Handelskammer macht der Herzstück-Lobby Dampf

Das Mega-Projekt am Bahnknoten Basel kommt nur, wenn der Bund es will. Also muss Basel das Herzstück dem Bund schmackhaft machen. Die Handelskammer hat jetzt alle Bundesparlamentarier*innen vor den Karren gespannt, um das Projekt in Bern zu pushen. Eine Analyse.

Martin Dättwyler Handelskammer beider Basel HKBB
HKBB-Direktor Martin Dättwyler unterzeichnet die Resolution für die Aufnahme des Tiefbahnhofs Basel SBB in die Botschaft 2026. (Bild: David Rutschmann)

Herzstück. Dieses Wort geistert schon seit Jahrzehnten durch Basel. Und dennoch ist es bislang nur ein Wort geblieben. Manche glauben, dass es nur ein Wort bleiben wird, und das dahinterstehende Projekt – nicht weniger als die Neustrukturierung des Bahnknotens Basels mittels Tiefbahnhöfen und einem unterirdischen Bahnnetz – gar nicht realisierbar sei. Zu überdimensioniert, zu teuer soll es sein.

Zuletzt hört man das Wort wieder öfter. Zunächst startete die Handelskammer beider Basel (HKBB) die Initiative «Basel vernetzt», die bald darauf eine eigene Website erhielt. Dann ging vonseiten Trireno, der Koordinierungsstelle der trinationalen S-Bahn Basel, ein Imagefilm online, in dem die Vorteile des Projekts mantraartig vorgetragen werden.

Und jetzt eine Medienkonferenz: Die Verkehrsdirektor*innen beider Basel, beider Ständerätinnen und fünf Nationalrätinnen aus beiden Kantonen – geballte politische Power von SVP bis SP, auf eine Linie gebracht von HKBB-Chef Martin Dätwyler. All diese Symbolik, um unmissverständlich zu signalisieren: Uns, der Region, liegt das Herzstück am Herzen. Es muss kommen, asap.

Resolution Tiefbahnhof Basel SBB
Frauen für die Basler Verkehrspolitik! Die anwesenden Bundeaparlamentarier*innen mit der von allen Basler und Baselbieter*innen unterzeichneten Resolution der HKBB. (Bild: David Rutschmann)

Um was es bei der Medienkonferenz gehen würde, erfuhr man wegen einer Kommunikationspanne aus dem Baselbiet bereits am Vortag. Die bz hatte zuerst darüber berichtet: Eine Resolution der HKBB, unterzeichnet von allen 14 Bundesparlamentarier*innen beider Basel. 

Sie fordern, dass der Tiefbahnhof Basel SBB – als grösster und komplexester Baustein quasi das «Herzstück» des Herzstücks – in die Botschaft zum nächsten Ausbauschritt der Bahninfrastruktur im Land bis 2035 aufgenommen wird. Die Vorarbeiten dieser Botschaft, die 2026 beschlossen werden soll, haben im Bund soeben angefangen.

Im Rahmen dieser Botschaft soll auch die Umsetzung erster Etappen von grossen Bahnausbauprojekten beschlossen werden. Die nun formulierte Forderung, dass der Tiefbahnhof in die Botschaft aufgenommen werden soll, kommt also nicht von ungefähr: Der Bau des Tiefbahnhofs wäre quasi das Zugeständnis des Bundes, dass das Herzstück tatsächlich kommen soll. Aus dem Wort würde tatsächlich Realität.

Doch wie stehen überhaupt die Chancen dafür? Denn die Konkurrenz durch andere Bahnprojekte im Land ist da. Und: Das Herzstück ist wirklich sehr teuer. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) geht in einer Schätzung von 9 Milliarden Franken aus. Zum Vergleich: Der Gotthard-Basistunnel hat 12,7 Milliarden Franken gekostet. Eigentlich hat Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) gerade erst im März ein Sparpaket angekündigt – die Bahninfrastruktur wurde explizit miterwähnt.

Reisende gelangen ueber die Rolltreppen in die Bahnhofshalle im Bahnhof SBB in Basel, am Montag, 16. Mai 2022. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Geht das nicht einfacher?

Vorschläge zu einem einfachen S-Bahnausbau haben politisch keine Chance – lieber wartet man auf die 9-Milliarden-Generalüberarbeitung des Bahnknotens Basel. Für günstigere Lösungen gebe es eine «Denkblockade», sagen Kritiker*innen.

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Steckt hinter all diesen kompromisslos optimistischen und die Einigkeit der Region betonenden Appellen der Basler Politik für das Herzstück etwa doch auch Nervosität? Nervosität, dass wegen Sparmassnahmen das Herzstück in Bern ad acta gelegt wird?

Esther Keller, Verkehrsdirektorin Basel-Stadt, verneint das. Sie verweist auf den 2019 beschlossenen Planungskredit von 100 Millionen Franken, der im Rahmen des Bahninfrastruktur-Ausbauschritts bis 2035 beschlossen wurde. «Wir haben das klare Signal vom BAV und der SBB, dass das Nadelöhr in Basel gelöst werden muss.» Die Baselbieter Mitte-Nationalrätin und HKBB-Präsidentin Elisabeth Schneider-Schneiter bezeichnet das Herzstück in dieser Hinsicht als «alternativlos».

Das muss aber auch dem Parlament in Bern klar werden, denn dieses muss die Botschaft am Ende absegnen. Die Zauberformel für diesen Erfolg heisst jetzt: Einigkeit. Die ganze Politik beider Basel sitzt im selben Boot, vier von 14 Vertreter*innen (Eva Herzog (Ständerätin SP BS), Florence Brenzikofer (Nationalrätin Grüne BL), Katja Christ (Nationalrätin GLP BS), Sandra Sollberger (Nationalrätin SVP BL)) sitzen zudem in der bundesparlamentarischen Verkehrskommission.

«Die Mittel sind knapp, die Konkurrenz um die Mittel ist gross.»
Thomas de Courten, SVP-Nationalrat Baselland

Die Chancen könnten also schlechter stehen. So sieht auch Thomas de Courten, SVP-Nationalrat aus dem Baselbiet, die Basler Überzeugungskraft mittlerweile als besser an. Aber: «Die Mittel sind knapp, die Konkurrenz um die Mittel ist gross», so de Courten.

Ob es fürs Herzstück – beziehungsweise zunächst mal für den SBB-Tiefbahnhof – reicht, ist letztlich davon abhängig, wie gut Basel aufzeigen kann, dass das Herzstück nicht nur Basler Bedürfnisse bedient (O-Ton Esther Keller: «Wir sind die einzige Metropolregion der Schweiz, die keine richtige S-Bahn hat), sondern gesamtschweizerische: Das Wachstum in Basel und der grenzüberschreitende Bahnverkehr bringe «Wohlstand für die gesamte Schweiz», so Eva Herzog.

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Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitk. Way too many Anglizismen.

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