Gibt es nun bessere Löhne für Basler Musiker*innen?
Durch die neuen Honorarempfehlungen des Branchenverbands Sonart sollen Musiker*innen fairer bezahlt werden. Aber wie verpflichtend sind diese Empfehlungen und was, wenn sie niemand bezahlen kann? In Politik und Kultur wird nach Antworten gesucht.
Letzten Herbst wollte die Musikvielfaltsinitiative in Basel die freien Musikschaffenden aus dem Prekariat befreien. Die Initiant*innen forderten mehr Mittel für die Künstler*innen ausserhalb der Institutionen. In der Diskussion kam der Ruf nach klaren und vor allem fairen Honorarempfehlungen immer wieder auf.
Nun hat der Branchenverband Sonart Schweiz solche Empfehlungen publiziert. Ausgangspunkt dafür ist ein Schwerpunkt aus der «Kulturbotschaft» des Bundes für die Jahre 2025 bis 2028, der die Sicherstellung einer angemessenen Entschädigung für professionelle Kulturschaffende thematisiert.
Er schlägt Stunden-, Tages- und Wochenpauschalen für alle Bereiche des professionellen Musikschaffens vor. Die Empfehlungen seien mit Expert*innengruppen und Partnerorganisationen erarbeitet worden und würden eine gewisse Bandbreite umfassen, um den verschiedenen Voraussetzungen innerhalb der Musikszene gerecht zu werden, heisst es in der Mitteilung. Zwischen den verschiedenen Musikgenres wird nicht unterschieden.
Minimum oder Fair Pay?
Die Honorare sind für Selbständigerwerbende gedacht und sollen neben einem fairen Einkommen immer auch die Kosten für die Sozialversicherung abdecken. Festgelegt wurde jeweils eine Untergrenze, «Minimum Pay» genannt, und ein höheres Budget, mit dem Musikschaffende ihre Betriebskosten decken, Rücklagen für Investitionen und Erwerbsausfälle bilden sowie in die Sozialversicherungen und Altersvorsorge einzahlen können. Diese Honorarempfehlung nennt Sonart «Fair Pay». Für ein Konzert werden beispielsweise 600 Franken (Minimum Pay) bis 800 Franken (Fair Pay) empfohlen. Üblich sind gemäss der Einschätzung von Sonart aktuell Gagen zwischen 200 Franken und 400 Franken.
«Sind die neuen Honorarrichtlinien von Sonart für staatliche Institutionen und Institutionen mit Staatsbeiträgen bindend?»Johannes Sieber, GLP-Grossrat
In der ausführlichen Broschüre zu den Empfehlungen führt der Branchenverband aus, dass ihm bewusst ist, dass die vorgeschlagenen Ansätze deutlich über dem üblichen Betrag liegen, der aktuell bezahlt wird und die wirtschaftliche Situation für viele Veranstaltende herausfordernd ist. Als Vertreter der Interessen der Musiker*innen sei es allerdings seine Aufgabe, die Musikschaffenden zu ermutigen, für ihre Ansprüche einzustehen.
Ausserdem setze man sich dafür ein, dass öffentliche und private Kulturförderinstitutionen diese Honorarempfehlungen sowohl als Grundlage für die Finanzierung von Projekten als auch für die Berechnung von Subventionen an Kulturunternehmen heranziehen.
Braucht es neue Leistungsvereinbarungen?
Ob dies in Basel der Fall sein wird, will der GLP-Grossrat und Kulturunternehmer Johannes Sieber vom Regierungsrat wissen. Er hat eine schriftliche Anfrage erstellt und fordert unter anderem Informationen darüber, an welchen Honorarrichtlinien der Regierungsrat sich bei Staatsbeiträgen aktuell im Bereich Musik orientiert. Ausserdem möchte er wissen, ob der Regierungsrat die Höhe der geforderten Gagen gerechtfertigt findet, ob er sie für die staatlichen Institutionen beziehungsweise solche mit Staatsbeiträgen als bindend erachtet und ob aufgrund der Empfehlungen nun Leistungsvereinbarungen, etwa mit der Kaserne oder dem Musikbüro, angepasst werden müssen.
