Ein russischer Oligarch kassiert ab

Ameropa, ein Grosshändler für Getreide und Düngemittel in Binningen, wurde in Russland faktisch enteignet. Ein Lehrbeispiel der Kleptokratie, bei der sich ein Oligarch aus Weissrussland ins Fäustchen lacht.

Togliattiazot-03
(Bild: Русский: Вадим Кондратьев, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons)

Der Krieg in der Ukraine beherrscht derzeit die Schlagzeilen. Weniger Beachtung finden die Auseinandersetzungen im wirtschaftlichen Bereich. Beispielsweise der Rechtsstreit zwischen Ameropa, einem diskreten Schweizer Handelshaus auf der Binningerhöhe mit dem Oligarchen Dmitry Mazepin. Der Milliardär hat es dank Winkelzügen geschafft, die auf Getreide- und Düngemittelhandel spezialisierte Ameropa (und auch alle anderen Aktionäre) aus der russischen Firma Togliatti Azot (Toaz) rauszudrängen. Toaz war ein wichtiger Lieferant für Ameropa und ist einer der wichtigsten Produzenten für Ammoniak, eine Grundsubstanz für die Düngemittelproduktion. Das Ammoniak wird über eine 2500 km lange Pipeline Toljatti-Odessa exportiert. Sie ist aus Kriegsgründen derzeit stillgelegt.

Dabei hatte die Partnerschaft zwischen Ameropa und Toaz ganz ordentlich begonnen. Viele freuten sich über die Öffnung Russlands und die wirtschaflliche Perestrojka. Es wurden Firmenbeteiligungen möglich. Der Handel wurde vereinfacht.  Unternehmen konnten in direkten Kontakt zueinander treten. Auch Ameropa nutzte im Jahr 2004 die Gunst der Stunde, als dem Getreide- und Düngemittelhändler eine 13%-Beteiligung an Toaz angeboten wurde. Die Zusammenarbeit entwickelte sich gut.

Perestrojka

bedeutet auf Deutsch Umbau. Michail Gorbatschow hat ab Anfang 1986 eine Modernisierung des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Systems der Sowjetunion eingeleitet, die von der Einheitspartei KPdSU beherrscht wurde.

Die Stimmung dreht

Nach ein paar Jahren drehte aber die Stimmung im Toaz-Aktionariat. Minderheitsaktionär Dmitry Mazepin (ca.10%) wollte mehr, bzw: alles. Und ging dabei sehr zielstrebig vor. Sein Hebel: Er sorgte dafür, dass die Partnerschaft zwischen der Ameropa-Distributionsfirma Nitrochem und Toaz zahlreichen Prüfungen durch Regulierungs- und Strafverfolgungsbehörden unterzogen wurde. Und die Prüfer wurden fündig.

Der Hauptvorwurf: Eine Gruppe von verantwortlichen Personen (unter ihnen Andreas Zivy und Peter Ruprecht von Ameropa) hätten u.a. Ammoniak unter dem Marktpreis verkauft und dadurch die Toaz-Aktionäre geschädigt. Die Folgen waren so happig, wie die Grösse des Geschäfts: Die Toaz-Aktionäre Vladimir Makhlai, Sergey Makhlai, Evgeny Korolev und Andreas Zivy und Beat Ruprecht von Ameropa wurden in Russland zu Haftstrafen zwischen 8, 6 und 9 Jahren und 1,385 Mrd. Dollar Schadenersatz verurteilt.

Das Absurde am Ganzen: Die Aktionäre sollen sich gemäss diesen Vorwürfen selbst bestohlen haben. Das russische Kassationsgericht bestätigte kürzlich das Urteil.

Während sich Grossaktionär Mazepin als Held feiern lässt, wehrt sich die Binniger Ameropa mit Händen und Füssen. Unabhängige Branchenexperten hätten die Tätigkeiten der Toaz überprüft und bestätigt, dass die Exportpreise den Marktpreisen entsprochen hätten, liess Ameropa verlauten. Die Richtigkeit dieser Aussage ist schwer zu überprüfen. Dazu bräuchte es verlässliche Preise und genaue Mengen des Exportguts exakt zur fraglichen Zeit. 

