«Ich fliege zwölfmal pro Jahr, weil der Zug langsam und teuer ist»

Basel schmilzt bei der Hitze fast weg. Trotzdem fliegen die Menschen en masse in die Ferien? Was denken sie sich dabei? Eine Umfrage am Euro-Airport.

Euro-Airport Umfrage
Fliegen oder nicht? Das ist hier die Frage. (Bild: Unsplash / Florian Scheller / Bajour)

Heute wird es in Basel 35 Grad heiss. Ältere Menschen verschanzen sich in der Wohnung, jüngere suchen Abkühlung. Aber nicht in der Birs – dort ist baden verboten, wegen der Fische, die ebenfalls unter der Hitze leiden. Die Landwirt*innen fürchten um ihre Ernte, die Forstwart*innen um die Bäume. Es ist deutlich zu spüren: Die Klimakrise ist da. 

Und trotzdem fliegen die Basler*innen, was das Zeug hält. Obwohl alle wissen, dass Fliegen zu den CO2-Treibern schlechthin gehört. 


Das hier soll kein moralinsaurer Meimei-Artikel mit erhobenem Zeigfinger werden. Auch von der Bajour-Redaktion sind einige weggeflogen – und kamen mit schlechtem Gewissen zurück. Wir wollten deshalb herausfinden: Warum fliegen wir, obwohl wir es besser wüssten? Also sind wir an den Euro-Airport gefahren und haben Reisende gefragt. 

Biatto-Umfrage Euroairport
Biatto fliegt regelmässig von Toulouse nach Basel. (Bild: Florian Scheller)

Biatto, 26, Praktikant

«Ich fliege etwa 12 Mal pro Jahr von Bordeaux nach Basel, weil meine Freundin hier lebt. Eigentlich würde ich gerne öfter den Zug nehmen, aber mit meinem Praktikantengehalt ist das fast nicht möglich. Irgendwie läuft doch was falsch, wenn ich für den einstündigen Flug 50 Franken zahle, aber für die gleiche Strecke mit dem Zug sechs Stunden brauche und fast das Doppelte bezahlen muss. Wenn der ÖV in Frankreich genauso pünktlich, schnell und zuverlässig wäre, wie in der Schweiz, würde mich auch der Preis nicht mehr so stören. Ich versuche mich schon umweltfreundlich zu verhalten.

Mir macht es Spass in meinem kleinen Garten eigenes Gemüse zu pflanzen und auch beim Recycling bin ich sehr konsequent. Ich weiss natürlich schon, dass das ganze Fliegen damit nicht kompensiert wird. Für die Zukunft mache ich mir grosse Sorgen. Vor allem bei der Hitze in den letzten Wochen merke ich, dass der Klimawandel bereits in der heutigen Zeit grossen Schaden anrichtet.» 

Yuzuki-Umfrage Euroairport
Yuzuki ist das erste Mal in der Schweiz. (Bild: Florian Scheller)

Yuzuki, 22, Studentin

«Ich versuche so wenig wie möglich zu fliegen, aber wenn ich meine Familie in Japan besuchen will, gibt es fast keine andere Alternative als das Flugzeug. In ein paar Wochen fange ich an in Basel an der Universität Musik zu studieren. Meine Oboe ist wirklich alles für mich. Aber ich frage mich schon, wie die Zukunft für junge Leute wie mich aussehen wird, denn der Klimawandel kommt wirklich mit grossen Schritten auf uns zu.

In meinem Alltag fühle ich mich oftmals überfordert, wenn ich meinen ökologischen Fussabdruck verkleinern will. Jede*r hat da seine eigene Meinung, was das ganze ein bisschen verwirrend macht.»

Arian-Umfrage Euroairport
Arian fliegt mit seinen Brüdern in die Ferien. (Bild: Florian Scheller)

Arian, 22, Anlagenmechaniker

«Ich fliege mit meinem Bruder nach Pristina im Kosovo, um meine Familie zu besuchen. Das mache wir ein- bis zweimal im Jahr. Mit dem Auto fahren wir schon länger nicht mehr, das dauert viel zu lange und bei den hohen Benzinpreisen ist das auch sehr teuer.

Der Zukunft blicke ich sehr entspannt entgegen. Es kommt mit der Erderwärmung mit Sicherheit eine schwierige Zeit auf uns zu, aber diesen Sommer ist es einfach nur heiss. Das hat es schon immer gegeben.»

Facts zum Fliegen
  • Über 70-Jährige machen gerade mal 3,5% der Flugpassagiere aus. 22% sind unter 29-jährig
  • Die Städter*innen fliegen häufiger als Menschen auf dem Land. Letztere fahren mehr Auto
  • 2019 gab es weltweit knapp 47 Millionen Flüge. 26 Millionen waren es 2021
  • Die Babyboomer*innen werden zu den grössten Klimasünder*innen, auch weil sie oftmals in zu grossen Häusern wohnen.

Monica, 53

«Ja, der Klimawandel macht mir schon Angst. Vor allem die Jungen Menschen tun mir leid. Ich versuche in meinem Alltag so gut es geht auf mein Auto zu verzichten und esse auch ganz bewusst weniger Fleisch.

Ich finde alle von uns könnten ein bisschen mehr mache. Aber auf die drei Wochen Ferien mit meinen Freunden in Schottland konnte ich nicht verzichten. Geflogen bin ich weil der Zug viel teurer ist und die ganze Zeit mein Gepäck herum zu schleppen, mach ich auch nicht mehr.» 