«Die Differenz zwischen den aktuellen und den empfohlenen Honoraren ist in gewissen Bereichen sehr gross.»Alain Schnetz, Geschäftsleiter Musikbüro Basel
Das Musikbüro empfindet die Forderungen als angemessen, zumal sie ausführlich begründet seien. Mit der Empfehlung allein sei es aber nicht getan: «Die zentrale Frage ist, wer dafür verantwortlich ist, dass die empfohlenen Honorare erreicht werden», sagt Geschäftsleiter Alain Schnetz. Er geht davon aus, dass sich in Zukunft die Diskussion genau darum drehen wird und muss.
Auch er merkt an, dass die Veranstaltenden dadurch vor grosse Herausforderungen gestellt werden. Die Differenz zwischen den aktuellen und den empfohlenen Honoraren sei in Basel in gewissen Bereichen so hoch, dass es für Clubs, Spielstätten und andere Veranstalter*innen «schwierig bis unmöglich» sei, diese zu bezahlen, so Schnetz. «Das scheitert aber nicht am Willen, faire Gagen zu zahlen, sondern an den fehlenden Mitteln dafür.»
«Es wäre besser, politischen Druck auf die Streaming-Plattformen auszuüben.»Marcel Bisevic, Leiter Musik Kaserne Basel
Eine solche Veranstalterin ist beispielsweise die Kaserne. Der Verantwortliche des Musikprogramms, Marcel Bisevic sagt: «Sonart hat eine Diskussion angestossen, die wir nachvollziehbar finden. Falls daraus verbindliche Regeln entwachsen, müssten diese die finanziellen Rahmenbedingungen unterschiedlicher Veranstaltungsformate und Musikorte stärker berücksichtigen.» Was die Sonart-Empfehlungen für die Kaserne in finanzieller Hinsicht bedeuten, sei schwierig einzuschätzen, da sich die Musiklandschaft permanent verändert und die Programmplanung den Begebenheiten ständig angepasst wird.
Die Empfehlungen, die über den üblichen Gagen liegen, scheinen für die Kaserne allerdings vorerst kein Problem zu sein. «Wenn die Kaserne Basel einzeln auftretende Musiker*innen ohne dritte Parteien wie Agenturen oder Labels für ein abendfüllendes Konzert engagiert, bezahlt sie aktuell bereits teils höhere Gagen als gefordert», so Bisevic.
«Überall, wo öffentliche Mittel fliessen, müssen diese Richtwerte zwingend eingehalten werden.»Fabian Gisler, Initiant der Musikvielfaltinitiative
Eine Forderung nach mehr Subventionen – um höhere Gagen zu ermöglichen – stünde deshalb aktuell nicht im Fokus. Zumal man seiner Ansicht nach sowieso an anderer Stelle ansetzen sollte: «Durch die geringen Einkünfte aus dem Musik-Streaming sind die Musiker*innen heute fast ausschliesslich auf Gagen angewiesen. Es ist ein komischer Umweg, diese Schieflage durch höhere Subventionen an Veranstaltende auszugleichen. Es wäre besser, politischen Druck auf die Streaming-Plattformen auszuüben und sie endlich zu einer höheren Vergütung für die Musiker*innen zu verpflichten.»
Gibt es mehr Geld vom Staat?
Für die Initiant*innen der Musikvielfaltsinitiative sind die neuen Honorarempfehlungen ein gutes Zeichen. «Das sind klare Zielvorgaben, die der grösste Berufsverband für Musikschaffende in der Schweiz erlässt», sagt Fabian Gisler vom Initiativkomitee. Aus seiner Sicht sind sie eindeutig verpflichtend: «Überall, wo öffentliche Mittel fliessen, müssen diese Richtwerte zwingend eingehalten werden. Das geht nicht von heute auf morgen, aber auf übermorgen», sagt er.
Er ist sich sicher: «Die Umsetzung solcher Vorgaben braucht Geld» und sagt: «Wir sind gespannt darauf, wie Basel – und natürlich der Rest der Schweiz – nun reagiert.» Die Gretchenfrage dabei: Wird das Musikbudget erhöht oder werden die aktuellen Mittel anders verteilt?