Selten so gelacht
Das Kunstmuseum gibt mit der neuen Ausstellung ein Versprechen ab: Fun Feminism. Kann das gut gehen?
Im dritten Stock der Abteilung Gegenwart im Kunstmuseum liegt dieser metallisch schimmernde Sack mit roter Spitze. «First Spaceship on Venus» heisst die materielle Erschlaffung von Sylvie Fleurie, die sich über die metallharte Pimmelhaftigkeit von Raketen lustig macht.
An diesem Werk ist nichts gradliniges, nichts hartes, strenges, gewinnertyphaftes. Man will dazuliegen.
Und dann passiert, was in dieser Ausstellung immer wieder passiert: Erinnerungen werden wach, Assoziationen feuern von ausserhalb der Museumsmauern herein. Was hier zu sehen ist, das haben wir doch da draussen schon einmal beobachtet?
Der Leitspruch des feministischen Streiks von 2020: Fraulenzen und Qeerstellen. Der Slogan war im Kontext der Proteste als Absage an die gesellschaftliche Erwartungshaltung gedacht, die Frauen und weiblich gelesene Personen als allzeitbereite Care-Arbeiter*innen betrachtet.
Diese Absage steckt auch in diesem trägen Teil. Fraulenzen, sehr gut. Liegt da so rum, das Ding. Queerstellen, genau! In seiner eigentümlichen Körperlichkeit (drei Beine! Arme?) ist dieser Gestalt nämlich erstmal überhaupt keine Geschlechtlichkeit eingeschrieben.
Die müde Rakete. Ein Tritt ans Bein des Patriarchats.
Feminismus im Gegenwind
Die Ausstellung Fun Feminism im Basler Kunstmuseum fällt just in eine Zeit, in der es in Sachen Gleichstellung wieder mal gar nichts zu lachen gibt. Im Iran werden Frauen wegen Regelverstösse gegen ein patriarchales Gewalt- und Unterdrückungssystem erschossen oder zu Tode geprügelt. Flammende Demonstrationen überziehen das Land. In der Schweiz beschliesst das Stimmvolk, Frauen bis zur Pension ein Jahr länger arbeiten zu lassen. Der Gender-Gap bei dieser Abstimmung ist gross, wie selten zuvor. Es sind vor allem die Männer, die Ja stimmen.
Eine Scheisszeit für den (linken) Feminismus. In den sozialen Medien macht ein Meme die Runde, das den emotionalen Stand der Dinge so zusammenfasst:
Es ist also eine schlechte Zeit für den Feminismus, aber offenbar wird im Internet trotzdem gelacht. Warum dann nicht auch im Museum lachen. Dachten sich, Meme-unabhängig, die Künstlerinnen Senam Okudzeto und Claudia Müller. Sie hatten die Idee, die Sammlung des Kunstmuseums «durch eine feministische Linse zu betrachten». Und gleichzeitig der «vermeintlichen Humorlosigkeit des Feminismus» mit Aspekten von «Freude, Verspieltheit und Respektlosigkeit» zu begegnen. So steht es im Begleittext zur Ausstellung.
Die Kuratorinnen des Museums, Maja Wismer und Alice Wilke, fanden ja, das sei eine gute Idee und so entstand Fun Feminism.
Faulenzen ist für weiblich gelesene Körper keine öffentliche Option.
Fortschlendern. Viel dreht sich in dieser Ausstellung um Körper und gesellschaftliche Erwartungen und die paradoxe Beobachtung: Hedonistisches Herumliegen ist für weiblich gelesene Körper keine öffentliche Option.
Das ruft zum Beispiel auch die Bildreihe von Marianne Wex in Erinnerung. Wex hat die Körpersprache und -Haltungen von Frauen und Männern auf Alltagsfotografien abgebildet und siehe da: Sogar schlafende Frauenkörper am Strand halten die Beine adrett pariert. Während den Männern die Kontrolle über alle Gliedmassen beim ersten Anflug von Müdigkeit komplett entgleist.
Der Männerflex: Gespreizte Beine, Hand im Schritt. «Let’s take back our space», heisst Wex’ Sammelband von 1978.
Auch die Fotos von Wex haben Geschwister im Heute und Jetzt. Da hat sich in den Sozialen Medien ein schon nicht mehr so neuer Begriff für das expansive Sichgehenlassen männlicher Körper etabliert: Manspreading.
Die absurd durchgegenderte Art und Weise, wie sich Körper im öffentlichen Raum präsentieren dürfen, und wie nicht, wurde unlängst am Beispiel der ukrainischen First Lady Olena Selenska vorgeführt. Die wagte es, sich in Zeiten des russischen Angriffskriegs in dominanter Sitz-Haltung für die Vogue fotografieren zu lassen. Wie kann sie nur, schimpfte das Internet. Prompte Gegenbewegung, natürlich mit eigenem Hashtag: Frauen rund um den Globus posten Fotos, auf denen sie sitzen wie Selenska. #Sitlikealady.
Als andererseits ein Foto von Joe Kahn, dem neuen Chefredaktoren der New York Times, in nachdenklicher Pose auftauchte, kassierte er auch in gestandenen Leitmedien Kritik, die darauf abzielte, die Unmännlichkeit am Machtmann zu canceln. Mit Wirkung. Joe Kahn hat sich für das Foto entschuldigt.
