Eine Fähre, drei Bässe
Die ehemalige Bassistin von «Stiller Has», Salome Buser, ist die neue Fährifrau bei der Dreirosenbrücke. Ihre beiden Mit-Fährimänner sind auch Bassisten, keine unbekannten. Das kann doch kein Zufall sein?! Eine Spurensuche.
Wer sie einmal auf der Bühne gesehen hat, erkennt sie sogleich wieder, auch von weitem, wenn sie mitten auf dem Rhein auf der Fähre steht und Ausschau hält. Salome Buser, die langjährige Bassistin der Kultband «Stiller Has» und seit Juni die neue Fährifrau der Ueli-Fähri. Sie hat soeben ihren Dienst beendet und kommt zur Dreirosen-Buvette: Freche Frise, fesche Bluse, schnelle Chinos, trendy Shades.
Seit 11 Uhr, als sie pünktlich das Gatter zum Fähristeg öffnete, ist sie auf dem Wasser. Wir durften sie bereits am Morgen besuchen. Und da steht schon einiges an, um klar Schiff zu machen. Sie schliesst die Doppeltür auf, wirft die elektrische Lenzpumpe an, um das Regenwasser abzusaugen. Bei heftigen Niederschlägen, wie wir es seit kurzem erleben, kommt da einiges zusammen.
Die Akkus sind geladen, photovoltaisch. Mit einer Kurbel lässt Salome die Elektro-Aussenborder ins Wasser und checkt sie. Sie stellt das Funkgerät an, mit welchem sie Schiffe in der Nähe kontaktieren kann. Ein Blick auf das AIS, ein kleines Gerät, auf dessen Display die Schiffe auf dem Basler Rheinabschnitt zu erkennen sind. «Leider kann man nicht noch näher ranzoomen», kommentiert sie. Die Symbole nahe liegender Schiffe geraten übereinander und sind schwer zu identifizieren. Dann wird mit einem Bäseli abgestaubt und die gröbsten Spinnweben beseitigt.
Mit einem Blick rheinaufwärts und rheinabwärts versichert Salome Buser sich, dass da nicht wer unterwegs ist. «Es ist erstaunlich, wie die Pfeiler der Dreirosenbrücke optisch klein scheinen. Aber dahinter kann sich locker ein grosses Schiff verbergen.» Im Moment verstellt uns ein Passagierschiff an der St. Johann-Anlegestelle die Sicht. Vorsichtig fahren wir los.
Ein Rheintaxi zieht schnell vorbei. Am Kleinbasler Ufer legen wir an, und eine Wellenserie eines vorbeifahrenden Frachtschiffes bringt Salome in die Sätze. Sofort lockert sie die Leine zum Landungssteg und schiebt die Fähre etwas weg: Der Kahn muss, ohne auf den Steg zu stossen, frei schaukeln können und darf weder Schaden nehmen noch anrichten.
Auf dem Rhein können sich die Bedingungen jederzeit ändern. Wind, Wellen, Wasser. Alles muss sie im Auge behalten, Aufmerksamkeit ist Pflicht. «Ich habe mir die Arbeit als Fährfrau/Fährmann eigentlich entspannter und easier vorgestellt», sagt Salome Buser. «aber ich liebe sie über alles!»
Der Teppich muss stimmen
Aber wie ist die Bassistin zur Fähre gekommen? «Eine längere Geschichte», sagt sie. «Weisst du, dass es auf dieser Fähre noch zwei weitere Bassisten gibt?» Tatsächlich: Florian Senn war bei den Lovebugs am Bass, der Kontrabassist Stephan Kurmann ist bekannt vom Jazzclub Birdseye. «Und dann gibt es auch in Bern auf der Aare einen Bassisten, den Mich Gerber. Wir haben uns dann schon mal gefragt, wie das kommt…»
Und? «Der Bass ist ein tragendes Instrument. Wir legen den Teppich für die anderen Instrumente.» Es gebe viele Gemeinsamkeiten. «Wir müssen immer wach sein. Unsere Tätigkeit, als Fährleute wie als Bassisten, findet genau im Jetzt statt. Wir müssen wirklich aufpassen. Wenn nicht, gibts Schiffbruch, auch bei der Band. Wir stehen im Hintergrund – auch auf der Fähre – haben aber die volle Verantwortung», erzählt Salome. Wenn sie Bass spiele, sei das auch beruhigend. Ähnlich wie auf dem Strom mit den Fliessgeräuschen.
