Asyl-Schelte unter der Gürtellinie

Eine nachvollziehbare Sorge von Lädelibesitzer*innen wird im BaZ-Podcast zum pauschalen Asyl-Problem. Das greift zu kurz und ist problematisch.

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(Bild: Keystone)

Die Basler Polizei steht in der Kritik – für zu wenig Law und Order. Wie Primenews berichtet, rückt sie nicht mehr aus, wenn Asylsuchende Ladendiebstähle mit einem Warenwert unter 300 Franken begehen.

Bereits vor einem Jahr hatte die Polizei die Regel eingeführt, dass Geschäfte den erwischten Dieb*innen ein Formular zur Unterschrift abgeben, auf denen diese ihre Schuld bekennen. Dann geht das Schreiben an die Staatsanwaltschaft. Bisher gabs bei Personen ohne Schweizer Wohnsitz aber eine Ausnahme, die Geschäfte verständigten die Polizei, diese verlangte eine Kaution und wickelte den Fall ab. Nun also nicht mehr.

Die Polizei begründet das bei Primenews so: In der Praxis trügen die wenigsten dieser Ladendiebe Geld auf sich. Deshalb mache es «polizeilich wenig Sinn», wenn eine Patrouille anrücke, «nur um festzustellen, dass die betreffende Person keine Kaution bezahlen kann».

Lädelibesitzer*innen fühlen sich alleingelassen

Einige Lädelibesitzer*innen im Kleinbasel verunsichert das. Gegenüber der BaZ, die das Thema nach Primenews in Artikel und Podcast aufgreift, sprechen sie von einer leichte Zunahme solcher Diebstähle durch Asylbewerber*innen. Die Dieb*innen kämen «wohl hauptsächlich aus dem nordafrikanischen Raum». Eine Verkäuferin berichtet, häufig seien sie auch aggressiv.

Das ist keine einfache Situation, gerade wenn man allein im Laden ist. Was im Artikel nach nachvollziehbarer Sorge klingt, nimmt im Podcast der BaZ eine andere Wendung. Mit dem abwertenden Begriff «Asylanten» werden Asylsuchende pauschal als Problem und als gefährliche Kriminelle abgestempelt. Fakt ist: Offenbar gibt es Gruppen Asylsuchender, die systematisch auf Diebestour gehen – und zwar in verschiedenen Kantonen. Die SRF Rundschau hat im Dezember dazu geschrieben: «Eine kleine, aktive Gruppe Asylsuchender aus Algerien, Tunesien und Marokko beschäftigt die Polizei.»

SRF hat auch mit Asylsuchenden aus den Maghreb-Staaten über die Fälle gesprochen. Sie zeigen sich besorgt: «Du bist Algerier, du stiehlst», sagt einer über die Wahrnehmung seiner Herkunft. «Wir sind wie ein Albtraum für die Leute hier, das ist schlecht», sagt ein anderer.

«Wir sind wie ein Albtraum für die Leute hier, das ist schlecht.»
Asylsuchender aus den Maghreb-Staaten

Dass die BaZ in ihrem Podcast insinuiert, dass Basel «für Asylanten zum Schlaraffenland» wird und diese sich über die neue Polizeipraxis «kaputt lachen würden» dürfte eine Übertreibung sein, die auf eine Minderheit der Asylsuchenden zutrifft. Die Zahlen würden zeigen, dass sich vor allem «Marokko, Tunesien, Algerien» ein «Wettrennen um den Weltmeistertitel» bei solch öffentlich sichtbaren Delikten liefern würden.

Zahlreiche Länder und deren Staatsangehörige per se so darzustellen, dass sie bloss in die Schweiz kämen, um «ihr Unwesen» zu treiben, greift zu kurz und wird den Schicksalen vieler dieser Menschen nicht gerecht. Für mich gehen diese Aussagen aus dem Podcast klar unter die Gürtellinie.

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Update vom 26. Februar 2025: In einer Stellungnahme heisst der Presserat eine Beschwerde der Freiplatzaktion Basel gegen die besagte Podcast-Folge teilweise gut. Der Presserat hält fest: «Die Basler Zeitung respektive bazonline.ch hat in der Podcast-Episode «Basel, Schlaraffenland für Kriminelle: ‹Wir schaffen uns gerade selber ab›» vom 17. Januar 2024 gegen die Ziffer 1 (Wahrheitspflicht) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verstossen, indem sie unbelegte und ungestützte Behauptungen verbreitet hat. Des Weiteren hat sie gegen Ziffer 8 (Diskriminierungsverbot) verstossen, indem sie eine Personengruppe mit unbelegten und ungestützten negativen Behauptungen pauschalisierend herabgesetzt hat.»

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