«Ich bin lieber abends und an den ruhigen Orten unterwegs»
Krähen, die Säcke aufreissen, Dealer und dann noch falsch parkierte Autos: Im Kleinbasel, wo Anita Treml zuhause ist, gibt es gleich mehrere Hotspots. Als IGK-Präsidentin kämpft sie gegen das schlechte Image an.
Anita Treml, der Sommer ist da und wir schwitzen. Was gefällt Ihnen an der heissen Jahreszeit am besten?
Natürlich die langen Abende, dass es lange hell ist. Dadurch kann man lange unterwegs sein, zum Beispiel im Kleinbasel.
Sie sind Präsidentin der Interessensgemeinschaft Kleinbasel (IGK) und eine Kleinbaslerin durch und durch, wie mein Kollege Ernst Field vor drei Jahren in einem Porträt über Sie geschrieben hat. Haben Sie Lieblingsecken im Quartier, auch für die heissen Tage? Einen Geheimtipp, vielleicht?
Ja, ich bin lieber an den ruhigen Orten und abends unterwegs, ich bin gerne in den Biergärten an der Rheingasse, die ich selbst geschaffen habe (Anmerkung der Redaktion: Anita Treml ist die ehemalige Geschäftsführerin der Brauerei Fischerstube), oder am Rande der Riviera am Rhein entlang, zum Beispiel in der Dreirosenbuvette, wo es ein bisschen ruhiger ist als weiter oben.
Tatsächlich ist das Rheinufer sehr belebt, fast schon ein bisschen überbevölkert, spazieren Sie trotzdem noch gerne auf und ab?
Ich spaziere weniger auf und ab, wenn schon, dann nehme ich das Velo, so komme ich schneller vorwärts. Mir ist am Rheinbord ein Spürli zu viel Rummel, ich bin aber auch schon ein bisschen älter. Aber es gibt so viele andere schöne Ecken; das Kleinbasel hat auch eine schöne Altstadt mit Innenhöfen, da gibt es vielleicht nicht unbedingt Gastronomie. Vom Theodorskirchplatz über den Lindenberg bis zum Lamm: Es gibt Seitenstrassen am Rhein entlang, die schön sind, da streife ich sehr gerne durch.
«Grundsätzlich bin ich aber schon eher auf der Seite von Belebung.»Anita Treml, Präsidentin Interessengemeinschaft Kleinbasel (IGK)
Stadtbelebung scheint in Basel gut funktioniert zu haben, hat man vielleicht sogar ein bisschen zu viel belebt, oder braucht es immer noch mehr?
Ich denke, das wird sich von alleine regulieren, wenn die Leute wieder ruhigere Orte suchen. Ich finde die Mediterranisierung des Kleinbasels eine gute Entwicklung, früher hatte man am Rheinweg Drogenprobleme, die Belebung hat also viel Positives gebracht.
Soziale Kontrolle quasi?
Ja, aber auch für den Tourismus, es ist irre. Ich hatte letzten Sommer Besuch aus Amerika, die sind Kopf gestanden. Sie konnten kaum glauben, dass mitten in einer Stadt ein Fluss so sauber ist, dass man baden kann. Das fanden die super und sind gleich nochmals reingesprungen.
Aber wurden im Nachgang von Corona nicht auch ein bisschen Tatsachen geschaffen, als Beizen grosszügiger rausstuhlen durften? So stehen heute die Stühle und Tische der Buvetten quasi überall am Rhein, mancherorts kommt man kaum noch durch. Da stellt sich mir die Frage: Wem gehört der öffentliche Raum heute?
Ich denke auch oft: Hier hat man nicht mehr zurückbuchstabiert. Einerseits finde ich die Belebung toll, aber man kann auch übermarchen. Grundsätzlich bin ich aber schon eher auf der Seite von Belebung. Und ich weiss, wie schwierig es ist, Belebung hinzubekommen, von dem her begrüsse ich es. Aber klar: Jede Sache hat auch eine Schattenseite.
Zum Beispiel Verdrängung? Zumindest haben die Boulespieler*innen vom Rheinufer davor Angst. Auch wird kritisiert, dass der Keck Kiosk, der nun von der Parterre Gruppe betrieben wird, nicht mehr auf Kultur setzt, sondern auf Konsum. Verdrängt man Menschen, die nicht konsumieren, aus dem öffentlichem Raum?
Die haben natürlich keine Lobby.
Ich meine damit nicht die Randständigen.
Nein, junge Leute, oder die pensionierten Boulespieler. Ich denke, da muss es Lösungen geben, aber der Hauptbau der Kaserne braucht natürlich etwas Niederschwelliges …
In dem neuen Kiosk gibt es auch einen Infostand zum Kasernen-Areal, möchte ich noch dazusagen.
Vielleicht muss man die Parterre Gruppe einbinden und Forderungen stellen, damit sie kulturelle und soziale Bedürfnisse abdeckt, aber ich weiss als ehemalige Unternehmerin, wie schwierig es ist, dass es sich rechnet. Und eine Parterre Gruppe muss rechnen.
