SP und GLP wollen offene und urbane Schweiz stärken
Die zwei Parteien haben ihre Kandidierenden für die Wahlen im Herbst nominiert. Und wollen mit ähnlichen Themen gewinnen.
Es gibt SP-Versammlungen, an denen wird über jedes Detail diskutiert bis gestritten.
Doch an diesem Mittwoch erlebte die Partei einen Abend in Minne. Die schönste Geste kam wohl von Sarah Wyss und Mustafa Atici.
Die beiden bisherigen Nationalrät*innen haben sich in den letzten Jahren einen ziemlich erbitterten Konkurrenzkampf geliefert. Jetzt stehen sie wieder vor einer schwierigen Wahl: Da Basel-Stadt einen der fünf Nationalratssitze verliert, könnte eine*r von ihnen das geliebte Amt verlieren.
Doch an der gestrigen Nominationsversammlung im Gundeldinger Feld war von Konkurrenz nichts zu spüren. Im Gegenteil. Wyss und Atici traten vor die versammelten Parteimitglieder und warben als «Gotti» und «Götti» für einander.
Sarah Wyss sagte über ihren Kollegen Atici: «Mustafa überzeugt mit seinen Kompetenzen und seinem Herzblut in der Bildungs- und Migrationspolitik.» Es beeindrucke sie, wie intensiv er für diese Anliegen durch die Schweiz toure. «Auf ihn kann ich mich verlassen, wir schaffen beide Hand in Hand.»
Atici sagte über Wyss: «Sarah hatte ein Ziel: Sich in Bern im Haifischbecken einen Platz in der Finanz- und Gesundheitspolitik zu erobern. Und sie hat sich ihren Platz erobert.» Sie beide sitzen im Bundeshau nebeneinander: «Ich glaube keine zwei andere Nationalrät*innen kennen das Tagesprogramm der anderen so wie wir beide voneinander.»
«Die Innovation kommt aus der Stadt.»Eva Herzog, Ständerätin
Wyss und Atici wurden natürlich nominiert, zusammen mit Co-Parteipräsidentin Lisa Mathys und Grossrat Christian von Wartburg. Deren Aufgabe wird es sein, möglichst viele Listenstimmen zu holen, um gegen die «bürgerliche Wand», die laut bz geplante Listenverbindung zwischen LDP, FDP, Mitte, GLP und EVP anzukämpfen. Dafür will die SP eine Listenverbindung mit dem Grünalternativen Bündnis eingehen.
Auch die GLP kam am Mittwoch zusammen und nominierte im Restaurant Bundesbähnli ihre Kandidat*innen. Die Partei hat ebenfalls einiges zu verlieren: den Nationalratssitz von Katja Christ. Diesen gewann sie letztes Mal nur dank einer Unterlistenverbindung, die dieses Jahr offiziell verboten ist. Kommt die neu geplante Listenverbindung mit den bürgerlichen Parteien (ausser der SVP) zustande, droht ihr Konkurrenz von Baschi Dürr, der angekündigt hat, er wolle gerne für die FDP kandidieren.
Verteidigen sollen den GLP-Sitz nun – nebst Katja Christ – die Kandidat*innen Bülent Pekerman (ganz rechts im Bild), Claudia Baumgartner (ganz links) und Johannes Sieber. Pekerman ist ein interessanter Kandidat. Er hat soeben sein Amt als Grossratspräsident angetreten. Als oberster Basler hält man sich eigentlich politisch zurück. Ausserdem dürfte er mit seinen kurdischen Wurzeln viele Stimmen aus der entsprechenden Community holen – und vielleicht sogar Sibel Arslan (Basta) und Mustafa Atici (SP) Stimmen streitig machen.
Die GLP setzt sich im Wahlkampf «für eine liberale, progressive und nachhaltige Politik» ein, heisst es in der Medienmitteilung. Die Grünliberalen stünden «wie keine andere Partei für eine offene und vernetzte Schweiz. Genau diese Politik stärkt den urbanen und wirtschaftsstarken Kanton Basel-Stadt im Bundeshaus.»
Kernthemen der SP sind – Schweizweit – Kaufkraft, Gleichstellung und Klima. Bei der SP Basel-Stadt kommt noch hinzu, dass sie die «urbane Schweiz» stärken will. Ständerätin Eva Herzog, die im Dezember bei der Bundesratswahl der Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider unterlag, sagte gestern dazu: «Während der Wahl wurde auch eine ländliche Idylle heraufbeschworen.»
Daran allein wird ihre Wahl nicht gescheitert sein. Trotzdem kommt tatsächlich kein Bundesratsmitglied aus einer grösseren Stadt. Herzog gab zu bedenken, über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung werde in den Städten erwirtschaftet. «Die Realität der Städte kann man nicht negieren. Die Innovation kommt aus der Stadt.» Sie träume von einer Städteallianz, die so mächtig sei wie der Bauernverband.
Jubeljuchzer
Bei der Nomination Herzogs gab es vereinzelte Jubeljuchzer unter den Mitgliedern. Auch bei der Wahl im Herbst wird sie kaum Widerstände haben: Bis jetzt traut sich niemand aus einer anderen Partei, gegen die in der Bevölkerung sehr beliebte Herzog anzutreten.
Nun hat die SP ja aber nicht nur Sektionen in den Städten, sondern auch auf dem Land. Beispielsweise im Nachbarskanton. Dort wählt die Bevölkerung in knapp zwei Wochen Regierung und Parlament neu.
Macht es Sinn, so kurz vor den Baselbieter Wahlen als Basler SP die Unterschiede zwischen Stadt und Land derart zu betonen?
Die Frage ging an Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP-Schweiz, die am Mittwoch bei der Basler SP zu Gast war. Sie zeigte sich erstaunt über die Frage: «Die Basler SP zieht hier keinen Stadt-Landgraben.» Städte seien häufig der Motor von Fortschritten wie bezahlbaren Kitaplätzen oder Mieten. «Und das sind Anliegen, welche sowohl die SP Baselland wie die SP Basel-Stadt teilen.» Die Frage sei: «Wo wollen wir mit der Schweiz hin?»
Die Antwort aus SP-Sicht wurde an diesem Abend gleich mehrmals geliefert: hin zu mehr Gerechtigkeit.
Übrigens: Ausnahmsweise stehen die Frauen bei der SP nicht allesamt zuoberst auf der Liste, sondern die Bisherigen. Zuerst kommt Sarah Wyss, dann Mustafa Atici, dann Lisa Mathys und schliesslich Christian von Wartburg. Auch da gab es keine Diskussion.