Bei «Foodyblutt» trat das Gegenteil ein: «Wir haben tatsächlich mehr Besucher seit den Einschränkungen der Corona-Krise», sagt David, der andere Verkäufer. Aeneas ist etwas kritischer: «Ganz genau kann man das natürlich nicht sagen. Uns gibt es erst seit Mitte Dezember, der Bekanntheitsgrad könnte auch einfach gestiegen sein.» Die Kundin, die sich eben das Glas abfüllen liess, klinkt sich ein und erzählt von langen Schlangen, die sie seit der Corona-Krise vor dem Laden beobachten konnte. «Ich hatte auch das Gefühl, dass die Menschen lockerer sind, entspannter», fügt Aeneas hinzu. «Wahrscheinlich haben viele weniger Stress und mehr Zeit im Home Office.»

«Hier entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft. Das ist besonders jetzt wichtig, wo viele isoliert leben müssen.»
Charlotte, Kundin

Ganz klar ist, dass Kund*innen für den Einkauf im Unverpackt-Laden mehr Zeit und gedankliche Vorarbeit mitbringen müssen. Die entsprechenden Behältnisse müssen gesucht und mitgenommen werden. Das bestätigt auch die Kundin: «Ich war schon immer umweltbewusst, aber manchmal scheitert es einfach an der Umsetzung», sagt sie. «Es ist umständlicher, hier einzukaufen. Ich will es aber trotzdem in Zukunft öfters machen. Lokale Geschäfte zu unterstützen und Plastik zu reduzieren, finde ich wichtig.»

Hat die Corona-Zeit dazu beigetragen, dass sich die Menschen mehr Gedanken machen, wo sie einkaufen und wo ihre Lebensmittel herkommen? «Ich glaube schon, dass sich die Leute in dieser Krisenzeit mehr Gedanken machen. Darüber, was wichtig ist im Leben. Wie sie leben wollen», sagt David. Das bestätigt eine andere Kundin namens Charlotte, die den Laden betreten hat: «Ich denke aufgrund der Pandemie mehr über den Klimawandel nach. Darüber, welchen Einfluss dieser auf die Welt haben wird. Und was ich persönlich tun kann, um meinen Beitrag zu leisten.»

Charlotte hat den kleinen Laden im St. Johann erst vor Kurzem entdeckt, möchte nun aber öfter dort einkaufen: «Ich finde es auch schön, dass man sich hier austauschen kann und ein Gefühl von Gemeinschaft entsteht. Das ist besonders jetzt wichtig, wo viele isoliert leben müssen.»

«Im Vergleich zum Supermarkt sind wir noch recht teuer. Wir wollen, dass sich jeder leisten kann, hier einzukaufen»
Aeneas, Verkäufer

Was werden David und Aeneas mit dem Umsatz machen? Schliesslich arbeiten sie nach eigener Aussage ehrenamtlich. «Also erstmal müssen wir unsere Schulden abbezahlen, die bei der Ladengründung entstanden sind. Was wir danach machen, muss im Team entschieden werden. Eine Idee wäre, bestimmte Lebensmittel günstiger zu machen. Im Vergleich zum Supermarkt sind wir noch recht teuer. Wir wollen, dass sich jeder leisten kann, hier einzukaufen», sagt Aeneas. «Eine andere Möglichkeit könnte sein, dass wir den Mitarbeiter*innen, die darauf angewiesen sind, Geld auszahlen. Etwa denen von uns mit Kindern.»

Obwohl «Foodyblutt» also einer der «Gewinner» der Corona-Krise ist, ist das Team alles andere als auf die individuelle Gewinnmaximierung aus. Idealismus vor Wirtschaft. Eine schöne Maxime in dieser aufreibenden Zeit.

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