Tonksu und Paulina-Umfrage Euroairport
Für Tonksu und Paulina geht es endlich nachhause. (Bild: Florian Scheller)

Tonksu, 27 und Paulina, 23, beide Reinigungsfachkräfte

«Wir fliegen nach Sofia in Bulgarien, um unsere Familien zu besuchen. Wir arbeiten in der Schweiz und Deutschland als Reinigungspersonal. Wir fliegen etwa viermal pro Jahr wieder zurück in die Heimat. Mit dem Zug dauert das viel zu lange.

Ich glaube in den nächsten zehn Jahren wird sich das Klima nicht gross verändern, aber danach will ich mir nicht vorstellen, was auf uns zukommt. Wenigsten habe ich kein Auto, das macht das ganze Fliegen ein bisschen besser.»

Phyllis-Umfrage Euroairport
In Istanbul wartet eine Freundin auf Phyllis. (Bild: Florian Scheller)

Phyllis, 20, Ausbildung zur Foto- und Medientechnikerin

«Eine Freundin von mir wartet in Istanbul auf mich, aber das ist der einzige Flug den ich dieses Jahr machen werde. Zuhause in Freiburg achte ich auf eine klare Mülltrennung und bewege mich nur mit dem Fahrrad fort.

Ich finde die kleinen Sachen, die ich mache, sind ein guter Anfang. Aber natürlich macht mir die Zukunft grosse Sorgen.» 

Hejrar-Umfrage Euroairport
Hejrar fliegt gerne in die Heimat. (Bild: Florian Scheller)

Hejrar, 38, Koch

«Ich bin mit meinem Cousin hier, um die Flugtickets für morgen abzuholen. Ich fliege mit meiner Familie nach Pristina. Das machen wir etwa einmal im Jahr. Mit dem Auto will ich nicht fahren und mit dem Zug erst recht nicht. Ich habe keine Lust, beim Grenzübertritt jemanden bestechen zu müssen, nur um ohne Probleme meine Reise fortführen zu können.

Natürlich macht mir die Zukunft grosse Sorgen, vor allem für meine Kinder. Ich habe das Gefühl die Leute wissen gar nicht was sie mit dem Fliegen alles anrichten.»

neon heart gif
Wir fliegen auf dich

Mach uns glücklich und werde Bajour-Member.

Chelsea, 28, Studentin

«Ich komme aus Denver in den USA. In Basel wohne ich wegen meines Psychologiestudiums. Ich gehöre zu den Vielfliegern und das ist fürs Klima sicher nicht das Beste. Aber solange ich hier bin, will ich auch was von Europa sehen.

Dem öffentlichen Verkehr traue ich nicht und nach Barcelona hätte ich sicher dreimal so lange mit dem Zug als mit dem Flugzeug.»

Riener-Umfrage Euroairport
Riener würde gerne mal wieder in den Urlaub (Bild: Florian Scheller)

Riener, 74, Rentner

«Ich fliege heute nicht und habe das auch seit der Corona-Pandemie nicht mehr gemacht. Ich habe nur ein Mietauto an den Flughafen gebracht. Das mache ich so nebenbei. Aber ich würde gerne wieder ein bisschen weiter weg in die Ferien fliegen, mal schauen wann und wohin.

Für das Klima mache ich schon etwas. Ich fahre weniger Auto und mehr Zug. Aber auf Fleisch kann ich einfach nicht verzichten.»

Das könnte dich auch interessieren

Investment

Balz Oertli, WAV Recherchekollektiv,Sven Niederhäuser, CORRECTIV Schweiz,Olivier Christe, WAV Recherchekollektiv am 18. Dezember 2024

«Wir investieren mit unserem Ansatz in Firmen, über die sich diskutieren lässt»

Pensionskassen stehen vor einem Dilemma: Sie sollen gewinnbringend investieren, aber angesichts der Klimakrise auf Nachhaltigkeit achten. Die Basellandschaftliche Pensionskasse macht als erste öffentlich-rechtliche Pensionskasse der Schweiz ihre Investitionen frei zugänglich auf ihrer Webseite publik.

Weiterlesen
Drohnenaufnahme von der Basler Kehrichtverbrennungsanlage KVA , links unten, und dem im Bau befindlichen Naturhistorischen Museum Basel, Mitte, in Basel, am Mittwoch, 25. September 2024. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

David Rutschmann am 16. Oktober 2024

Wer will das Basler CO2?

Ein Siebtel der heutigen CO2-Emissionen Basels wird auch bei Erreichen der Klimaziele 2037 noch bleiben. Also muss die Regierung für das Netto-Null-Ziel auch Negativemissionen einberechnen. Basel will vor allem auf eine Karte setzen: Die Speicherung von CO2.

Weiterlesen
IMG_6831

Valerie Wendenburg am 14. Oktober 2024

Lob, Kritik und eine gute Portion Skepsis

Der Regierungsrat hat am Montag 64 Massnahmen vorgestellt, mit denen der Kanton bis 2037 und die Verwaltung bis 2030 klimaneutral sein sollen. Die Stimmen zum Aktionsplan sind gemischt.

Weiterlesen
Klima-Aktionsplan

Valerie Wendenburg ,David Rutschmann am 14. Oktober 2024

Die Regierung gibt (klimaneutral) Gas

Das Basler Netto-Null-Ziel ist ambitioniert. Heute hat der Regierungsrat Massnahmen vorgestellt, wie der Kanton bis 2037 und die Verwaltung bis 2030 klimaneutral sein sollen. Er schickt aber schon voraus, dass nicht alles rechtzeitig umgesetzt werden kann.

Weiterlesen

Kommentare