Hier gibt es Secondhand für Modemuffel
Das Label Rework ist auf Expansionskurs und bringt bald Secondhand-Mode in die Gerbergasse. Wie ein kleines Unternehmen an bester Lage in der Innenstadt überleben will.
Seit Wochen zieren die Schaufenster eines leerstehenden Ladens zwischen Gerbergasse und Falknerstrasse Zeichnungen einer Basler Künstlerin. Sie weisen auf die Eröffnung des Kleiderladens Rework am morgigen Samstag hin. Rework, das ist ein Kleiderlabel aus Bern, das Mode aus Secondhand-Kleidern macht.
Zeitlos, das beschreibt den Stil der Kleider recht gut, wie Kaspar Schläppi, Geschäftsführer von Rework bei einem Treffen rund zwei Wochen vor der Eröffnung in der Grossbasler Innenstadt bekennt. «Basic Designs» nennt er es. Schläppi selbst kommt in legerem Style daher, trägt gut getragene Kleider, die er wahrscheinlich seit mehreren Jahren besitzt. Von Weitem sieht man ihm seine über 50 Lenzen nicht an.
Rework, das heisst nicht einfach Secondhand oder Vintage: Die Altkleider werden einem Redesign unterzogen. Das heisst, die alten Kleider, die wir hier in die Kleidersammlung geben und danach in Sortierwerken in Indien landen, werden «up-gecycelt». Das heisst, für die in der Schweiz entworfenen Kollektionen picken Mitarbeitende von Rework in Indien die passenden Secondhand-Textilien heraus. Dort nähen sie sie auch gleich um.
Von der Textil-Kette zum Textil-Kreislauf
Die Arbeit in den Sortierwerken und in den Nähateliers sind Teil ihrer eigenen Operation, steht auf der Homepage von Rework. Deshalb sei es ihnen möglich, auf überdurchschnittliche lokale Löhne achten zu können. Die Einzelstücke, die dann in den Läden in der Schweiz landen, sind zwar ähnlich, aber nie gleich. Aus der globalen Textil-Kette wird somit ein Kreislauf. Die Rohstoffgewinnung braucht quasi keine Energie. Und das Material ist erst noch in Unmengen vorhanden.
Die Klamotten gibt es schon seit längerem im Fizzen zu kaufen. Aus dem Vintage- und Accessoire-Laden ist die Kleidermarke 2019 auch hervorgegangen. Der Laden in Basel ist mittlerweile der vierte eigene Standort des Labels. Und das an exponierter Shopping-Lage. In Zürich gibt es bereits deren zwei in der Innenstadt. In Bern sind sie seit Anfang Jahr an der Marktgasse anzutreffen.
Entgegen dem Trend
Wie geht das? Widerspricht Rework mit seiner Wachstumsstrategie doch einem globalen Trend: Laut einem Bericht von Public Eye zu Textilindustrie und E-Commerce sind in der Schweiz die Umsätze im sogenannten Bekleidungsdetailhandel seit 2010 um rund 2,5% pro Jahr zurückgegangen. Anderswo dürften die Zahlen mehr oder weniger ähnlich sein. Jeder fünfte Laden ist laut dem Bundesamt für Statistik zwischen 2011 und 2019 hops gegangen. Rund 8253 Jobs hat diese Entwicklung bis jetzt gekostet.
Und trotzdem: Rework nistet sich hier ein zwischen Kleiderläden wie H&M, Zara, Doodah und Tarzan. In den Shops findet sich scheinbar immer mehr umweltverträgliche Kleidung. Es besteht offensichtlich ein Bedürfnis danach. «Man muss mutig sein», sagt Schläppi darauf angesprochen, wie sich ein doch eher kleines Modelabel diese Lage überhaupt leisten kann. «Diesen Mut haben wir erst, seit wir in Bern mit einem Pop-up-Store an solch einer teuren Lage erfolgreich waren», sagt er. Die Stimmung auf dem Immobilienmarkt komme ihnen entgegen. «Man will ja keine leeren Läden in den Innenstädten», so Schläppi.
Die Verkaufsfläche in Basel ist genau da, wo Rework hin will, ja muss: «Wir wollen ein breites Publikum ansprechen. Und das geschieht primär über das Design. Wir müssen also gesehen werden und eine ästhetische Sprache sprechen, die auch Modemuffel wie dich anspricht», sagt Schläppi mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Sein jugendlicher Charme kontrastiert wunderbar mit seinem weissen Dreitagebart. «In einem weiteren Schritt wollen wir die Kundschaft von unserem Konzept überzeugen.»
Modebusiness hinterfragen
Dass die Ware secondhand ist, ist also sekundär. Aber auf dieser zweiten Ebene halt eben doch wichtig. «Alle reden von Nachhaltigkeit. Uns kommt natürlich entgegen, dass die Konsument*innen das Mode-Business derzeit sehr stark hinterfragen.» Das betrifft Schläppi persönlich ja auch, wie er sagt. Und auf der Homepage von Rework kommuniziert er neben Arbeiterlöhnen darum ganz offen seine persönlichen Gewissensbisse in Bezug auf den Konsumrausch in unserer Gesellschaft.
«Ich habe keine pfannenfertigen Antworten, wie wir als Gesellschaft mit solchen Herausforderungen umgehen sollen.» Ausser vielleicht, dass wir alle sinnvolle Produkte konsumieren sollten, ergänzt er. Dazu gehöre nicht nur eine emanzipierte Kundschaft, «die das ganze Hin- und Hergeschicke nicht will», wie Schläppi sagt. Sondern es gehört auch dazu, «dass wir alte Dinge wiederverwenden, um neue zu kreieren». Nur so bleibt auch der Kreislauf im Fluss.
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