Art Basel auf dem Lande
Während der Art Basel möchte das Kollektiv Ansichtssache das kunstinteressierte Publikum mit ihrem Resonanz-Festival nach Bottmingen locken – aber auch Partys und Konzerte stehen auf dem Programm.
Kunst ist Chaos. Links im Raum steht der untere Teil einer gold angesprayten Schaufensterpuppe, rechts stehen Gemälde an der Wand, aus einem der Bilderrahmen blickt treuherzig ein Dackel. Hoch oben an der Wand hängt ein Schaf im Schneidersitz mit rosa Pulli auf einem Bürostuhl, das das grosse Atelier im Unterwerk in Bottmingen fest im Blick hat.
Chaos ist Kunst. Hier könnte man sich ewig umschauen und immer wieder neue Dinge entdecken, an denen das Kollektiv Ansichtssache arbeitet. Skulpturen, Gemälde und Farben überall – und das nicht nur während der Art Basel.
Während die führende Weltmesse im Bereich der Kunst in diesem Juni in Basel über die Bühne geht, will das Kollektiv Ansichtssache das Kunstpublikum mit Live-Acts, Performances, Workshops, Partys und viel Kunst in die Agglo locken. Auf mehr als 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche rufen Jasmine Noemi Jetzer, Marinus Börlin und Andrin Grimm das neue Resonanz-Kunstfestival ins Leben. Dass die Art-Besucher*innen den Weg ins Baselbiet nicht scheuen, hat der Basel Social Club vorgemacht, der letztes Jahr zahlreiche Menschen nach Bottmingen lockte, die Kunst auf Kuhwiesen bestaunten.
«Wir sehen uns nicht als Konkurrenz, sondern als Pendant zum Social Club», so Jetzer. So oder so ist der Social Club dieses Jahr in der Altstadt beheimatet.
Mit dem neuen Festival möchte das Kollektiv Ansichtssache «ein Echo» zur Art Basel schaffen. Jetzer sagt: «Wir nehmen Schwingungen auf und tragen sie wieder hinaus in die Welt.» Während sie mit Bajour spricht, sind ihre beiden Kollegen mit der Vorbereitung beschäftigt, denn viel Zeit ist nicht mehr. «Wir haben mehr als 25 Künstler*innen, aus der Region und aus aller Welt nach Bottmingen eingeladen, die während der Art-Woche hier ausstellen», so Jetzer.
Unter anderem sind die Fotografin und Videokünstlerin Brigitte Fässler, die beiden Bildhauer Vincenzo Baviera und Urs Cavelti, der bildende Künstler Frank Lülling oder der Maler und Zeichner Thomas Ritz mit an Bord. Aber auch die Künstler*innen vom Kollektiv selbst werden ihre Werke präsentieren. Sie alle haben ihre Ateliers im Unterwerk Bottmingen und planen dort immer wieder Ausstellungen oder Performances. Allerdings nicht in der Grössenordnung wie nun zur Art.
Grimm und Börlin haben das Kollektiv Ansichtssache im September 2021 gegründet, die beiden haben seitdem mehr als zwei Dutzend Projekte gemeinsam realisiert. Jetzer ist frisch dabei. Sie arbeitet mit einer Vielzahl von Medien wie Licht, Virtual Reality oder Film und sagt: «Das Kollektiv möchte Resonanzräume für die betrachtenden Personen schaffen.»
Der gemeinschaftliche Aspekt stehe im Mittelpunkt. Und so geht es dem Kollektiv während des Resonanz-Festivals auch um mehr als nur um eine Werkschau oder die Verkaufsausstellung. «Wir freuen uns auf einen aktiven, gemeinsamen Prozess mit allen Menschen, die den Weg von Basel zu uns ins Unterwerk finden.»
Die Künstler*innen sind vor einem Jahr im Zuge der Zwischennutzung auf das Areal des ehemaligen Unterwerks Bottmingen von Primeo Energie gezogen. Seither beleben die Kunst- und Kulturschaffende den Ort, auch Start-ups und die Buvette Querbeet sind eingemietet. Auch sie sollen Teil des Resonanz-Festivals sein.
Das Gelände am Ortsausgang Richtung Oberwil zwischen Therwilerstrasse und der Birsig lebt durch die Aktivitäten der Kunst- und Kulturschaffenden immer mehr auf. Im Mai erst zog das Literaturfestival in der Trafohalle auf dem Gelände zahlreiche Interessierte aus der Region an – nun wagt das Kollektiv Ansichtssache den nächsten grossen Schritt, indem es nicht nur auf das regionale, sondern auch auf internationales Publikum setzt.
Das Resonanz-Festival ist ein Experiment, das den kreativen Dialog zwischen allen fördern möchte, die sich für Kunst interessieren oder diese schaffen. Es gibt Künstler*innen-Gespräche, Führungen über das ganze Areal, Filmvorführungen, Konzerte und Afterpartys auf dem Lande. Wie vielseitig das Programm ist, zeigt allein ein Blick auf den letzten Abend, an dem zuerst die vierköpfige Basler Indie-Folk-Band Chimera Paul – ein ehemaliger BajourBeat der Woche – auftritt und anschliessend der deutsche HipHop-DJ Ara auflegt.
Einige der Skulpturen sind bereits angeliefert worden und der Raum, in dem das Schaf an der Wand die Vorbereitungen verfolgt, wird auch noch in shape gebracht, bevor die internationale Kunstszene sich auf den Weg in die Agglo macht.