Ohne Zweifel: Die Fähre ist ein Ort des Übergangs, mythologisch eine Verbindung zwischen Leben und Tod, buchstäblich ein Archetyp. Vielleicht sind deshalb Fährleute auch ein bisschen Philosoph*innen.
Salomes unglaubliche Wasser-Erfahrungen
Mit dem Element Wasser ist Salome seit ihrer Kindheit verbunden, die Beziehung ist ambivalent. Als Kind hilft ihr der tägliche intensive Schwimmsport, den frühen Tod des Vaters zu überwinden. Als junge Frau kommt sie knapp mit dem Leben davon, als sie bei der Mittleren Brücke in den Sog eines Brückenpfeilers gerät und an diesem den Kopf anschlägt. Sie verliert das Bewusstsein, hat eine Nahtoderfahrung. «Ich habe wahrscheinlich reflexartig zu schwimmen begonnen. Wie gewohnt. Das hat mir das Leben gerettet.»
Mit 50 Jahren ereilte sie eine Lebenskrise. Sie verliess den «Stillen Has», verlor die Mutter, die Beziehung ging in Brüche. Dann half ihr, verkürzt gesagt, das Wasser, sich wieder aufzurappeln. Vor fünf Jahren befand sie: «Jetzt bin ich wieder dran». Also zurück aufs Wasser. Segelprüfung 2017, die für Motorboote 2018, Atlantiküberquerung per Segelboot 2019. Dann folgt die Fährprüfung – und voilà: Land in Sicht! Jetzt sitzt sie da mit ihrer frechen Frise und einem ansteckenden Lachen.
Eine gute Truppe
Zum Bajour-Fotoshooting gesellen sich Florian und Stephan. Die Stimmung ist überaus herzlich, sie kennen sich schon lange. Stephan Kurmann ist sehr entspannt, trotz der nervigen Auseinandersetzungen um seine Kündigung in dem von ihm gegründeten Jazzclub Bird’s eye. In unserem Gespräch klammern wir dieses kontroverse Thema bewusst aus, es geht hier um die Fähri. Und nicht um ein Minenfeld.
Was hat es auf sich mit dem Spruch: «Verzell du das em Fährimaa» (oder eben auch: -frau) auf sich?
Florian sagt: «Es gibt schon Menschen, die vertrauen dir sehr viel an, erzählen die Lebensgeschichte, schütten dir das Herz aus. Es sind vielleicht Leute, die niemand anderes haben.»
Stephan sagt: «Ich höre allen zu, aber sie bekommen dann vielleicht auch meinen Kommentar zu hören. Ich halte meine Meinung nicht hinter dem Berg. Ja, wir Fährileute stehen nicht unter der Schweigepflicht. Und die anderen auch nicht.»
«Ich habe die Prüfung 2015 gemacht und arbeite mehrheitlich als Springer. Es gefällt mir hier unglaublich gut. Ich bin einfach gerne hier und mache zudem etwas Sinnvolles und Nützliches.» Die Fähre sei unter Remy Wirz so etwas wie ein Treffpunkt geworden, zumindest vor Corona.
Für Florian wiederum war «Fährimaa» ein Bubentraum. «Den habe ich mir erfüllt.» Er hat hier ein 20-Prozent-Pensum, in der anderen Zeit kümmert er sich um seine drei Kinder und den Haushalt. Zum insgesamt 10-köpfigen Team auf der Ueli-Fähre gehört übrigens noch eine weitere Frau, Annette Fromm. Sie ist nicht Bassistin, sondern Architektin.
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