Dienstpflicht für alle?
Am 30. November stimmt die Schweiz über die Service-Citoyen-Initiative ab. Sie will den Schweizer Wehrdienst grundlegend reformieren und ihn von der strengen Ausrichtung auf Sicherheit und Landesverteidigung lösen. Heute müssen ausschliesslich Männer ins Militär – oder als Alternative über einen längeren Zeitraum Zivildienst leisten bzw. einen Ersatzbeitrag zahlen. Frauen steht es frei, dies auch zu tun. Statt nur für Männer soll es aus Sicht der Initiant*innen künftig für alle jungen Schweizer*innen eine Pflicht geben, sich gemeinschaftlich einzubringen: in der Armee, im Zivilschutz oder im Zivildienst (z.B. Gesundheits-, Sozial-, oder Umweltschutzbereich). Der Bundesrat und der Grossteil des Parlaments lehnen diese Initiative ab und argumentieren, dass sie zu grossen Kosten für Bund und Kantone sowie die Wirtschaft führen würde. Von den grossen Parteien haben sich einzelne Exponent*innen zustimmend positioniert. Die Ja-Parole haben allerdings nur GLP und EVP gefasst.
Gleichpflicht oder Gleichillusion?
Der Service Citoyen klingt nach Fortschritt: Endlich sollen alle ihren Beitrag leisten – Armee, Zivilschutz, Zivildienst, Hauptsache gemeinsam. Doch Gleichberechtigung heisst nicht, einfach alle gleich zu verpflichten. Frauen leisten längst riesige Care-Arbeit, unbezahlt und kaum anerkannt. Und wer jetzt meint, Gebären sei Ersatz für Dienstpflicht – heiliges Kanonenrohr! Dann könnten Männer ja auch sagen: Weil wir früher sterben, schuften wir weniger. Solange Care-Arbeit nicht als gesellschaftlicher Dienst gilt, bleibt das Gerede von Gleichpflicht reine Illusion. Und wenn jeder frei wählen darf, ob Akten oder Sandsäcke, bleiben die vorderen Plätze leer. Gute Idee, schlecht gebaut. Ich sage Nein – nicht aus Prinzip, sondern aus Vernunft.
Ja, trotz allem
Grundsätzlich kann ich alle verstehen, die dazu nein sagen. Insbesondere Frauen, welche heute die grösste Last an unbezahlter Care-Arbeit tragen, und jetzt noch eine Dienstpflicht aufgerummt bekämen. Dennoch: Die Initiative wäre die Chance gewesen, mit einem Gegenvorschlag die Dienstpflicht neu (und dann hoffentlich auch besser) aufzugleisen. Von der stockbürgerlichen Parlamentsmehrheit ist aber sowas nicht zu erwarten, siehe Zivildienstgesetz (https://jungegruene.ch/zivildienst).
Eine Dienstpflicht für alle wäre zeitgemäss
Die Service Citoyen-Initiative stärkt den sozialen Zusammenhalt und bezieht beide Geschlechter gleichermassen mit ein. Sie trägt damit auch zur Gleichstellung bei. Zeitgemässe Einsätze (z. B. Klima‑ und Katastrophenschutz, Pflege/Soziales) bringen einen direkten Mehrwert und stärken neben der äusseren auch die innere Sicherheit. Zudem würden die personellen Ressourcen für sämtliche Milizinstitutionen gesichert.
Endlich weg von Geschlechterklischees
Niemand sagt, die Initiative löse alle Probleme, aber sie ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch für einen Dienst, der aktuelle Bedrohungen, etwa in Form des Klimawandels und der Bekämpfung der Folgen davon, mitdenkt. Ich finde auch den Vergleich von Erziehungsarbeit mit Militärdienst einfach schräg: Als Frau hat man dank Verhütungsmittel die *Wahl* ein Kind auf die Welt zu stellen, als Schweizer Mann hat man denselben Luxus der Wahlfreiheit bezüglich Militärdienst nicht. Ausserdem, viele Frauen haben heutzutage keine Kinder mehr, und diese Freiheit sollen sie haben. Dann sollen sie aber auch die gleichen Pflichten wie die Männer erfüllen. Anstatt in die immergleiche Kerbe der Frau als ausgebeutetes und schwer geschundenes Wesen zu schlagen, wäre es an der Zeit, aktuelle und zum Glück in der Mehrheit realistische Lebenswelten als Beispiel zu nehmen: Der erfolgreichen Frau, die auch etwas zu sagen und zu bestimmen hat – und die sich vorbereitet weiss, dank Service Citoyen.
Service Citoyen
Warum gerade Frauen die Service Citoyen Initiative unterstützen sollen Gerade für Frauen ist diese Initiative wichtig. Warum? Der gemeinsame Dienst unterstützt die Gleichstellung, da auch Männer die Gleichstellung live erleben können. (siehe Israel, Skandinavien) Der Dienst ist keine Bestrafung, sondern eine gratis Grundausbildung/Netzwerk, die den Frauen grösstenteils bis dato verwehrt ist. Frauen können nur heute mühsam in den Zivilschutz/Dienst. Mit der Service Citoyen Initiative ändert sich das. Mann oder Frau muss es sich auch leisten können, Freiwilligenarbeit zu machen. Bei Einführung des Service Citoyen sind wir in 10 Jahren nochmals weiter in der Gleichstellung. Frauen können im Service Citoyen mit weniger Diensttagen begünstigt werden, solange Lohnunterschied besteht. Frauen müssen Teil der Sicherheitsinistitutionen bwz der Staatsgewalt sein, damit sie in der Gesellschaft gleichgestellt sind.
Erweiterung des Horizonts
Gleichstellung hin oder her, ein Service Citoyen könnte für viele Menschen auch eine willkommene Abwechslung zum Alltag sein oder neue Perspektiven ermöglichen. Zum Beispiel die Person, die normalerweise im Büro sitzt und dann mal einen Sommer mit Bergdienst auf der Alp verbringt. Oder Schulabgänger, die einen ersten Einblick in einen Pflegeberuf erhalten, bevor sie sich für eine Ausbildung entscheiden.