Ein WC treibt das Kleinbasel um
Am Bajour-Drogenstammtisch beklagt sich ein Anwohner über den nächtlichen Lärm in der Toiletten-Anlage auf dem Matthäusplatz. Wenige Tage später ist das WC über Nacht nicht mehr zugänglich. Hat Justizdirektorin Stephanie Eymann interveniert?
«Einmal mehr ertönte der Daueralarm die Nacht hindurch bis zum Morgen, als die Toilettenreinigung kam», erzählte Kurt Bucher, wohnhaft am Matthäusplatz, am Drogenstammtisch 2.1 von Ende Januar, den Bajour gemeinsam mit dem Stadtteilsekretariat organisiert hatte. Dieser sorgte aufgrund der Massnahmen-Kommunikation durch die ebenfalls anwesende Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann die letzten Tage für ordentlich Gesprächsstoff. Unter anderem kündigte die Regierungsrätin Security an Schulen an, was ein Schweizer Novum wäre (hier die Kritik von Grünen-Grossrätin Fleur Weibel).
Bucher und andere Anwohner*innen des Kleinbasels treibt aber vor allem ein Klo um, besser gesagt: trieb sie um, denn mittlerweile ist die Anlage am Matthäusplatz von 20 bis 6 Uhr geschlossen.
Der Regierung hat Bucher bereits im Vorfeld des Drogenstammtischs einen Brief geschrieben, indem er die Schliessung des Klos über Nacht forderte. Darin schreibt er: «Heute ging wie jede Nacht, wirklich egal, wie kalt es ist, wieder ‹die Post› in unserer Strasse ab, insbesondere natürlich auch in der Toilette selber.» Das Klo dient den Süchtigen als Rückzugsort, an dem sie einigermassen ungestört konsumieren können. Bucher bietet sich in dem Schreiben sogar persönlich als abendlichen «Schliess-Dienst» an.
Keine fremden Federn
Eymann hatte am Drogenstammtisch ein offenes Ohr, nicht nur für Bucher, auch für alle anderen Anwohner*innen, die anwesend waren, sie machte fleissig Notizen und gelobte vorsichtig Besserung.
Wenige Tage nach dem Anlass im Rheinfelderhof wird die WC-Anlage geschlossen. Hat Eymann interveniert, auch wenn die Beantragung einer Schliessung eines einzelnen Klos nicht ganz die Flughöhe einer Regierungsrätin sein dürfte? «Nein», schreibt ihr Kommunikationschef Toprak Yerguz: «Unsere Vorsteherin möchte sich nicht mit fremden Federn schmücken: Die Schliessung der WC-Anlage geht einzig auf die Aktivitäten des Bau- und Verkehrsdepartements zurück, noch bevor unsere Vorsteherin die Klage vom Donnerstagabend weiterleiten konnte.»
«Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam Lösungen finden, die sozial und nachhaltig sind und niemanden ausschliessen.»Michela Seggiani, Basler SP-Fraktionspräsidentin
Die Vorsteherin des BVD ist die Grünliberale Esther Keller. Und an sie war das Schreiben des Anwohners Bucher denn auch gerichtet; Eymann sowie Gesundheitsdirektor und ad interim-Präsident Lukas Engelberger waren lediglich im CC. In der Folge hat das Tiefbauamt, welches für den Betrieb der öffentlichen WC-Anlagen zuständig ist, entschieden, die Anlage versuchsweise und bis auf Weiteres jeweils nachts zu schliessen, bestätigt die Medienstelle.
Sozial und nachhaltige Lösungen
Doch auch diese Massnahme bleibt nicht ohne Kritik. Beispielsweise findet SP-Fraktionspräsidentin Michela Seggiani, selbst eine Kleinbaslerin, die sich in der Vergangenheit mit einem Vorstoss für eine Besserung der Situation stark gemacht hat, auf Anfrage von Bajour: «Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam Lösungen finden, die sozial und nachhaltig sind und niemanden ausschliessen. Suchtkranke Menschen brauchen Rückzugsorte und Anwohnende haben das Recht auf Nachtruhe. Das ist ein Dilemma, das nicht so einfach gelöst werden kann, schon gar nicht mit übereilten WC-Schliessungen. Das bringt vielleicht kurzfristig etwas Ruhe, aber dadurch werden suchtkranke Menschen verdrängt und öffentliche Toiletten sollten auch weiterhin öffentlich zugänglich sein.»
Bucher räumt ein, dass «durch die Schliessung öffentlicher Toilettenanlagen Räume für den Konsum von Drogen während der Nachtzeit wegfallen.» Doch: «Ob WC-Anlagen ‹sichere und saubere› Orte für Drogenabhängige sind, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen, stelle ich infrage.» Seines Erachtens sollte für eine entsprechende Nachhaltigkeit «der Staat sichere Konsumräume rund um die Uhr bereit stellen.» Damit, so Bucher, würden auch die sozialen Dimensionen der Konsument*innen berücksichtigt – und der Staat würde gleichzeitig den Anliegen der Wohnbevölkerung gerecht werden.
Am Drogenstammtisch hatte Eymann neben der umstrittenen Massnahme «Security an Schulen» auch «die Erweiterung der Öffnungszeiten sowie der Räumlichkeiten der Kontakt + Anlaufstellen» kommuniziert, damit die Konsument*innen besser aufgefangen werden können. Von einer Öffnung rund um die Uhr war aber (noch) nicht die Rede.
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