Was soll denn ein Flüchtling mit einem Papierschiffli?

Mit einem stillen Protest vor dem Grossen Rat wollte die BastA! Druck auf die Regierung und den Bund machen. Basel-Stadt solle jetzt endlich Flüchtende aus Griechenland aufnehmen.

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Symbolische Mahnmale vor dem Congresszentrum, in dem der Grosse Rat debattiert. Foto: Daniel Faulhaber

Vor dem Congresszentrum treiben am frühen Morgen kleine orange, weisse und grüne Schiffe auf dem kalten Asphalt. Manche Passant*innen gehen achtlos vorbei, andere schauen hin, dritte nehmen ein Schiff in die Hand und gehen weiter.

Es war ein symbolisches Schauspiel, das sich da am Mittwoch Morgen auf dem Vorplatz des politischen Parketts abspielte. Das Parlament traf sich (wegen Corona immer noch im Kleinbasel) zur Grossratssitzung. Mitglieder der BastA! hatten in der Nacht zuvor Papierschiffe gefaltet und verteilten sie am Morgen an die ankommenden Politiker*innen.

Die Aktion sei ein «stiller Protest» gegen das Vergessen, sagte BastA-Co-Präsidentin Sina Deiss. Das Camp Moria auf Lesbos ist vor genau einer Woche fast komplett ausgebrannt und hat diese seit Jahren andauernde humanitäre Katastrophe noch einmal verschärft. Unsere Regierung muss nun handeln und Druck auf Bundesbern machen und zwar sehr schnell. Wir haben Platz.»

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Christoph Brutschin (SP) kriegt ein Schiffchen
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Lukas Engelberger (CVP) ebenso

Die Reaktionen am Mittwoch Morgen waren gemischt. Grossrat André Auderset (LDP) wollte kein Schiffchen annehmen. FDP-Grossrat David Jenny fragte, halb im Scherz, ob man wirklich schon so früh am Morgen Propaganda machen müsse. Und sein Fraktionspräsident, Erich Bucher, zeigte zwar Verständnis für die schreckliche Situation in Lesbos, hatte aber Mühe damit, «dass einige Parlamentarier*innen immer wieder versuchen, Weltpolitik in Basel zu betreiben». 

«Ich treffe mich noch diese Woche mit Karin Keller-Sutter und werde ihr nochmal klar sagen, dass sich der Bund schnell um eine Lösung bemühen soll.»

von Christoph Brutschin

Eigentlich hatten die Behörden bereits letzte Woche angekündigt, Basel-Stadt habe Platz und könne spontan Geflüchtete aufnehmen (Bajour berichtete). Aber dann folgte: Nichts. Anders als in Bern oder Zürich machte die Regierung kein öffentliches Statement. Die BastA will das ändern und fordert auch in einer Medienmitteilung, «den Druck nach Bundesbern zu erhöhen.»

Brutschin: «Den Bund nun mit einer Medienmitteilung zu beschimpfen ist wenig konstruktiv.»

Das sei bereits passiert, sagte dagegen Christoph Brutschin, Vorsteher des zuständigen Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt zu Bajour. Er nahm am Mittwoch Morgen zwar ein rotes Papierschiffchen mit der Aufschrift #Evakuierenjetzt und dankte höflich. Er machte aber deutlich, dass es sich die BastA! mit ihrer Forderung nach einem öffentlichen Statement ein bisschen zu einfach macht

«Der Bund weiss, dass Basel bereit ist, mehr Geflüchtete aufzunehmen», sagte er. Darum sei es wenig zielführend, mit Statements oder Medienmitteilungen gegen das Departement von Karin Keller-Sutter vom Leder zu ziehen. 

Die Aktion mit den Schiffchen fand er aber nicht schlecht: «Ich treffe mich noch diese Woche mit der Verteidigungsministerin und werde ihr nochmal klar sagen, dass sich der Bund schnell um eine Lösung bemühen soll. Und dass sich Basel daran beteiligen möchte», sagt Brutschin. Die BastA!-Aktion werde ihm dabei helfen: «Ich kann Keller-Sutter sagen, das Thema bewegt die Leute, bitte mach vorwärts.» 

WCs, Parkplätze und Tempo 30

Wie schnell das Justiz- und Sicherheitsdepartement auf die Forderungen aus den Städten reagiert, kann auch Brutschin nicht abschätzen. Persönlich haben ihn die Bilder aus Moria sehr betroffen gemacht, sagt er noch, die Situation sei «furchtbar. Mich bestürzt auch, dass Griechenland in dieser Sache so alleine gelassen wird. Die mangelnde Solidarität innerhalb der EU macht mir Sorgen.»

Im Grossen Rat war die Griechische Migrationskrise an diesem Mittwoch kein Thema. Es ging um gebührenfreie WC-Anlagen, die Kosten leerstehender Autoparkplätze und Tempo 30 in der Birmannsgasse.

Die Weltpolitik, wie FDP-Grossrat Bucher es nannte, stand hie und da in Form von Papierschiffchen leise Spalier.

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Die «Weltpolitik» nimmt symbolisch Platz im Grossen Rat.
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Das Schiff rechts von Joël Thüring steht auf dem Mikrofon eines Nachbarn.

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