Eine Stadt für Mädchen

In einer Ausstellung im De-Wette-Park zeigen Teenager*innen, wo sie sich in Basel wohlfühlen und wo nicht. Sie schreiben von Bäumen, Schatten und Sitzmöglichkeiten, aber auch von Dunkelheit, Dealern und der «Vorgeschichte Tod».

Ausstellung Girls City
Wie Mädchen die Stadt erleben.

Der Kannenfeldpark ist für viele Basler*innen ein Wohlfühlort, zum Beispiel für Familien, die mit dem Kinderwagen spazieren gehen oder für Jogger*innen, die dort ihre Runden drehen. Auch Elena fühlt sich dort wohl. Sie ist eine von 36 Teenager*innen, die im Rahmen der Ausstellung Girls City ihre Wohlfühl- und Unorte in Basel präsentieren. Elena schreibt: «Durch die vielen Bäume und grossen Büsche fühle ich mich ruhig und geborgen.» Auch der Schatten, die Trinkbrunnen und die zahlreichen Sitzmöglichkeiten sind für sie ausschlaggebend. Ihr ist beim Kannenfeldpark jedoch die Präzision wichtig: «bei Tag». 

Eine andere Person platziert den Kannenfeldpark nämlich auf der Gegenseite. Wenn es dunkel wird, verwandle er sich in einen Unort. Es gebe zu wenig Wegbeleuchtung. Das Sicherheitsgefühl schwindet. Die persönliche Wahrnehmung ist massgebend, ob ein Park, ein Platz oder ein Quartier als Wohlfühl- oder als Unort eingestuft wird. 

Es sind jedoch selten Menschen wie Elena, also Mädchen und junge Frauen, denen in der Stadtplanung Gehör verliehen wird. In der Ausstellung Girls City stehen sie deshalb im Fokus. Auf vier grossen Plastikwänden wird im De-Wette-Park aufgezeigt, wo sich Elena und die anderen Teenager*innen wohlfühlen und wo nicht.

Ausstellung Girls City
Die Installation ist Teil von Open House Basel.

Die Installation ist Teil des Events Open House Basel, wo es dieses Wochenende über 100 architektonisch eindrucksvolle Gebäude und Ausstellungen zu besichtigen gibt. Organisiert wurde Girls City von der drumrum Raumschule und vom Netzwerk Frau+SIA Basel. Die Plastikwände werden von dutzenden A4-Blättern mit Schwarz-Weiss-Fotos und kurzen Texten geziert. Jedes Blatt bildet entweder einen Wohlfühlort oder einen Unort in Basel ab. In der Mitte sind sie auf dem Stadtplan mit roten und grünen Punkten eingezeichnet. Rechts oben prangt die Überschrift: «Wie Mädchen die Stadt erleben.» 

Auf Nachfrage von Bajour erklärt Nevena Torboski, Architektin und Leiterin der drumrum Raumschule, was diese Blätter bezwecken sollen. «Girls City zeigt, wie Mädchen im Teenager-Alter die Stadt erleben und welche Orte sie mögen oder meiden. Ihre spezifischen Bedürfnisse werden in der Stadtplanung oft vernachlässigt.» Durch das Projekt sollen die Mädchen ermutigt werden, ihrer Perspektive in der Stadtentwicklung Gehör zu verschaffen. 

Hast du Lust mitzuwirken?

Aufgrund der steigenden Nachfrage wurde die Eingabefrist für Wohlfühl- und Unorte (Modul 1) auf den 30. Juni verschoben. Im zweiten Modul kannst du an der Sommerwerkstatt in den sechsten Sommerferienwoche teilnehmen und Ideen für (Un)orte entwickeln. Mehr Infos findest du …

hier.

