Fast zwei Drittel ohne Produktionsleitung
Eine aktuelle Umfrage von t. Basel zeigt, dass viele darstellende Künstler*innen keine personelle Unterstützung für Fundraising, Buchhaltung und Tourneeplanung finden. Das bedeutet eine wachsende Belastung für die künstlerische Leitung.
Damit aus einer Projektskizze ein gelungenes Theaterstück wird, braucht es nicht nur künstlerisch, sondern auch organisatorisch viel Engagement. Diese Arbeit übernehmen in der freien Szene die Produktionsleiter*innen. Sie kümmern sich darum, dass alle Mitarbeiter*innen ihre Löhne bekommen, die Gastspiele geplant werden und Publikum zu den Aufführungen kommt.
Doch in Basel und im gesamten deutschsprachigen Raum gibt es sehr wenige Menschen, die diesen Beruf ausüben. Einige Jahre hat in der Region das Produktionsdock einen grossen Teil der Produktionsarbeit übernommen. Dort haben sich verschiedene freischaffende Produktionsleiter*innen zusammengeschlossen, Ressourcen gebündelt und Volontär*innen ausgebildet.
Im Januar 2024 hat das Büro aber bekannt gegeben, dass es auf Ende 2024 schliessen wird. Ausschlaggebend war, dass das Produktionsdock nicht wie erhofft eine höhere und vor allem längerfristige Förderung von Seiten des Kantons erhalten hat. Gründungsmitglied Bernhard la Dous sagte damals gegenüber Bajour: «Die Situation war schon immer prekär. Von den vier Gründungsmitgliedern bin nur noch ich übrig geblieben. Wir haben ein grosses Thema mit der Arbeitsbelastung. Viele haben das Team bereits verlassen.»
Das Produktionsdock organisierte die grossen Theaterproduktionen in der Freien Szene. Es wollte mehr finanzielle Unterstützung und Planungssicherheit. Bekommen hat es das gleiche Budget wie bisher. Deshalb hat es den Betrieb eingestellt.
Unter den Künstler*innen herrschte grosses Bedauern. Viele gingen davon aus, keinen Ersatz für die Produktionsarbeiten zu finden. Die Schilderungen der Mitarbeiter*innen des Produktionsdock legen nahe, dass dies kein besonders lukrativer Beruf ist – auch eine spezifische Ausbildung gibt es nicht.
Die Befürchtungen der Künstler*innen haben sich nun bestätigt, wie eine aktuelle Umfrage des Branchenverbands der freien Theaterschaffenden t. Basel zeigt. Im Herbst 2024 haben 99 Personen aus der Region an der Befragung teilgenommen. Der Grossteil von ihnen arbeitet in der freien Szene. 45 Prozent gaben an, für ihre Produktionen in den nächsten drei Jahren keine Produktionsleitung zu haben, 15 Prozent haben nur jemanden für einen Teil der Produktionen. Fast zwei Drittel der Befragten haben also nicht genügend Unterstützung in diesem Bereich.
Die Erhebung hat auch nach dem Bedürfnis nach Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich der Produktionsleitung gefragt. Die Hälfte der Befragten, wären bereit, Produktionsaufgaben für sich oder andere zu übernehmen und 56 Prozent könnten sich eine Weiterbildung zur Produktionsleiter*in vorstellen. Es gibt aber auch einige Kulturschaffende, die sich dieser Arbeit nicht annehmen möchten. 35 Prozent wollen keine Produktionsarbeiten machen.
Weitere Schritte noch unklar
Mit dieser Umfrage hat t. Basel den Stand der Dinge anschaulich aufgezeigt. Was nun die nächsten Schritte oder möglichen Forderungen an die zuständigen Stellen sein werden, sei noch offen, sagt Regisseur Marcel Schwald gegenüber Bajour, er ist langjähriges Vorsitzmitglied von t.Punkt.
Die Geschäftsstelle des bikantonalen Fachausschusses Darstellende Künste ist in der Abteilung Kulturförderung Basel-Landschaft angesiedelt. Die Baselbieter Kulturchefin Esther Roth sieht in der Umfrage eine weitere wertvolle Grundlage für die Diskussion, welche Bedürfnisse im Bereich Produktionsleitung in der freien Szene in der Region Basel bestehen. Sie betont aber auch, dass der Mangel an Produktionsleitungen respektive die grosse Fluktuation aus dem Beruf in Basel-Landschaft und Basel-Stadt bereits mehrfach diskutiert wurde, beispielsweise im Rahmen der Erarbeitung des neuen Fördermodells. Ausserdem gäbe es in der Auswertung der Umfrage einige Schlussfolgerungen, die nicht nachvollziehbar wären, so Roth. Diese erläutert sie gegenüber Bajour nicht, sie möchte die offenen Fragen mit Vertreter*innen der Szene diskutieren.
Der Druck wächst
Dass die aktuelle Situation eine Mehrbelastung für die Kulturschaffenden bedeutet, macht die Fachverantwortliche Darstellende Künste, Film & Medienkunst in Baselland, Silvie von Kaenel, deutlich: «Die produktionellen Aufgaben müssen wieder vermehrt von den künstlerischen Leitungspersonen selbst übernommen werden. Dies bedeutet insbesondere in den Wochen vor der Premiere eine grosse, vielschichtige Arbeitsbelastung, da viele Arbeiten zeitgleich geleistet werden müssen.» Neben den künstlerischen Proben, die sich zur Premiere hin intensivieren, müssten die Medienarbeit, das Fundraising und die Planung für die spätere Tournee geleistet werden. Dies sei eine aufreibende Mehrfachbelastung, die in Einzelfällen auch zu Überlastung führen könnte.
«Wir sind überzeugt, dass die mit der Szene entwickelten Massnahmen die Situation längerfristig substantiell verbessern.»Esther Roth, Kulturchefin Baselland
Silvie von Kaenel betont aber auch die derzeitigen Hilfestellungen, die den Kulturschaffenden bereits zur Verfügung stehen, so etwa KulturHub, wo professionelle Produktionsleiter*innen konkrete Fragen zur Erstellung der Projekte beantworten. Ausserdem werde seit der Einführung des neuen Fördermodells ein besonderes Augenmerk auf die faire Entlöhnung der Produktions- und Diffusionsarbeiten gelegt und die Strukturförderung gäbe die Möglichkeit, sich auf künstlerischer und betrieblicher Ebene unterstützen zu lassen.
Esther Roth ist überzeugt, dass die mit der Szene entwickelten Massnahmen die Situation längerfristig substantiell verbessern. Es benötige allerdings Zeit, bis sich ein Modell einpendelt.
Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung bei einer Weiterbildung bietet die Schweizer Interpretenstiftung oder allenfalls das Fördergefäss «Skills», erläutert von Kaenel und weist ausserdem auf den Leitfaden hin, den das Produktionsdock vor der Schliessung veröffentlicht hat.
Es sind also bereits einige Hilfestellungen vorhanden und sowohl die kantonalen Stellen als auch die Kulturschaffenden betonen, dass gemeinsame Sitzungen geplant sind, in denen Vorschläge verhandelt und fixiert werden sollen.