Die Trump-Regierung hat völlig Recht
Die Schweiz ist eine Währungsmanipulatorin, sagt die US-Regierung. Stimmt nicht, sagen unsere Medien unisono. Ich sage: Stimmt doch!
Die Empörung war einhellig, als die Regierung von Präsident Trump die Schweiz auf die schwarze Liste der unfairen Wettbewerber setzte und behauptete, die Nationalbank halte den Wert des Franken künstlich tief. Unser Exportüberschuss habe nichts mit Währungsmanipulation zu tun, lautet der Tenor. Nur bei den Begründungen gab es Nuancen.
Die NZZ etwa meinte, unser Leistungsbilanzüberschuss spiegelt vor allem eine hohe Sparquote in der Schweiz, nicht aber eine unterbewertete Währung. Die Zeitungen von Tamedia zitieren den Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, wonach «die Interventionen der Nationalbank nicht den Zweck verfolgen, die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Unternehmen zu steigern, sondern eine gefährliche Aufwertung zu verhindern». Auch die Luzerner Zeitung stützt sich auf Jordan, aber mit dem Argument, es gehe um die Preisstabilität, nicht um die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
Womit indirekt von allen zugegeben wird, dass die SNB den Kurs des Franken ständig manipuliert – und zwar massiv. Von 2009 bis Ende 2014 kaufte sie Devisen im Wert von 400 Milliarden, um die rasante Aufwertung des Frankens zu bremsen, und zu verhindern, dass der Eurokurs des Frankens von damals rund 1.60 unter 1.20 sank. Seither sind weitere gut 400 Milliarden dazu gekommen.
So schnell kann's gehen
Die Wirkung dieser Eingriffe durch die Schweizer Nationalbank wurden spätestens am 15. Januar 2015 sichtbar, als die Schweizerische Nationalbank für eine kurze Zeit nicht intervenierte. Prompt sank der Kurs des Euro unter einen Franken. Shoppen und Lunchen in Lörrach oder Waldshut war plötzlich noch einmal 15 Prozent billiger.
Entsprechend teurer wurden auch die Schweizer Exportgüter. Als die SNB das Heulen und Zähneklappern der Exportindustrie und des einheimischen Gewerbes vernahm, nahm sie ihre Devisenkäufe prompt wieder auf und der Wert des Frankens sank zu allen Währungen.
Trumps Leute haben recht: Die SNB hat (fast) nie aufgehört, den Franken zu schwächen. Sie hat damit – natürlich – die Exporte verbilligt und die Importe verteuert. Sie hat unsere Wettbewerbsfähigkeit mit Währungskäufen künstlich verbessert – auch zum Schaden der US-Exportindustrie. Dass sie damit auch die Preise stabilisiert, sprich Deflation verhindert hat, trifft zu, ist aber ein Nebenprodukt. Die Behauptung, dass dies der wichtigste Grund gewesen sei, ist entsprechend scheinheilig.
Soll die SNB ihre Politik ändern, nur weil sie der Exportwirtschaft der anderen Länder schadet? Für uns würde das bedeuten, dass wir weniger exportieren und entsprechend weniger Jobs in der Exportindustrie schaffen könnten. Aber wäre das wirklich ein Schaden?
Vor- und teure Nachteile
In den letzten zehn Jahren haben wir einen kumulierten Leistungsbilanzüberschuss von 613 Milliarden Franken erzielt. Das heisst, es flossen jährlich weit mehr Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalerträge von der Schweiz ins Ausland als umgekehrt. Als «Gegenleistung» werden uns Guthaben gegenüber dem Ausland gutgeschrieben.
Macht das Sinn? Jein.
Letztlich sind unsere Exportüberschüsse ein Arbeitsbeschaffungsprogramm. Genauer: Ein Programm zur Verhinderung von noch mehr Stellenabbau in der Exportindustrie. Wie in allen Ländern ist auch bei uns der Anteil der Jobs in der Exportindustrie gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) stark gesunken. Nur etwas weniger stark. In den preissensiblen Exportindustrien ist die Beschäftigung seit 1991 um rund 70'000 Vollzeitjobs geschrumpft. Ohne Währungsdumping wären es (Pi mal Daumen) vielleicht 50'000 mehr gewesen.
Doch trotz den 613 Milliarden Überschüssen ist unser Nettoauslandvermögen in dieser Spanne um keinen Rappen gestiegen, sondern gemäss SNB-Statistik um 91 Milliarden Franken gesunken. Gut 700 Milliarden sind also verpufft. Das heisst: Unsere Guthaben entwerten sich schneller als wir neue schaffen.
Das ist ein ziemlich teures und höchst ineffizientes Arbeitsbeschaffungsprogramm. Um 50'000 Jobs zu retten, schenken wir dem Ausland Gratisarbeit im Wert von 700 Milliarden Franken. Kommt erschwerend dazu, dass die Überschüsse unserer Exportindustrie zwar letztlich von der Nationalbank aufgekauft werden (müssen), zuvor aber noch ein paar Runden in den Immobilienmärkte drehen und dort die Preise – und die Mieten – hochtreiben.
Statt uns einhellig zu empören sollten wir den berechtigten Teil an der Kritik aus den USA zum Anlass nehmen, unser vermeintliches Erfolgsmodell zu überdenken – und beispielsweise mehr die einheimische Nachfrage, statt den Export zu fördern.
Die US-Regierung macht dazu einen konkreten – aber leider kontraproduktiven – Vorschlag: Sie fordert uns auf, das Rentenalter zu erhöhen. Besser wäre es, die tiefen Renten zu erhöhen oder Mindestlöhne einzuführen, von denen man leben kann und so den Konsum anzukurbeln. Bei gleichzeitiger Senkung des Leistungsbilanz-Defizits kämen wir dann auch runter von der schwarzen Liste.
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Werner Vontobel ist gebürtiger Basler und einer der bekanntesten Wirtschaftsjournalisten der Schweiz. Auf Bajour bringt er sich regelmässig zu volkswirtschaftlichen Themen, konjunkturpolitischen Grundsatzdebatten und ökonomischen Sinnfragen ein.