Die 36 Teilnehmenden kamen über den Mädona Mädchentreff, ihre lokale Jugi, die Tagesstruktur oder die Schule mit dem Projekt in Berührung. Unter ihnen seien aber nicht nur Mädchen, erklärt Torboski. «Girls City richtet sich in erster Linie an Mädchen, das heisst aber nicht, dass Jungs nicht mitmachen können.» 68 Blätter hängen jetzt an der Wand. Es sind aber nur wenige, die einen Namen tragen, den man einem Jungen zuordnen würde. Torboski erläutert, weshalb es Girls City und nicht Boys City heisst: «Viele Mädchen nutzen den öffentlichen Raum spärlicher als gleichaltrige Jungs oder fühlen sich an Orten unwohl oder unsicher.» Auf ebendiesen Umstand möchte sie aufmerksam machen und Lösungsversuche anbieten. 

Ein oft genannter Wohlfühlort sind die Jugendtreffs. Für Ellie ist es der Mädchentreff Mädona. Es sei ein «Raum zum sein, wie man will». Laila wiederum fühlt sich in der Jugi Breite wohl und sicher. Am meisten werden von den Teenager*innen jedoch Grünräume genannt. Für manche ist es der eigene Garten, für andere der Park im Quartier. So zum Beispiel auch für Antonia. Ihr Wohlfühlort ist der St. Johanns-Park. Er sei sehr belebt und deshalb auch an schönen Abenden angenehm, schreibt sie. Gemütlich verweilen zu können, ist auch für Arisa wichtig. Ihr Wohlfühlort ist das gesamte Quartier Kleinhüningen, unter anderem «weil es viele Orte gibt, wo ich gerne chille und mit Freunden hingehe». 

Ausstellung Girls City
Wohlfühlort: Viel Grün.

Auf der Gegenseite, bei den Unorten, findet zum Beispiel den Centralbahnplatz. Er ist Ayaléns Unort, weil so viel los sei. «Tram, Velo, Bus und viele Leute im Stress», listet sie auf. Auch Katherina findet es unangenehm, sich dort über einen längeren Zeitraum aufzuhalten. Sie klagt über «betrunkene Menschen» und «Drogensüchtige». Auch die verkehrsbelasteten Plätze Barfi und Aeschenplatz werden genannt. Für Aurora wirken die öffentlichen Toiletten am Barfüsserplatz gruselig und nicht schön, weil sie in einem dunklen Gang platziert sind. 

So zeichnet sich ab, was Mädchen unwohl fühlen lässt. Die meisten Unorte sind dunkel, unübersichtlich und unheimlich. Einer sticht besonders heraus: Die Dreirosenanlage. Der Ort sei unangenehm in der Nacht, schreibt Antonia. Dilan und Lorena beklagen, dass es dort viele Dealer habe und Sofia meint: «Es passieren komische Sachen.» 

Ausstellung Girls City
Unort: Dreirosenanlage.

Das Sicherheitsgefühl der Teenager*innen wird oft durch gehörte oder gelesene Vorfälle negativ beeinflusst. «Der Ort ist oft in den Nachrichten», heisst es bei der Dreirosenanlage. «Habe nun mehrmals über Vorfälle im Quartier gelesen», schreibt ein Mädchen zum Unort St. Johann. Beim Lysbüchel-Areal ist sogar von der «Vorgeschichte Tod» – im August 2021 wurde ein 28-Jähriger dort Opfer eines Tötungsdelikts – die Rede. 

Girls City zeigt eindrücklich, dass die Teenager*innen beim Thema Stadtplanung mitreden möchten. Das bestätigt auch Nevena Torboski: «Insbesondere die Mädchen finden es toll, zu Wort kommen zu dürfen.» Sie würden jedoch zu wenig gefördert, kritisiert sie. In einer zweiten Phase des Projekts sollen die Teenager*innen im Workshop während der Sommerferien deshalb Entwicklungsideen skizzenhaft im Modell oder im Videoformat erarbeiten. Anfangs September gilt es im dritten Schritt diese Ideen im Rahmen der Architekturwoche Basel in den Raumplanungsdiskurs einzubringen. Gemäss Torboski soll so der baukulturelle Austausch zwischen Tennager*innen, anderen Nutzenden, Planenden und Entscheidungstragenden gefördert werden. So  könnten die nötigen Informationen gesammelt werden, «um die Stadt Basel künftig entsprechend den Bedürfnissen von Teenagern – insbesondere Mädchen – zu gestalten».

Ausstellung Girls City
Eine Stadt für Mädchen.

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