Die Beispiele, Selenska und Kahn, kommen in der Ausstellung nicht vor. Aber natürlich sind sie trotzdem Teil der Ausstellung. Die Werke hier sind nicht einfach ästhetische Arrangements aus Stoff oder Farbe oder Keramik, whatever, sondern ironisch gebrochene Abbilder der feministischen Kampfplätze da draussen.
Eine «Kletterwand» aus Brüsten
Ein Teil der insgesamt 40 Werke von Fun Feminism stammen aus der hauseigenen Sammlung. Der Rest wurde ohne Anspruch auf Vollständigkeit dazukuratiert.
Eine Ausstellung im Trend: Mit der Idee, feministische oder mindestens «weibliche» Kunst in den Fokus zu rücken, steht das Kunstmuseum Basel nicht alleine da, im Gegenteil. Zürich, Bern, Stans, Aargau. SRF Kultur kommt in einer Analyse zum Schluss, dass noch nie so viele Ausstellungen über Künstlerinnen zu sehen waren, wie derzeit.
In Basel sehen wir gigantische Highheels wie aus Modeheften zusammengekleistert. Aus einer Wand ragen zahlreiche Brüste in den unterschiedlichsten Formen, Erinnerungen an eine «Kletterwand». Im selben Raum liegen auf drei weissen Würfeln Kissen, die aussehen wie Eingeweide oder sonstwas Organisches, manche riechen nach Salbei oder Kamille. Kräutersorten, die bei Menstruationsschmerzen helfen sollen.
Die Wirkung der Ausstellung Fun Feminism hängt auch davon ab, wer man ist. Was man erlebt. Wer nicht menstruiert, wird «I Only Feel Pretty When I Have My Ovulation» (Ich fühle mich nur dann hübsch/schön, wenn ich meinen Eisprung habe) anders erleben als Menschen, die bluten.
Hier wird abserviert
Weiterspazieren, immer dem Fun auf der Spur. Da stehen drei kleine, bossige Figuren in einem Outfit, das man in manchen Cafés noch als Uniform des Servierpersonals zu sehen kriegt. Die Message der finnischen Künstlerin Kirsi Mikkola könnte man so lesen: Hier wird nicht bedient. Hier wird abserviert. Der Fun steckt im Bruch mit den Stereotypen.
Neben Mikkolas Figuren hängen drei Fotomontagen der Basler Künstlerinnen Muda Mathis, Sus Zwick und Fränzi Madörin. Die sitzen schmauchend auf einem Sofa und sonst ist erstmal gar nix los.
Warum diese Montage im Jahr 2022 immer noch als satirische Intervention gelesen werden muss, zeigt wiederum ein Blick in die Basler Innenstadt. Dort fährt seit mindestens zwei Jahren ein Tram die Werbekampagne eines Möbelhauses spazieren. Eine Werbung mit einschlägigem Motiv: Eine Frau, normschön, Beine überschlagen, lasziver Blick, kurzer Rock auf einem roten Sessel. Die Baselbieter SP-Landrätin Miriam Locher hat das Motiv vor zwei Jahren als sexistisch kritisiert und kassierte dafür Männerschelte.
Das war, wie gesagt, 2020. Die Tram fährt immer noch. Jetzt kann man im Kunstmuseum gewissermassen den Gegenentwurf zum Thema Frauen sitzen auf Möbeln betrachten. Sind die Collagen von Mathis, Zwick, Madörin darum lustig? Nun, erstens steckt im Fuck-you an idealtypische Körperbilder natürlich eine Subjekt-Objekt-Umkehr, die Spass macht. Und zweitens: Äh, ja?
Noch eine letzte Arbeit herausgepickt: Die Videoarbeit «Manus Spleen 3» von Rosemarie Trockel zeigt eine vermeintlich schwangere Frau auf einer Geburtstagsparty. Plötzlich sticht sie mit einer Nadel in einen Luftballon, der sich unter ihrem Rock befindet. Der Ballon platzt. PENG! Panisches Lachen unter den Gästen, war da nicht eben noch ein Bauch irgendwo und, hehe, haha, wo ist der jetzt? Champagner!
Aus dem Scherz der falschen Schwangerschaft, steht im Saaltext, droht in der Wiederholung ein kollektiver manischer Zustand zu werden. Auch hier ist die Anbindung an die politische Aktualität nicht weit. Geburtenkontrolle! Roe v. Wade. Marsch fürs Läbe! Langsam wirds unheimlich.
Das kann natürlich passieren. Dass man sich hier beim Lachen erwischt, aber der Fun ist ganz weit weg.
Gut so. Die Ausstellung tut weh und hat trotzdem das Zeug, ein bisschen Licht in den Keller zu tragen, wo man sich sonst in Sachen Feminismus zum Lachen trifft.
Wie Swissinfo 2019 berichtete, sind nur ein Viertel aller Einzelausstellungen in Schweizer Kunsmuseen Frauen gewidmet. Bleibt also zu hoffen, dass das Basler Kunstmuseum bei kommenden Ausstellungen auch dann auf Kunst von Frauen setzt, wenn nicht Feminismus im Titel steht.
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