Rassismus ist keine «verbale Entgleisung»
Beim Match Schweiz gegen Serbien kochten in beiden Lagern die Emotionen. Dabei kamen nationalistische Botschaften und obszöne Gesten zum Zug, auch wurden rassistische Aussagen gemacht. Diese müssen als solche benannt werden – auch im Fussball. Ein Kommentar von baba news.
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Nachdem es in vergangenen WM-Spielen zwischen der Schweiz und Serbien zu üblen Zwischenfällen gekommen war, wurde das gestrige Zusammentreffen der beiden Teams mit Spannung erwartet. Und in der Tat wurden all jene, die auf Drama gehofft hatten, nicht enttäuscht.
So griff sich Granit Xhaka mit Blick auf das Publikum in den Schritt. Ob dies eine Reaktion auf die Rufe serbischer Fans geschah, oder ob Xhaka aktiv provozieren wollte, ist unklar. Darüber hinaus jubelte er im Trikot seines Teamkollegen Ardon Jashari – was von Beobachtern als politische Provokation interpretiert wurde. Denn Jashari ist auch der Name eines im Kosovo gefeierten Nationalhelden, der in Serbien als Terrorist gilt. Adem Jashari hatte in den 1990er-Jahren für die Unabhängigkeit des Kosovos von Serbien gekämpft und erlangte Märtyrer-Status, nachdem er und seine Familie im März 1998 bei einem Einsatz der serbischen Polizei getötet worden waren.
«Tötet, tötet, tötet den Albaner.»
Provokationen gab es auch von serbischer Seite. Berichten zufolge sollen serbische Fans Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri bereits beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung ausgepfiffen haben, wie auch im Verlauf des Spiels. Über «gewöhnliche» Provokationen hinaus gingen schliesslich die Rufe gegen Ende des Spiels, wo Zuschauer*innen «ubij, ubij, ubij šiptara» skandiert haben sollen, was «tötet, tötet, tötet den Albaner» bedeutet, wobei für «Albaner» der im Serbischen rassistische Begriff «Šiptar» verwendet wurde.
Weiter machte ein Video vom serbischen Nationaltrainer Dragan Stojković die Runde, der den zweiten Treffer der Serben wiederum mit einer rassistischen Beleidigung feierte. Mit geballten Fäusten murmelte er Worte vor sich hin, die Lippenleser*innen ohne Mühe als «f****t eure albanischen Mütter» übersetzen konnten, wobei auch hier der Begriff «šiptarske» fiel. In der Berichterstattung wurde dieser Satz verharmlosend als «verbaler Entgleiser» (20 Minuten) oder auch «Schmähworte» (NZZ) bezeichnet.
Was hier verharmlosend als «sprachlicher Entgleiser» und «Schmähworte» bezeichnet wird, darf so nicht stehengelassen werden – denn Rassismus ist keine «verbale Entgleisung». Bei der Beleidigung seitens des serbischen Nationaltrainers handelt es sich um rassistische (und davon abgesehen sexistische) Hassrede, die so auch nicht im Fussball, oder eben gerade nicht im Fussball, Platz haben darf.
Jörg Meibauer, Professor für Sprachwissenschaft des Deutschen an der Universität Mainz
Denn Hassrede geht über gewöhnliche Beleidigungen oder Obszönitäten hinaus. Sie zielt darauf ab, ganze Gruppen von Menschen herabzusetzen und zu verunglimpfen. Unnötig zu erwähnen, dass wohl jeder Krieg in der Geschichte der Menschheit seinen Ursprung in der Hassrede hat, und noch unnötiger im Hinblick auf die blutigen Kriege, ethnischen Säuberungen und Genozide auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens zu Beginn der 90er Jahre, die vielen nach wie vor präsent sind. Hier haben insbesondere Medien eine Kontrollfunktion, indem sie gesellschaftliche Gefahren erkennen und auch benennen.
Durch die Verharmlosung rassistischer Hassrede als «sprachlicher Entgleiser» oder «Schmähworte» werden Rassismus, und in diesem Falle auch serbischer Nationalismus, salonfähig gemacht. Wie angsteinflössend dies sein kann, konnte, ganz abgesehen von der gegenwärtigen Erstarkung nationalistischer Kräfte auf dem Balkan selbst, im Anschluss an das gestrige Spiel beobachtet werden – denn in Wien marschierten rund 150 Fussballfans aus dem serbischen Lager durch die Stadt und skandierten auch hier «tötet, tötet, tötet den Albaner».
Welch traumatische Erinnerungen dies bei Albaner*innen ausgelöst haben muss, insbesondere solchen, die selbst kriegerische Auseinandersetzungen miterlebt haben, können Nichtbetroffene wohl nur erahnen. Doch wie kommt es, dass innerhalb der Redaktionen oft nicht ansatzweise adäquat auf Themen wie diese eingegangen wird?
Ein Erklärungsansatz kann in der Zusammensetzung des Personals innerhalb der Redaktionen gesucht werden. Denn diese spiegelt nicht die Zusammensetzung der Bevölkerung wider. Es mag nach einer saloppen Erklärung klingen, doch Redakteur*innen kommen oft aus einem ähnlichen Milieu und wurden ähnlich sozialisiert. Man stelle sich vor, eine Horde Muslime wäre durch die Strassen von Wien marschiert und hätte lauthals Todesdrohungen gegen eine andere Bevölkerungsgruppe skandiert – der mediale Aufschrei wäre, völlig zurecht, immens gewesen.
Bleibt zu hoffen, dass in den Redaktionen künftig vermehrt personale Durchmischung und Aufklärungsarbeit stattfindet, und die Zwischenfälle spielrechtliche Konsequenzen mit sich ziehen, so dass Fussball nicht mehr für politische Zwecke missbraucht wird, sondern Menschen verbinden statt trennen kann.
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