Philipp Cueni, Präsident IG Pro Kasernenareal, der den Kiosk betreibt, hat mir gesagt, der Kiosk rechne sich sowieso nicht, die Gelder, die das Parterre einnehme, seien Gelder, um das Personal zu bezahlen, das in dem Kiosk stehe. Und von wegen sozialer Kontrolle: Durch die Präsenz solle auch die Problematik mit Dealern und Süchtigen auf der Kaserne entschärft werden.
Wir von IGK haben uns auch schon gefragt, was eigentlich mit der grossen Teerfläche ist, wieso diese nicht bespielt wird. Die Messe hat es doch gerade vorgemacht, wie man Plätze beleben kann, natürlich nur mit mobilen Sachen wegen der Herbstmesse und so weiter.
Da sind sie offenbar dran, es soll ein Schachbrett geben und mobile Bänke.
Ah gut, aber zum Beispiel auch etwas für junge Leute, für Jugendliche, für die das Angebot im Kleinbasel wirklich nicht gerade reich ist, es kann durchaus auch ein Fussballfeld sein.
Oder eine Schwimmhalle?
(Lacht) Eine Schwimmhalle, da würden Sie mich ansprechen. Eher eine Skater-Ecke; es müsste mobil sein, aber das wäre machbar. Die Messe macht es vor.
Nun kommen wir doch nochmals zu den Randständigen. Sie haben den Claramarkt ins Leben gerufen, um den Claraplatz, der bekannt ist als Schmuddelplatz, aufzuwerten, und damit auch die Debatte angestossen, welche Gefahren Belebungsoffensiven bergen, konkret: Werden dadurch Menschen auch aus dem öffentlichen Raum verdrängt?
Also erstens haben wir einfach den Platz vor der Kirche bekommen, da wird gar niemand verdrängt, weil die sogenannten Randständigen auf der anderen Seite beim Kiosk sind, ebenso die Dealer. Bei so wenig Platz, wie wir zugewiesen bekommen haben, besteht keine Gefahr von Verdrängung. In Klammer: Wir hätten gerne mehr Fläche gehabt, um wirklich ein Aufwertungsprojekt zu sein. Aber wir haben das Beste daraus gemacht und versucht, auch den Schulhof zu beleben. Aber die Randständigen wollen wir nicht verdrängen, die müssen auch irgendwo sein.
Aber die Dealer, haben Sie in einem BaZ-Artikel gesagt, die haben keinen Platz im Kleinbasel.
Ja.
Was kann man gegen die Dealer unternehmen? Brauchen wir mehr Bundesräte? Weil seit Beat Jans Bundesrat ist, ist es an der Florastrasse, wo er wohnt, aufgrund der Bodyguards ruhiger geworden?
Die Detailkenntnis habe ich nicht, aber wenn sie an einem Ort verdrängt werden, dann tauchen sie woanders auf.
«Das Problem mit den Dealern ist explodiert, weil Europa von Koks überschwemmt wird.»Anita Treml, Präsidentin Interessengemeinschaft Kleinbasel (IGK)
Die Frage ist für mich ein bisschen, wie man mit Randständigen und Süchtigen zusammenlebt?
Die Randständigen, das war schon immer im Kleinbasel: Da muss es ein Nebeneinander geben. Aber das Problem mit den Dealern ist explodiert, weil Europa von Koks überschwemmt wird. Gleichzeitig finde ich, es sind nicht nur die Dealer, auch die Konsumierenden tragen etwas zum Schlechten bei, indem sie die Substanzen kaufen und konsumieren. Unsere Gesellschaft hat hier eine Verantwortung, nicht nur die bösen Dealer.
Stört sie der schlechte Ruf, den das Kleinbasel auch wegen der Drogenproblematik hat?
Das stört mich sehr, weil es immer noch Leute gibt, die nicht ins Kleinbasel kommen. Darum war es mir auch so wichtig, am Claraplatz mal was Positives zu lancieren, nicht weil man etwas verdrängen will, sondern, um zu zeigen, dass es auch mal was Positives gibt.
Die Rückmeldungen waren positiv, sind Sie zufrieden?
Ich bin nie zufrieden (lacht), mit den Rückmeldungen vielleicht schon, aber es ist eine Herausforderung. Die Verwaltung ist zwar guten Willens, etwas zu machen, aber es gibt heute so viele Regeln und Verordnungen, alles ist reglementiert. Niemand hat mehr den Mut, etwas zu entscheiden.
Ich muss nochmals auf Drogenproblematik zurückkommen: Mit den heissen Tagen nehmen auch die Beschwerden aus der Bevölkerung zu, wie erleben Sie das? Ist das Leiden über den Konsum und die Dealerei wieder stärker geworden?
Das weiss ich nicht. Klar, wenn es warm ist, sind auch andere Menschen mehr draussen und bekommen mehr mit, aber dass es auf Schulwegen nicht gut war, das habe ich auch im Winter gehört. Es gibt einfach Hotspots, zum Beispiel die Müllheimerstrasse, wo Verschiedenes zusammenkommt: Krähen, die Säcke aufreissen, Dealer und dann noch falsch parkierte Autos, das sind dann so Hotspots, an denen es nicht mehr lustig ist.
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