ESS goes Bundesrat – doch noch?
Seit die Mitte ihr männliches Zweierticket präsentiert hat, laufen die Drähte heiss. Die Ratslinke bastelt an einer Gegenstrategie, um Bauernpräsident Markus Ritter zu verhindern. Heisst die Heilsbringerin Elisabeth Schneider-Schneiter? Ein Gedankenspiel.
Aufregung im Bundeshaus: Nicht nur zu männlich sei das Ticket, sondern auch unfähig, wettert die Ratslinke, während die Bürgerlichen die sachpolitische Kompetenz der beiden Mitte-Kandidaten nicht infrage stellt. Die da wären: Martin Pfister, Zuger Gesundheitsdirektor, und Markus Ritter, St. Galler Nationalrat und Bauernpräsident. Wie vor jeder Bundesratswahl gibt es auch dieses Mal – am 12. März, dem Fasnachtsmittwoch ist es soweit – viel Lärm und wildeste Spekulationen.
Um nichts. Denn am Ende dürfte wie fast immer (die Abwahl von Christoph Blocher 2007 war die grosse Ausnahme) alles in geregelter Bahn ablaufen, weil sich sowohl links als auch rechts davor fürchtet, das Gleichgewicht des Schreckens aus der Balance zu bringen, sprich: wenn jetzt die Ratslinke vom Ticket abweichen würde, kann sie darauf wetten, dass sich bei der nächsten Wahl die Ratsrechte nicht daran halten und wild wählen würde. Dass der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch, der es bei der SP 2023 nicht aufs Ticket geschafft hat, weil die Genoss*innen der Bundesversammlung ein reines Frauenticket präsentierten, trotzdem 70 Stimmen erhalten hat, dürfte das Maximum an Gefühlen sein.
Ausserordentliche Fraktionssitzungen
Nichtsdestotrotz: Die Ratslinke hält noch diese Woche ausserordentliche Fraktionssitzungen ab, um Ritter zu verhindern. Alle ausser Ritter, lautet der Guerilla-Kampf-Slogan derzeit. Und die Frage ist: Mit welchem Szenario in oder ausserhalb des Tickets kann man dieses Ziel erreichen?
Mit einem Pfister, der kandidiert (Martin) oder einem Pfister, der nicht kandidiert (Gerhard)? Oder gar mit der Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (ESS), dem EU-Turbo im Bundeshaus – einer Wirtschaftsfrau, die erst am Montag klar Kritik geübt hat an ihrer Partei, weil sie von der Parteileitung bzw. dem Boys Club zu wenig Unterstützung gespürt und drum ihre Kandidatur zurückgezogen hat? Könnte just diese Direktheit eine Mobilisierung von links auslösen, die darin endet, dass ESS doch noch Bundesrätin wird? We will see.
Klar ist heute nur: Es wird nicht ausserhalb der Mitte gewählt. So hält man von den Nordmannschen GLP-Spielchen parteiübergreifend herzlich wenig; SP-Nationalrat Roger Nordmann brachte am Wochenende die GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser ins Spiel. Diese winkte denn auch gleich ab. Die Episode dürfte demnach nicht mehr als Volksunterhaltung gewesen sein.
Denn: Keiner im Bundeshaus hat an diesem Szenario ernsthaft Interesse. Wieso sollte ausgerechnet die GLP einen Sitz in der Landesregierung erhalten, wo doch die Grünen einen weitaus grösseren Anspruch hätten? Das Gleiche gilt für die Mitte und ihren zweiten Sitz bei einer weiteren Vakanz, obschon sie sich dafür mit der chaotischen Kandidat*innensuche keinen Gefallen getan haben dürfte.
In der Not frisst der Teufel Fliegen.
Klar ist auch: Eine mögliche wilde Kandidatin muss nicht unbedingt am linksten Rand der Mitte politisieren, wie etwa die Waadtländer Nationalrätin Isabelle Chappuis. So wäre Links-Grün wohl durchaus bereit, ganz im Sinne des Teufels in der Not, Fliegen zu fressen. Und die Fliege Schneider-Schneiter dürfte der Linken nicht mal sooo schlecht schmecken. Im übertragenen Sinne, natürlich. Und ein politisches Fliegengewicht ist ESS nicht.
EU-Turbo im Bundeshaus
Ihr Plus oder Minus, je nachdem, von welcher Seite man es anschaut, ist das EU-Dossier; die Europafreund*innen könnten sich gerade deshalb für sie aussprechen. Gleichzeitig muss gesagt werden, dass nun, da die Verhandlungen mit der EU abgeschlossen sind, die Sozialpartner*innen und das Parlament an der Reihe sind. Von daher ist ESS in der Legislative gar nicht mal so schlecht aufgehoben.
Auch die Luzerner Nationalrätin Priska Wismer-Felder könnte eine Option sein für eine wilde Kandidatur, hat sie doch zumindest in Umweltfragen eine progressive Mitte-Haltung; sie, die in der Umweltkommission sitzt, könnte in den Bundesrat Fachkenntnisse einbringen, die in Zeiten der Klimakrise von Nöten wären. Und nicht zuletzt dem SVP-Magistraten Albert Rösti Kante geben.
Doch die Szenarien, die in den Medien im Vorfeld gewälzt werden, sind kaum je jene, die am Morgen der Bundesratswahlen den Fraktionen als geheimer Plan präsentiert werden. Überraschungen sind also bis zum Schluss nicht ganz auszuschliessen.
Drum: Top, die Wette gilt. ESS goes Bundesrat.