Eine bekannte Methode

Neben dieser Aussage verweist Ameropa auf einen Bericht der George Mason University. Dieser legt dar, dass Mazepin und sein Unternehmen Uralchem das russische Rechtssystem und ihre engen Beziehungen zu russischen Regierungsbeamten manipuliert hat. Das Ziel: Die Übernahme der Toaz zu erreichen, auch mit unrechtmässigen Mitteln. Bajour fragte die Togliatti Azot vergeblich um eine Stellungnahme an.

Während es im Aktionariat unter den Eigentümern brodelte, waren die operativen Beziehung zwischen der Firma Toaz und Ameropa trotz allem gut. Das Toaz-Management wehrte sich gegen die Anwürfe von Seiten Mazepins und den russischen Gerichten. Doch es half nichts.

Vergangenes Jahr wurde dank staatlicher Mithilfe der Hauptaktionär Sergey Makhlai in den Konkurs geschickt. Damit war der Weg für Gegenspieler Mazepin frei. Das Management wurde ausgewechselt und die Geschäftsbeziehungen zwischen Ameropa und Toaz wurden abgebrochen. Den finanziellen Verlust will Ameropa nicht beziffern.

Die EU hat übrigens am 3. März die Vermögen Mazepins eingefroren und gegen ihn und seinen Sohn Nikita (Formel1-Rennfahrer) eine Einreisesperre verhängt – dies, weil er zum inneren Machtzirkel von Putin gehöre.

Andreas Zivy Ameropa
Andreas Zivy, rechts, ist der Verwaltungsratspräsident der Binninger Handelsfirma Ameropa. (Bild: Stefan Schuppli)

Die Interpol liess hingegen Russland mit der Forderung nach einem internationalen Haftbefehl gegen Ameropa-Präsident Zivy und co. abblitzen. Das Urteil ist deshalb ausserhalb Russlands nicht vollstreckbar, und Ameropa erwartet keine wesentlichen nachteiligen Folgen daraus. In ihrem «Streben nach Gerechtigkeit» erwäge Ameropa jedoch, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Berufung einzulegen, hiess es in einer Ameropa-Mitteilung von dieser Woche. Ameropa habe auch versucht, eine Klage im Rahmen des schweizerisch-russischen bilateralen Investitionsabkommens einzureichen. Dies wurde jedoch von der russischen Regierung blockiert, die sich weigerte, sich an dem Verfahren zu beteiligen.

Massive Kritik

Das russische Rechtssystem und der Fall Mazepin waren auch schon in England in die Kritik geraten. Das britische Gericht Westminster Magistrate Court, bezeichnete den russischen Prozess im Dezember 2016 als eine «Travestie der Rechtsstaatlichkeit»: «Mazepin ist ein Plünderer ... und jede bekannte Plünderungstaktik wurde gegen Togliatti Azot eingesetzt... Dazu gehören Fälschung und Betrug, böswillige Strafverfolgung, Steuerprüfungen, Missbrauch von Aktien, Missbrauch des Bankensystems, Gewalt, dunkle PR und Missbrauch der Rechtsstaatlichkeit», so das britische Gericht. 

Westliche Regierungen, unter anderem aus der Schweiz, den Vereinigten Staaten und Deutschland, hätten ebenfalls eine ablehnende Haltung in dieser Angelegenheit eingenommen und mehrere Rechtshilfegesuche der russischen Regierung im Zusammenhang mit dem Fall ToAz abgelehnt, schreibt Ameropa.

Ameropa ist in Russland und der Ukraine nicht nennenswert engagiert. In Anbetracht des aktuellen geopolitischen Kontextes und der damit verbundenen starken Marktschwankungen  werde Ameropa die Lage «genau beobachten». Ameropa hatte 2021 einen Umsatz von 9,6 Milliarden Franken erzielt (+30%), dies bei einer rückläufigen Tonnage (29,5 Mio. Tonnen, - 7,5%). Die Firma beschäftigt weltweit 2600 Mitarbeitende.

Toaz zählt 6000 Mitarbeitende. Der Umsatz lag 2017 bei 723 Millionen Dollar, der Gewinn bei 14 Millionen. Das Kapital wurde mit 1,2 Milliarden Dollar veranschlagt. Neuere Zahlen waren nicht erhältlich.

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