Spezialausgabe FCB-Briefing 💙💛
Heute erscheint eine Sonderausgabe des FCB-Briefings. Vor dem Benefiz-Spiel zwischen dem FCB und Dynamo Kyiw hat ausnahmsweise die ukrainische Autorin Eugenia Senik in die Tasten gehauen. Hier kannst du den Newsletter nachlesen.
Liebe*r Leser*in
Heute Abend empfängt der FC Basel 1893 den ukrainischen Topclub FC Dynamo Kiew im Joggeli zu einem Benefizspiel. Die Tickets sind gratis, du kannst sie hier bestellen. Aber natürlich solltest du trotzdem das grosse Portemonnaie mitnehmen, es werden Spenden gesammelt für die Glückskette (zum Beispiel beim 400-Franken-Charity-Dinner, zubereitet von Sterneköchin Tanja Grandits und zehn weiteren Spitzenköch*innen, Tickets dafür gibts hier – etwas günstiger in den Genuss eines Happens Spitzengastronomie kommst du mit dem eigens kreierten Gourmet-Hotdog, der an allen Foodständen im Stadion für 10 Franken erhältlich ist). Anpfiff ist um 19 Uhr im Joggeli - und damit weisst du bereits alles, was du wissen musst.
Wir vom FCB-Briefing-Team geben heute der ukrainischen Autorin Eugenia Senik das Wort.
Die ukrainische Schriftstellerin Eugenia Senik (35) lebt seit August 2021 in der Schweiz. Aufgewachsen ist Senik im Osten der Ukraine, in Luhansk. Am 9. Mai erscheint ihr dritter Roman, «Das Streichholzhaus», auf Deutsch. Es wurde vom PEN Ukraine in die Liste der besten ukrainischen Bücher des Jahres 2019 aufgenommen. Für Bajour schreibt sie ein persönliches Tagebuch über den Krieg.
Fussball als Teil des Lebens
In meiner Familie besitzt Fussball einen besonderen Platz. Dank meiner Schwester bedeutet für mich Fussball viel mehr als nur ein Spiel. Sie ist eine der wenigen weiblichen FIFA Schiedsrichter-Assistentinnen in der Ukraine. Und heute wird sie das FCB-Benefizspiel gegen Dynamo Kyiv an der Linie pfeifen. Ich bin stolz auf sie und kann es kaum glauben, dass ich bei so einem bedeutenden Spiel dabei sein darf.
Als ich noch zur Schule ging, begeisterte sich meine grosse Schwester mehr und mehr für Fussball und nahm mich regelmässig zu den Spielen der lokalen Mannschaften mit. Anstatt Backstreet Boys oder Bon Jovi hingen in unserem gemeinsamen Zimmer Posters von Dynamo Kyiv und Andrij Schewtschenko. Grosse Spiele haben wir zusammen zu Hause am Fernseher angeschaut. Ich habe das für sie gemacht, obwohl ich dabei nur die Frisuren der Fussballspieler und ihre Tattoos anschaute. Dafür musste sie die Bücher lesen, die ich ihr empfahl oder mit mir Arthouse Filme anschauen. Bei letzteren ist sie oftmals eingeschlafen. Anscheinend waren sie nicht so spannend wie ein Fussball Match.
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Seit ihrem ersten Studienjahr begann sie selbst für die Mannschaft der Universität in Luhansk Fussball zu spielen. Sie wollte mich auch in den Fussball involvieren und nahm mich ständig zu ihren Trainings ins Stadion mit. Ich versuchte sogar, ein paar Mal mitzuspielen, aber nachdem ein Ball mich am Kopf getroffen hatte, wollte ich Fussballspiele nur noch von weitem ansehen. Es tat weh! Ich las lieber ein Buch auf der Bank, während meine Schwester auf dem Feld schwitzte. Mein Schicksal war, Schriftstellerin zu werden und ihr Schicksal…
Eigentlich wollte sie Tierärztin werden, aber gleich nach Abschluss des Studiums bekam sie den Vorschlag, sich als Schiedsrichterin zu versuchen. Und sie musste keine Minute nachdenken. Es war ihr Traumjob, denn so konnte sie sich noch enger und für lange Zeit mit Fussball verbinden.
Sie war so gut in diesem Job, dass sie bald ein Teil des Fussballverbands in Luhansk wurde. Sie hat sich sogar einen Mann ausgesucht, der auch Schiedsrichter war. So haben sie ihre Fussball Familie gegründet.
Das Traumleben dauerte aber nicht lange. Im Jahr 2014 mussten meine Schwester, ihr Mann und die zweijährige Tochter ihr Zuhause verlassen und vor dem Krieg im Donbas fliehen. Unsere Heimatstadt haben wir beide fast nie wieder besucht und alle fröhlichen Erinnerungen, so wie unser Kinderzimmer mit den verblassten Posters, wurden mit der Stadt von Russen und russischen Separatisten besetzt.
Als nun der Krieg im vollen Umfang in der Ukraine ausbrach, musste meine Schwester zum zweiten Mal fliehen. Nur diesmal musste sie ihren Mann allein zurücklassen und zusammen mit ihrer Tochter zu mir nach Basel kommen. Ihre Verzweiflung und Schmerzen waren so gross, dass nur Fussball sie hier retten konnte. Sie wollte so schnell wie möglich wieder pfeifen und hat sich sofort für alle mögliche Spiele engagiert. Das Pfeifen rettete sie vor der Depression. Für diese kurze Zeit auf dem Feld kann sie alles vergessen und sich nur auf das Spiel konzentrieren.
Ich habe so viele Matches zusammen mit meiner Schwester angeschaut und habe sie oft im Fernsehen beim Pfeifen gesehen. Aber niemals konnte ich bei so einem grossen Spiel im Stadion dabei sein. In diesem Spiel bin ich für keine Mannschaft. Ich hoffe, dass die Leser es mir vergeben. Ich bin für meine Schwester und für den Frieden in der Ukraine.
Dieses Spiel ist mehr als ein Wettbewerb, es ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit meinem Heimatland, das jetzt unter russischer Aggression leidet. Die Unterstützung der Fussballspieler, der Zuschauer und der Schiedsrichter bedeutet viel für die Menschen in der Ukraine. Deswegen kann es in diesem Spiel keine Gewinner oder Verlierer geben. Die beiden Mannschaften sind in diesem Match zwei absolute Gewinner.
Und genau so sollte der Frieden gewinnen. Der Frieden in der ganzen Welt.
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