«Wir sind so etwas wie die Ökos unter den Baubüros»
Die Baubranche ist die Dreckschleuder schlechthin. Nun schlägt die Stunde der Kreislaufwirtschaft. Bauteiljäger*innen sollen sich in den urbanen Rohstoffminen austoben.
Im Smart City Lab auf dem Basler Güterbahnhof Wolf lagern bald Dachstrukturen, Wände oder Treppen. Andreas Oefner, Co-Geschäftsführer des dort seit einigen Monaten angesiedelten Start-Ups Zirkular GmbH erklärt: «Wir sind Bauteiljäger*innen und könnten pro Monat locker ein Gebäude mit gebrauchten Bauteilen aufbauen.»
Derzeit befinden sich in der riesigen Lagerhalle an der St. Jakobs-Strasse einige ausgewählte Exponate. Weisse, orange und blaue Fassadenbleche. Türen und Betonzylinder in verschiedenen Grössen. Zirkular stellt diese für einen laufenden Architekturwettbewerb zur Verfügung. Auf dem Dreispitzareal soll damit nächsten Sommer der Basel Pavillon zusammengebaut werden. Radikales ReUse ist gefragt.
Rund 7 Prozent des weltweit ausgestossenen CO2 stammt aus der Betonproduktion.
Radikal ist auch die Bauweise von Zirkular. Oefner wirkt bescheiden und selbstbewusst zugleich, wenn er sagt: «Ja, wir sind etwas wie die Ökos unter den Baubüros.» Er weiss, die Baubranche ist eine der grössten Dreckschleudern überhaupt. Sie ist für über einen Drittel des CO2-Ausstosses weltweit verantwortlich.
Laut dem diesjährigen Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) entfielen im Jahr 2020 36 Prozent der global verbrauchten Energie auf die Bautätigkeit. Vor allem der allseits beliebte Beton frisst Unmengen an Energie. Rund 7 Prozent des weltweit ausgestossenen CO2 stammt aus der Betonproduktion.
Schwerpunkt Klimaschutz
Die Basler Regierung hat sich in ihren Legislaturplan 2021-25 zum Ziel gesetzt, nachhaltig mit natürlichen Ressourcen umzugehen und hat Kreislaufwirtschaft in Hoch- und Tiefbau zum Wort der Stunde erkoren. Regierungspräsident Beat Jans konnte Ende Oktober gegenüber Bajour zwar nicht beziffern, was das konkret an CO2 einsparen soll. Der Kanton stellt Zirkular die Fläche im Smart City Lab aber zum Nebenkostenpreis zur Verfügung, wie es auf Anfrage bei der verantwortlichen Kantons- und Stadtentwicklung des Präsidialdepartements heisst.
«Das Thema ‹nachhaltiges Bauen› beschäftigt neben dem Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) auch das Präsidialdepartement (PD), das Finanzdepartement (FD) und das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU)», teilt das BVD auf Anfrage mit. Aktuell bearbeite eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Amts für Umwelt und Energie (AUE) eine Vorlage für eine Zielvereinbarung an den Regierungsrat.
«Recycling vs. ReUse»
Was heisst denn Kreislaufwirtschaft konkret? Einerseits tüfteln Beton-Hersteller an Recycling-Beton herum und versuchen, in diesem sogenannten Zirkulit CO2 zu binden. Zirkulit ist jedoch rund 20 Prozent teurer als herkömmlicher Beton und die Technologie hat in Bezug auf Klimaneutralität noch viel Luft nach oben.
Andererseits hat man erkannt, dass die Baubranche für einen Drittel des gesamten Abfalls in Europa verantwortlich ist – sowohl nach Gewicht als auch nach Volumen. Das zeigt eine aktuelle Studie der ETH Lausanne im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt. In der alten fast leeren Lagerhalle stehend entgegnet Oefner von Zirkular: «Mit Recycling-Beton löst man das Problem nicht. Man sollte vielmehr so Planen, dass es gar keinen Beton braucht.» Man verringere zwar ein wenig das Problem der Deponie, es spare insgesamt aber nur wenig CO2.
«Mit der Wiederverwendung von Bauteilen hingegen haben wir einen riesigen Hebel in der Hand, um umweltverträglicher zu werden», fügt Oefner an. Laut der ETH-Studie stammen in der Schweiz zwei Drittel aller Abfälle von Baustellen und Gebäudeabbrüchen.
«Urban Mining»
Wiederverwendungsexpert*innen begreifen urbane Entwicklungsareale als üppig gefüllte Vorratskammern, als urbane Minen. «Unsere Bauteiljäger*innen werden dann mit Steckbriefen losgeschickt, um diese Minen zu durchsuchen», so Oefner. Die Bauweise von Zirkular koste in etwa gleich viel wie herkömmliches Bauen. «Bei den Planungskosten sind wir aktuell rund 20 Prozent teurer», sagt er. «Insgesamt ist es komplexer. Wir müssen früher konkreter planen.»
Deshalb sei auch von Seiten der Investor*innen mehr Flexibilität gefordert. «Die grossen Baukredite werden oft erst verliehen, wenn das Baugesuch bewilligt ist. Falls aber jetzt gerade die idealen 40 Einbauküchen für ein Projekt zu haben sind, dann bräuchten wir mit unserer Bauweise bereits in der Projektphase grössere flüssige Mittel», so Oefner.
Vorzeigeprojekt Elys
Bei den grossen Playern sollte das eigentlich kein Problem sein. Eine Auftraggeberin wie die Immobilien Basel-Stadt zum Beispiel kann es sich leisten, das Elys an der Elsässerstrasse kurz vor der französischen Grenze bauen zu lassen. Das Elys ist ein kubischer Bau, mit grüner Wellblechfassade und rund 200 unterschiedlichen Fenstern. Industrie-Chic gepaart mit Flicken-Charme. Rund 1000 m2 Fassadenfläche inklusive Dämmung konnte Zirkular dafür aufstöbern und wiederverwenden. Die Bauteiljäger*innen fanden nur 50 Meter weiter stadteinwärts Bleche, die nun das Dach bilden.
Zirkular ist als Fachplanerbüro aus dem Baubüro in situ hervorgegangen, das in der Schweiz schon diverse Bauprojekte mit Wiederverwendung wie das Elys umgesetzt hat. Das Haus beherbergt seit rund einem Jahr Kultur und Gewerbe. «Das Elys hat gezeigt: Es ist machbar. Das Projekt hat sich weder verzögert, noch sind die Kosten explodiert», fasst Oefner zusammen.
Dass zirkuläres Bauen vermehrt ermöglicht wird, zeigt auch die Stiftung Habitat, die nur einen Steinwurf vom Elys entfernt mit einem ReUse-Projekt aufwartet. Dort, wo die Lothringerstrasse die künftige Weinlagerstrasse kreuzt, ist ein Holzbau mit einem hohen Anteil an wiederverwendeten Bauteilen geplant und soll voraussichtlich Ende 2023 fertiggestellt sein.
Auch der Kanton macht weiter vorwärts: Das Schulhaus am Walkeweg, das sich derzeit noch im Wettbewerbsverfahren befindet, soll Antworten auf die Fragen der Nachhaltigkeit in möglichst vielen Bereichen geben, heisst es beim Bau- und Verkehrsdepartement.
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