Gib mir dein Geld und ich schenk dir Glück

Wie viel Selbstoptimierung vertragen wir, bis wir daran kaputt gehen? Und wie viel Geld wollen wir investieren, um die beste Version unseres Selbst zu erreichen? Die Performance YES! YES! YES! in der Kaserne wirft einen kritischen Blick auf ein Phänomen unserer Zeit.

teaser1
Eins mit der Welt werden. (Bild: Donata Ettlin)

Sag Ja zum Leben, Ja zu dir selbst, deinen Stärken und deinen Schwächen und du wirst ein glücklicher Mensch werden. Das Konzept der Affirmation klingt simpel und trifft den Nerv unserer Zeit: Möglichst schnell und möglichst einfach das Maximum an Selbstoptimierung erreichen. Diesen Weg müssen wir aber nicht allein gehen. Teure Life-Coachings und Selbsthilfegruppen geben uns, step-by-step, eine Anleitung, dieses Ziel zu erreichen.

bild-spiegel
Der Blick in den Spiegel. (Bild: Donata Ettlin)

In der Performance YES! YES! YES! untersuchen Corinne Maier und Ntando Cele die Wirkungen dieser Selbstoptimierungs-Industrie. Wie verändert sie das Verhältnis zu einem selbst und zu anderen? Und was macht es mit uns als Gesellschaft, wenn wir nach immer noch mehr Perfektion, Selbstverwirklichung und Optimierung streben?

Meint sie das ernst oder gehört das zur Performance?

«Schreibt euren Wunsch nach Veränderung auf den Block unter euren Stühlen!» Im Stück fordert Cele das Publikum immer wieder auf, mitzumachen; aktiv an dieser Transformation zum besseren Ich, von der sie in ihrer Rolle als Coach im ganzen Stück predigt, teilzunehmen. So solle man sich mit den Worten «you are the transformation» an seine Nachbar*in wenden, oder gemeinsam im Chor «Say Yes, Say Yes, Say Yes, Yes, Yes, Yes!» rufen. Ratlose Blicke im Publikum: Meint sie das jetzt ernst oder gehört das zur Perfomance?

Zur Person

Ntando Cele wurde in Südafrika geboren und lebt in Bern. Seit 2005 entwickelt sie Theater- und Performanceprojekte in Afrika und Europa, wobei sie in ihrer Arbeit immer wieder die Grenzen zwischen physischem Theater, Videoinstallation, Stand-up-Comedy und Performance verschwimmen lässt. Sie studierte Schauspiel in Durban, leitete Workshops zum Thema Selbstheilung und Schwarze Ermächtigung. Derzeit arbeitet sie an Projekten, welche die Beschränkungen und Einschränkungen für Künstler*innen of Color auf europäischen Bühnen diskutieren.

Die Premiere in der Kaserne am Donnerstagabend war restlos ausverkauft. Nach dem Stück bildeten sich im Foyer Grüppchen. Wir haben einige dieser Gespräche aufgeschnappt.

«Die Performance hat mich überzeugt. Ich persönlich habe noch nie solch ein Coaching mitgemacht, aber ich kann mir schon vorstellen, warum so viele Menschen darauf anspringen.» – Alina, 24

«Ich frage mich, ob Ntando Cele als Coach nicht mehr Geld verdienen würde, als als Schauspielerin (lacht).» – Matthias, 46

«Man denkt immer ‹ich bin anders, ich würde nie auf solch’ leere Versprechungen reinfallen›, dabei sind wir alle empfänglich für einfache Antworten auf grosse Fragen, so wie es in solchen Coachings versprochen wird. Dass sich auf Kosten des Leides vieler Menschen ein derart lukratives Geschäftsmodell entwickelt hat, finde ich äusserst problematisch.» – Niam, 51

«Das Stück gibt einen guten, aber traurigen Spiegel unserer Gesellschaft wieder. Stilistisch hat mir gefallen, dass Ntando Cele sich zwischen den Talks auf der Bühne umgezogen hat – das gab einen schönen, imperfekten Einblick in das sonst so perfekte Setting.» – Nina, 29

«Ntando Cele ist grossartig! Inhaltlich fand ich die Performance aber etwas zu eindimensional, insbesondere den Anfang.» – Katrin, 42

«Ich fand die Performance sehr unterhaltsam, obwohl die Thematik nicht wirklich neu ist. Ich kam mir aber wirklich vor, als sitze ich in einem TED-Talk. Nur eben mit dem Wissen, dass es eine Performance ist.» – Nikolai, 37

bild2
«Schnapp Dir die Energie!» (Bild: Donata Ettlin)

Das Stück lässt einen mit einem ernüchternden Gefühl zurück. Es zeigt auf, dass sich Glück und Zufriedenheit eben nicht mit einem kollektiv wirksamen Rezept erkaufen lassen, denn Veränderung braucht Zeit. Statt sich selbst ständig optimieren zu wollen und einer Industrie zu huldigen, die vom Leid vieler Menschen profitiert, sollten wir unsere wirklichen Probleme erkennen und angehen. Und es wirft die Frage auf, ob wir mit ein bisschen weniger Selbstoptimierungsdrang nicht die glücklicheren Menschen wären.

__________

Die Performance YES! YES! YES! von Corinne Maier und Ntando Cele läuft noch bis zum 16. April in der Kaserne Basel.

Herz Rose
Wir schenk Dir unser Herz.

Du uns auch Deins?

Das könnte dich auch interessieren

Lukas Nussbaumer am 23. April 2025

Gesucht: Chefdirigentin

In Basel – wie in vielen anderen Schweizer Städten – gibt es kein Profi-Orchester, das fest von einer Frau geleitet wird. Warum eigentlich nicht? Wir haben uns bei Dirigent*innen umgehört.

Weiterlesen
Theater Basel
Schauspiel
Stück Was wir im Feuer verloren
Inszenierung: Manuela Infante
Komposition: Diego Noguera
Bühne und Lichtdesign: Rocío Hernandez
Kostüme: Robin Metzer
Dramaturgie: Kris Merken, Camila Valladares
Mit: Elmira Bahrami, Gina Haller, Marie Löcker, Annika Meier, Gala Othero Winter

Foto: Lucia Hunziker
April 2025

Felix Schneider am 05. April 2025

Spiel mit dem Feuer

Grausame Geschichten erzählt die chilenische Regisseurin Manuela Infante im Schauspielhaus des Theater Basel. Es geht um Frauen, die von Männern verbrannt werden, um Frauen, die sich schliesslich selbst verbrennen und um Feuer überhaupt.

Weiterlesen
Eat Me now Theater Roxy Birsfelden

Nina Hurni am 04. April 2025

«Schau mich an!»

Die Tanzcompany FLUX crew beschäftigt sich in ihrem Stück «Eat Me Now!» mit der Objektifizierung von lesbischer Sexualität und sucht nach neuen Blicken. Ein Probenbesuch.

Weiterlesen
Catherine Miville-1 (5)

Cathérine Miville am 01. April 2025

Tag und Nacht

Bajour-Kolumnistin Cathérine Miville hat Mühe. Eben erst war noch Morgestraich, Piccoloklänge überall und plötzlich pfeifen die Vögel den Frühling ein und die Uhren werden vorgestellt. Wer kann da den Rhythmus behalten?

Weiterlesen

Kommentare