Party frisst Mensch
Fomo, Fear of missing out, die Furcht nicht dabei zu sein bei der Spassgesellschaft – das ist das Thema, das der niederländische Performer Jetse Batelaan auf der Basler Bühne verhandelt. «Es wär so schade wenn du das verpasst» heisst der Abend, der etwas zu plakativ daherkommt.
Eine raumhohe, klotzige Spiegelbox steht quer auf der Bühne und steht allen, die spielen wollen, im Weg. Aus ihr donnert Partymusik, die Bässe fahren dem Publikum in die Bäuche. Neben der heissen, rauchenden Box, die mittels einer roten Laufschrift fröhliche Werbebotschaften für tolle Partys verkündet, stehen drei hilflose Gestalten: zwei Schauspieler und eine Spielerin.
Keine Ruhe in Sicht
Eigentlich haben die Partyorganisator*innen, die das Theater gemietet haben, ab Vorstellungsbeginn Ruhe versprochen. Aber immer wenn die drei mit ihrer Bühnenkunst anfangen wollen, dröhnen neue Beats durch den Raum. Peinlich für die Spielenden, sie müssen die Zuschauer*innen im hellen Publikumsraum vertrösten.
Wenn die Musik eine Pause macht, schöpfen sie Hoffnung, wollen grad loslegen mit ihrem Text – und erhalten prompt wieder eine akustische Ohrfeige. Ihre Proteste, Beschwerde-Telefonate, Zornausbrüche und Wutschläge gegen die Boxenwand bleiben erfolglos.
Das ist als Situation urkomisch, wenn auch viel zu lange ausgespielt. Kay Kysela verlässt sich erfolgreich auf seinen diskreten, trockenen Witz. Fabian Dämmich als blonder Braver wirkt etwas fahrig und spielt zu viel. Claudia Kanne (für die erkrankte Vera Flück eingesprungen) gibt die Verschüchterte.
Und da verstummt das Musikgedröhn schliesslich doch. Jetzt aber wissen die drei nicht, was sie sagen sollen. Sie verheddern sich, geraten in Streit miteinander und flüchten sich schliesslich in ihre Handys, die ihnen Bilder von der Party im Innern der Box zeigen.
Im Griff der Party
Plötzlich aber geschieht ein Wunder. Lichtwechsel! Das Innere der Box ist sichtbar. Dort ist eine Riesenparty im Gang, fantastisch in vielen Farben beleuchtet. Das ist eine Meisterleistung des Lichtdesigners Mario Bubic und der Bühnenbildner Marloes van der Hoek und Wikke van Houwelingen. Aus dem Zuschauerraum stürmen ein Dutzend Partygänger*innen in bunten Kostümen und erkämpfen sich Zugang zur Tanzfläche.
Der tyrannische Türsteher lässt nur rein, wen er will, und schliesst aus, wen er nicht mag. Wir erleben von da an die Spiegelbox abwechselnd von aussen als Blackbox und bei neuerlichen Lichtwechseln von innen als bunt beleuchtete «location», manchmal vollgestopft mit hüpfenden Tänzer*innen, manchmal trostlos leer.
Es könnte ein Albtraum sein.
Die drei Schauspieler*innen geraten in den Sog der Party. Wir beobachten, wie sie sich von Menschen in schrill schreiende, überdrehte Partyteilnehmer*innen verwandeln. Und die Szenerie kippt ins Fantastische: Gelegentlich steht einer von ihnen oder die junge Frau mutterseelenallein mitten auf der Tanzfläche.
Die drei, die sich am Anfang nahe waren, verlieren sich, werden bald von der wilden Party wieder ausgespuckt und versacken in eine postfestiven Depression. Eigentlich wollen sie jetzt nur noch «nach Hause», aber der wilde Tanz geht weiter und die rote Leuchtschrift verkündet: Party for ever! No escape! No way out! Stay with us! Keep on dancing! There is no outside!
Der niederländische Regisseur Jetse Batelaan – in Basel aufgrund seiner Produktion «Streit» in bester Erinnerung – hat «Es wär so schade wenn du das verpasst» mit seiner holländischen Crew und den Spielenden vom Nullpunkt an mit Hilfe von Improvisationen entwickelt. Optisch und ästhetisch ist das ein überzeugender Abend. Inhaltlich ist er etwas gar dünn und plakativ geraten.
Party frisst Mensch, mehr ist das nicht. Der Text gibt wenig her. Da die drei Spielenden blass bleiben und einem nicht ans Herz wachsen, siegt letzten Endes doch die bunte Partywelt, die vom Konzept her eigentlich in Frage gestellt werden sollte. Bei einem sehr jungen Teil des Publikums kam die Vorstellung gut an.